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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 1-13 (Januar 1824)
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Nachrichten uͤber Kunſt, Leben und Wiſſenſchaft.

2—— ——— ——— 2—2—— —74242 w — — p —— —5—

Korreſpondenz⸗Nachrichten.

Paris, Dezember, 1823.

(Fortſetzun g.)

Alles was die Bühnen unſerer Hauptſtadt dem innern und äußern
Auge/ im lezten Monate d. Jahrs Geiſtreiches und Schauluſtiges vor-
führten, bin ich Ihnen anzuzeigen bemüht geweſen, aber ſo lachend
uns auch die heitern Pierinnen mit Tanz, Geſang, Muſik und
ſchöner Redekunſt beſchenkten, eben ſo freundlich luden uns auch die
erſtern Töchter Mnemoſynens, in die glänzende Verſammlung des
Atheneums ein, welches am 29. Novbr. ſeine Hallen den Vorleſungen
geweihter Prieſter öffnete. Nachdem Herr Viktorin Fabre in ſeiner
Eröffnungsrede, den Zweck und Nutzen einer Anſtalt, welche ſeit beinah
30 Jahren blüht, in Erinnerung gebracht hatte, ſprach er mit glän-
zender Beredſamkeit von den Vortheilen der Wiſſenſchaften auf Sit-
tenverfeinerung. Ihm folgte Herr Saintine, welcher Auszüge eines
Gedichts „über die Valois“, nicht weniger merkwürdig durch zartes
Gefühl, als durch zierlichen und fließenden Versbau, vortrug. Herr
Caſimir Bonjour las: „das Fragment einer Kritik über die lyriſche
Poeſie der Griechen“ ab, und verglich ſie mit jener der Römer und
neueren Völker. Dieſe durch ihre ſeltſamen Sätze anziehende Vorle-
ſung eines geiſtreichen Mannes, welche den Zweck hatte zu behaupten,
daß nur die Griechen allein lyriſche Dichter gehabt hätten, wurde
ſelbſt von Ungelehrten mit großer Theilnahme gehört. Hierauf nah-
men die Herrn Lemagorier und Meville das Wort, und erzählten,
dieſer: „Das Märchen vom Gerichtsherrn“, jener die Fabel: „Vom
König und vom Bauer.“ Beide Stücke wurden, wegen ihres geiſt-
reichen, leichten und blühenden Styls, mit Beifall beehrt. Den
Schluß der Sitzung machte der ehrwürdige achtzigjährige Greis Herr
Famin, mit zwei kleinen ſatyriſchen Aufſätzen, die ſowohl durch die
Oviginalität ihrer Gedanken, als durch ihren unterhaltenden Vortrag
allgemein gefielen. — In der am 13. d. ſtattgehabten Sitzung der
Königlichen Akademie der ſchönen Künſte, wur den die Herrn Roſſini/
Thorwaldſen und Schinkel zu auswärtigen korreſpondirenden Mitglie-
dern ernannt. Herr Miguet, der im vergangenen Jahre auf eine ſehr
anſprechende Weiſe die Geſchichte der Reformation vortrug, hat dieſer
Tage ſeine Vorleſungen: Ueber die Geſchichte der Revolutionen
Englands im Atheneum eröffnet. Die Verſammlung war zahlreich
und ehrenvoll, und verſpricht ihm eine allgemeine Theilnahme, indem
er das Gemälde einer großen volitiſchen Begebenheit entwirft, die mit
den Verhältniſſen der unſrigen ſo viel Aehnlichkeit hat. Seine Ein-
leitung, in der er neue und wichtige Betrachtungen über die vorzüg-
lichſten Epochen der engliſchen Geſchichte, und über die Urſachen vor-
trug, die dieſem Lande um 150 Jahr früher die Freiheit gaben, als dem
Kontinent, kündigte im Voraus die Wichtigkeit ſeines Vortrags an.
Sehr angenehm weiß der Herr Profeſſor ſeine philoſophiſchen Be-
trachtungen mit dramatiſchen Geſchichtsſzenen auszuſchmücken, welche
ihm den Beifall aller Stände und auch den des ſchönen Geſchlechts
zuſichern müſſen. An bedeutenden und erſehnten Fortſetzungen erſchie-
nen in dieſem Monat: die dritte Lieferung der Memoires de Napoléono
in 2 Bänden, von denen der eine den erſten Band der Feldzüge in
Italien, der andere aber Napoleons Bemerkungen über die Kriege
Friedrichs des Großen und des Marſchalls Türenne enthalten; die
ſiebente, achte und neunte Lieferung von des Herrn Grafen Delaborde
*Voyaàge pittoresque et historique en Espagnes, mit prächtigen Kupfern,
welche die Ausſicht des Schloſſes von Cora, die innere Anſicht des
prächtigen Schloſſes Alhambra, das Luſtſchloß Aranjuez, die Stadt
Toledo und die Waßerleitung von Segovia, als vorzüglich bemerkens-
werth und gut ausgeführt darſtellen; der dritte und lezte Theil von

Büchons Ueberſetzung des Dugald Stewartſchen Werks: «Histoire
abregée des sciences metaphisiques, morales et politiques, depuis la
renaissance des lettres en Europe. Er enthält die franzöſiſche, teutſche,
ſchottiſche und italieniſche Philoſophie, vorzüglich die von Condillac,
Kant, Reid, Vico und Genoveſt. Dieſes Werk hat ſich durch die
Gerechtigkeit, womit der Verfaſſer alle Stifter und Begründer der
verſchiedenen Schulen ſchildert, und durch ſeine richtigen Urtheile
großen Beifall erworben; die eilfte Lieferung der Vie politique et
militaire de Napoléons von Arnault, welche vorzüglich gelungen iſt,
und den Künſtlern, die daran arbeiteten, große Ehre macht. Die De-
tails des 18. Brümaire ſind mit der ſtrengſten Genauigkeit ausgeführt.
Der Griffel von Horace Vernet hat mit Talent den Charakter Napo-
leons in einer ſehr peinlichen Lage entworfen, als er beim Rückzug
aus Spanien die Beſchwerlichkeiten eines Marſches durch eine ſehr
verödete Gegend kraftvoll erträgt, indem er einem kranken Soldaten
ſein Pferd überlaſſen hat. Die Belagerung von St.⸗Jean⸗d'Acre bie-
tet eine Menge kleiner Umſtände dar, die Charlet aͤlle herrlich zurück-
giebt, der fünfte Sturm iſt kräftig dargeſtellt, Antührer wie Soldaten,
alle ſind in heftiger Erbitterung. Dem Vertrag mit Alexandrien hat
Grenier eine glänzende Kompoſition verliehen. Bonaparte inmitten
der Tropheen von Marengo, erhält durch General Berthier den vom
öſterreichiſchen General Melas unterzeichneten Traktat, der ganz
Italien an Frankreich überläßt. Die Schlacht von Mont-⸗Thabor,
ein Blatt Champions, iſt des beſten Lobes werth, wenig Schlachten
ſind mit ſo vieler Genauigkeit dargeſtellt worden, denn, wer die Ge-

„ſchichte dieſes merkwürdigeu Tages liest, muß gewahr werden, daß

die nähern Umſtän de dem Künſtler von Perſonen gegeben wurden,
welche dabei waren; der zweite Band von Pigault⸗Lebrüns «»Histoire
de Frances enthält die zweite Dynaſtie der Könige Frankreichs:
Der Valois. Wir werden auf dieſes geſchätzte Werk im nächſten Mo-
nat zurückkommen. (Fortſetzung folgt.)

London, im Dezember, 1823.
(Schlu 5ß.)

Hier Einiges aus der Welt in nuce: der Bühne. Neu waͤren auf dem
Theater in Covent Garden: „Die Fähre von Guiers“; und: „Die
Veſper von Palermo.“ Erſteres ſpielt in der franzöſiſchen Revolu-
tionszeit und enthält nur weniges Gute. Lezteres von Miſtriß Hemans
hat den gewöhnlichen Fehler der geiſtigen Damen-Werke, daß darin
zu viel geſprochen und zu wenig gethan wird. Auf dem Theater in
Drury⸗lane gab man „Cajus Grachus“ von Mr. Knowles. Man
hatte ſich von dem Verfaſſer des Virginius, etwas beſſeres verſprochen.
Seinem Dialog geht Poeſte und ächte Rednerkunſt ab und in ſeinem
Versbau vermißt man Korrektheit. Mäcready gab den Grachus. In
der zweiten Woche dieſes Monats hatten wir die Freude, Herrn Kean
als Richard III. hier auftreten zu ſehen, zum erſtenmal für dieſen
Winter und zwar nach ſeiner lezten ſchweren Krankheit. Das Haus
war übervoll und der rauſchendſte Beifall emping den Heros der
engliſchen Tragiker. Auf dem Surrey -Theater führte man
«The gamblersa, ein Schauerſpiel auf, wozu ein unlängſt in Herford-
ſhire vorgefallener Mord den Stoff lieferte. Natürlich war dies
etwas für den Pöbel und erhielt ſtarken Zulauf. Auch das Coburg-
Theater ſuchte denſelben Vorgang zu einem Drama zu benützen,
worin der — Gott ſey bei uns — ſelbſt den tragiſchen Hebel leitet
und den Knoten entſchürzt. Die Polizei unterſagte aber nach der
zweiten oder dritten Vorſtellung die fernere Aufführung. In dem
Opernhauſe nichts als Roſſini und wieder Roſſini und er in persona

ſtieg dieſer Tage zu Dover ans Land.
* —

Berleger: Karl Groos, Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelberg. — Druckerei von F. Kaufmanns Witwe.
 
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