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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 1-13 (Januar 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0059

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holte ihm Waſſer, das voller Blut war, welches dem Koͤ—
nige, bei der großen Hitze, die er empfand, eine ſolche
Uebelkeit verurſachte, daß nichts davon in ſeinem Leibe
blieb. Alsdann legte er ſich, um ein wenig zu ruhen, auf
einen Artilleriekarren, damit er ſein Pferd ſchone, das
ſehr verwundet war, und hatte bei ſich einen italieniſchen
Trompeter, Namens Polfle, der ihm trefflich diente; denn
er blieb immer dem Könige zur Seite, und man hoͤrte
ſeine Trompete vor allen andern des Lagers, wodurch man
erfuhr, wo der Koͤnig war und ſich zu ihm begeben konnte.
Aber Herr von Vendome ſammelte mit dem jungen Aben-
theurer, der die deutſche Sprache verſtand, die Lanzknechte
wieder, ſo daß der Koͤnig bald an die 4000 um ſich hatte,
die ihm der Hauptmann Brandeck zufuhrte, und die andern
Hauptleute folgten ihm nach der Reihe. Da ich nun ge-
ſagt, was die Franzoſen thaten, muß ich auch daſſelbe von
den Schweizern melden. Seit dem Anbruch der Nacht hat-
ten ſie beſchloſſen, den Koͤnig anzugreifen; die Urſache war,
daß ſie in ihrer Mitte ein Feuer angezündet, worauf eine
unter ſie gegebene Artillerieſalve ihnen großen Schaden
that. Nach wohlgenommener Berathſchlagung ahen ſie,
daß ſie nicht die Anzahl Mannſchaft hatten, um ſolches zu
bewirken; ſie zogen ſich zuruück, und blieſen die zwei groſſen
Hörner von Uri und Unterwalden. Hierdurch ſammelten
ſie wieder ihre zerſtreuten Leute um ſich, die keinen Tam-
bour hatten, der ein Zeichen haͤtte geben koͤnnen. Und es
wurde die Nacht uͤber an verſchiedenen Orten gekaͤmpft,
und den franzoͤſiſchen Gendarmen dienten nun, ſtatt der
Standarten, ihre Trompeten zum Verein. Als der Tag
erſchien, befanden ſich da, wo der Koͤnig war, wohl 20,000
Lanzknechte und die ſaͤmtliche Gendarmerie, alle wohl in
Schlachtordnung bei ihrer Artillerie, und wenn die Schwei-
zer am Abend zuvor einen heftigen Anfall gethan, ſo ge-
ſchah dies noch mehr am Morgen. Aber ſie wurden von
dem Könige und Herrn von Guiſe mit ſeinen Lanzknechten
empfangen, und die Artillerie und das Kleingewehrfeuer
der Franzoſen that ihnen großen Schaden. Sie konnten
es nicht aushalten, und fingen an, das Lager von einer
Seite auf die andere zu umgehen, um zu erforſchen, wo
ſie es ſtürmen koͤnnten. Allein ſie kamen nicht zum Zweck,
außer ein Trupp, der ſich auf jene Lanzknechte warf; doch
als er ſeine Piken gegen dieſelben ſenkte entzogen ſie ſich,
ohne daß der Feind wagte in ſie einzudringen. Und es
war an ihrer Spitze ein dicker Hauptmann, der zu den
Lanzknechten ſprechen und ſie aufwiegeln wollte; aber er
ward getoͤdtet. Die Schweizer hatten in das Haus, wel-
ches der Abentheurer den Tag zuvor verbrennen laſſen,
zwei Kanonen geſtellt, welche dorthin ſchoſſen, wo der Koͤ⸗
nig war, und faſt waͤren dieſer Herr und einige vornehme
Perſonen getoͤdtet worden. Einer davon blieb auch wirk-
lich. Jetzt wollten ſich zwei Schaaren der Schweizer verei-
nigen, um einen Angriff auf die Artillerie der Franzoſen
zu thun; jedoch der Abentheurer, Herr von Bayard, und
Herr von Buſſy d'Amboiſe, mit den bei ſich habenden
Gendarmen, ſtuͤrmten in ihre Flanke, und es wurden der
Abentheurer und einige ſeiner ́Gendarmen zur Erde ge-

worfen, da ihre Pferde verwundet und toll waren; ja,
ohne Herrn von Bayard, der in guter Haltung blieb und
ihn nicht verließ, und ohne Herrn von Sauſſy, der ihm
wieder ein Pferd gab, war der Abentheurer ohne Zweifel
verloren. Wieder zu Roß geſtiegen, ſah er, daß die Schwei-
zer ſich getrennt zuruͤckzoogen, und ſich ein Theil in einem
großen Landhauſe feſtſetzte. ) Der Abentheurer ließ es
anzuͤnden, und es blieben wohl 800 Mann. Der Reſt ret-
tete ſich, und fiel Herrn von Buſſy und den Standarten-
fuͤhrer des Abentheurers, Namens Turteuille, an, welcher
uͤber ſeinen Befehl vorgeruͤckt war; und beide wurden in
einem Graben von Flintenſchüſſen und Lanzenſtoͤßen getoͤd—
tet, ohne daß Jemand Einhalt thun konnte, welches ein
großer Verluſt war. Es blieben in dieſer Schlacht viele
vornehme Perſonen, unter andern der Schwager des Aben-
theurers, Herr von Roye, der den ganzen Tag uͤber zum
Bewundern ſeine Schuldigkeit gethan, ein rechtſchaͤffener
Mann und edler Kriegsgenoſſe, und es war Schade um
ſeinen Tod. Die Schweizer hatten jetzt die Schlacht verlo-
ren; ſie zogen ſich auf der Landſtraße von Mailand in der
beſtmoͤglichſten Ordnung zurück, und weder der Koͤnig, noch
die Anführer, wollten, daß man ſie heftig verfolge. Der
Herr Admiral **) ward befehligt, ihnen mit 300 Gendar-
men bis an die Thore Mailands nachzuziehen. Hierauf
kam der König zu dem Abentheurer, der von jenem Hauſe
zurückkehrte, und ſagte zu ihm: „Wie, mein Freund?
Man hatte mir geſagt, Du waͤreſt todt!“ Worauf der
Abentheurer ihm antwortete: „Sire, ich bin nicht todt,
und werde nicht ſterben, bevor ich Euch gute Dienſte ge-
leiſtet.“ Und es ſagte ihm der Koͤnig: „Ich weiß wohl,
daß in keiner Schlacht, worin. Ihr wart, Ihr noch Ritter
werden wolltet. Ich bin es heute geworden, und bitte
Euch, es durch meine Hand ſeyn zu wollen.“ Gern ge-
währte dieſes der Abentheurer, und dankte ihm fuͤr die
Ehre, die er ihm erwies, wie der Anſtand es foderte. Von
da begab ſich der Koͤnig in ſein Quartier, und behielt den
Großmeiſter Boiſy und den Abentheurer bei ſich, waͤhrend
man das Heer in Kantonirungen verlegte.
K. Geib.

*) Du Bellay ſagt, daß dieſes Landhaus das Logis des
Herrn von Bourbon war, in welches man, da die
hinein retirirten Schweizer ſich zu ergeben geweigert,
Feuer legte, wo ſie denn alle verbrannt wurden; daß
dort auch einige Franzoſen umkamen, welche mit ih-
nen vermengt hinein gedrungen waren, und unter an-
dern Johann von Mouy, Herr von Meilleraye, der
die Standarte des Königs trug.

**) Der Admiral von Bonnivet, ein berühmter Feldherr
Franz J.

Poeſie der Taſchenbücher für 1824.

15. Taſchenbuch fuͤr das Jahr 18244. „Der Liebe und Freund-
ſchaft gewidmet.“ Herausgegeben v. St. Schuͤtze. Frank-
furt am Main, bei Friedrich Wilmanns.

Sehr zu ſeinem Vortheil, bietet uns das diesjaͤhrige Ta-
ſchenbuch, ſtatt der bisherigen wohl niedlichen, aber doch
 
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