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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 40-51 (April 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0200

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Nachrichten uͤber Kunſt, Leben und Wiſſenſchaft.

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Mannheim, den 2. April, 1824.

Konzert des Furſtlich Fuͤrſtenbergiſchen Kapellmeiſters
Herrn Johann Kalliwoda.

Dieſer bedeutende Künſtler gewährte dem ſinnigen Theile des hieſigen

Publikums, durch ſein herrliches Violinſpjel und durch ſeine ange-
nehmen kenntnißreichen Kompofitionen einen ganz ungewöhnlichen
Genuß. — Schon im fünften Abonnement⸗Konzert überraſchte er die
anweſende Verſammlung durch eine äußerſt originell und ſchön gear-
beitete Symphonie, ſowie auch durch eine Polonaiſe, beide von ſeiner
Kompoſition, wofür ihm rauſchender Beifall ward. Heute aber. er-
ſchöpfte er ae Möglichkeſten der Kunſt, und beſtätigtedals Meiſter

die glänzendſte Herrſchaft über ſein Inſtrument. Sein Ton auf der

Geige, ſein ſicherer Vortrag, die Leichtigkeit und Reinheit, mit der
er die ſchwierigſten Paſſagen und Sprünge ausführte, erfreuten nicht
nur alle Zuhörer, ſondern erfüllten auch jeden mit ſtaunender Bewun-
derung ſo ſeltener Kunſtfertigkeit in einem ſo jugendlichen Alter. Wir
glauben daher nicht zu viel zu ſagen wenn wir dieſen kaum 23jährigen
Künſtler, unter die Zahl der vorzüglichen jezt lebenden Geiger ſetzen.
Seine Kompoſttionen ſind fließend und wohlgeordnet, rein und gründ-
lich, dabei voller Phantaſie und Geſchmack, voll der lieblichſten Wir-
kung für das Ohr. Alle heut vorgetragenen Violinvartieen ſo wie
auch die Ouvertüre der zweiten Abtheilung, waren von ſeiner Kompo-
ſition. Am Schluſſe des Konzerts ſpielte er mit Herrn Konzertmeiſter
Strauß, eine Konzertante für zwei Violinen, welche von dieſen beiden

Meiſtern im höchſten Grade der Vollkommenheit ausgeführt ward.

Fragen wir nun, warum war, beſonders nach dem im fünften Abon-
nement⸗Konzert dem Virtuoſen ſo reichlich geſpendeten Beifall, das
beutige Auditoxium nicht zaͤhlreicher ? ſo bleibt nus keine andere Ant-
wort als: der Sinn für Konzerte iſt, mit Außnahme der abonnirten,
im Allgemeinen ernorben, und nur wenige Künſtler werden hier ihre

Rechnung finden, wenn ſie nicht durch bejondere Empfehlungen ber

günſtigt, oder ihr Ruf ſo allgemein verbreitet iſt, daß man lich ſchaͤmen
müßte, nicht für einen Kunſtkenner angeſeben zu werden. A. — 3.

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Korreſpondenz⸗Nachrichten.

Paris, Februar, 1824.
(Fortſetzung.)
Sieben Kupfer von Godefroy, Motet, Burdet, den ältern Lefevre und
Touzet, nebſt 20 Vignetten in Holz von Thompſon nach Deveria,
ſchmücken die 3 verſchiedenen Ausgaben, welche 20, 40 und 50 Franken
koſten. Das treffliche Dichterwerk, iſt mit ſo viel Geſchmack als Pracht
ausgeführt, und macht dem Zeichner, Kupferſtecher, Drucker und Ver-
leger gleiche Ehre, ſo daß es mit Recht als ein National-Denkmal,
der Poeſie, Kunſt und Induſtrie betrachtet werden kann. An merk-
würdigen Fortſetzungen folgten ſchnell aufeinander: die 13te und 14te
Lieferung von Detabordes Voyage pittoresqne et historique en Es-
pagne.s Dieſes ſchöne Werk iſt auch von Seiten der Künſtler „ welche
daran gearbeitet haben, herrlich ausgeſtattet. Es konnte zu keiner
günſtigern Zeit als jezt erſcheinen, wo alle Blicke auf dieſes ſchöne
Land geheftet ſind, das Delaborde mit ſo vieler Kenntniß beſchreibt;
die 12te Lieferung von Arnaults ⸗Vie politique et militaire de Napoléon.
Sie zeichnet ſich durch trefftiche Kupfer herrlichen Styl und ſchönen
Druck ganz vorzüglich aus. Die Gegenſtände der Kupferſtiche und
Namen der Künſtler ſind : 1) Türenne's Gebeine werden in das Inva-
lidenhaus gebracht, von Colin; 2) die Schlacht pon Montebello/ von
Adam; 3) der Morgen des 18ten Vrümaire, von Champion; 4) die
Schlacht von Caſtiglione, von demſelben; von Eyric's und Malte-
Brun's Nouvelles Annales des Voyages, de la Geéographie et de

Ihistoires, die Oktober⸗ November⸗ und Dezember⸗Lieferungen des
5ten und der Januar des öten Jahrgangs; endlich auch noch der 15te
Band des Théatre complet des Grecs.s Er enthält den Schlußz der
Luſtſpiele des Ariſtophanes, und allgemeine Bemerkungen über das
griechiſche Luſtſpiel; der tte Band beñndet ſich unter der Preſſe, er
beſchließt das Werk und enthält die noch ungedruckten Fragmente der
tragiſchen und komiſchen dramatiſchen Schriftſteller der Griechen.
Büchon's Collection des Chroniques lrangaiseso, welche ich in meinem
lezten Briefe anzeigte, wird aus 4 Abtheilungen beſtehen, auf deren
jede man ſich einzeln unterzeichnen kann. Die erſte wird die Chronik
des Heilg. Denis, die zweite den Froiſart, die dritte ſeinen Fortſetzer
den Monſtrelet, jede in 15 Bänden, und die vierte, unter dem Titel:
kleine Chroniken, wird den Roman du Rou und die merkwürdigſten
Chroniken, dies und jenſeits der Loire, in der Volksſprache enthalten.
Die Ausbeute in hiſtoriſchen, politiſchen, und andern wiſſenſchaftlichen
Werken — ein großer Theil davon ſpricht über die gegenwärtigen
Wahlen der verſchiedenen Departemente Frankreichs, oder enthält
neue Ausgaben längſt bekannter Klaſſiker, des Voltaire, Rouſſeau,
Montesquien, Büffon und minorum gentium, des Florian, Greſſet
u. ſ. w. — war nicht bedeutend; daher nenne ich Ihnen auch nur: die
„Lettros inédites du Chancelier d'Aguesseau, dieſes ſo allgemein geehr-
ten, rechtſchaffenen und gelehrten Mannes und Miniſters, herausgege-
ben von D. B. Rives unter der Aufficht des Herrn Juſtizminiſters
Grafen von Peyronnet, welche dem Gelehrten wie dem Staatsmann
ein gleich erfreuliches Geſchenk ſeyn werden. Ergiebiger war die
Spende der ſchönen Wiſſenſchaften. Nie hat es in Frankreich an Hel-
den und Schönen, noch an Dichtern ſie zu beſingen gefehlt. Wer
ſollte es aber wohl glauben, daß die Muſen vom 12ten Jahrhundert
an bis auf Matherbes 600 Verehrer zählten. Alle waren freilich nicht
ihre Günſtlinge, aber vielen von ihnen verdanken wir Stücke voll
Natur, Reitz und Grazie. Ein großer Theil ihrer Erzeugniſſe war
uns unbekannt geworden, ein noch größexer lag in Werken vergraben/
die man nicht mehr in die Hand nimmt. Herr Crapelet, ein Mann
von Geſchmack, hat dieſe Erzeugniſſe unſerer erſten Dichter geſammelt
und das Beſte davon unter dem Titel: Le Parnasse frangais depuis
le douzieme siècle jusqu's Malherbese, mit einer geſchichtlich literari-
ſchen Abhandlung über Dichter und Dichtkunſt eines jeden Jahrhun-
derts herausgegeben. Das Werk wixd aus 6 Bänden beſtehen, von
denen die beiden erſten bereits ausgegeben wurden. Der «Anthologie
Russep, welche ein franzöſiſcher Dichter Herr Düpre de Saint-Maur
herausgab, erwähne ich hauptſächlich um deßwillen, weil ſie Herrn von
Tolſtoy veranlaßte, dem Herausgeber des Journal de Paris, der ſich
darüber luſtig gemacht hatte, in einer kleinen Brochüre ziemlich lako-
niſch und heftig den Text zu leſen. Eine Fabel des Dichters Kirloff
hatte vor allem die muthwillige Laune des erwähnten Journals auf-
geregt/ welches behauptete, ſie ſey gegen Voltgire gerichtet. Die
Verehrung der ruſſiſchen Nation für Voltaire bewog Hrn. v. Tolſtoy/
ſolches zu widerlegen, und zu dem Zweck dieſe Fabel in ſeiner Bro-
chüre noch einmal abdrucken zu laſſen. Bei dieſer Veranlaſſung will
ich aber doch einige Worte zur Empfehlung dieſer Anthologie ſagen.
Der ueberſetzer giebt in leichten und fließenden Verſen die mannig-
faltigen Stücke der ruſſiſchen Dichter und führt den Leſer abwechſelnd
bald auf Fabeln, Lieder, Stanzen, Oden, Dithyramben und Epigram-
me, bald auf Geſpräche und Szenen aus Luſt⸗ und Trauerſpielen.
So erhält dieſer einen günſtigen Begriff, wie ein geiſtreiches Volk die
verſchiedenen Gattungen der Poeſie behandelt, und zugleich eine Ueber-
ſicht ſeiner ſchön⸗wiſſenſchaftlichen Literatur, der die franzöſiſche zur
Grundlage dientund dieſes Urſprungs nicht unwerth iſt. (Beſchluß folgt.)

Hierzu Titel und Inhaltsanzeige für das erſte Quartal 1824.

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— II-

Verleger: Kar! Groos,

deue akademiſche Buchhandlung in Heidelberg. — Druckerei von F. Kaufmanns Witwe.
 
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