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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 52-65 (Mai 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0261

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Nachrichten uͤber Kunſt,

2———8
22—— — — 22222— ——— — —

Korreſpondenz⸗Nachrichten.

Augsburg/ den 6. April, 1824.
(Schluß.)

Micht anſprechen wollen die Kompoſitionen Spohrs; man findet ſie du —
tiefgelehrt oͤu trocken und weiß nicht, was man aus ihnen machen
ſoll. Iſt aber das bei einem Muſikſtück der Fall, das den Verſtand
angenehm beſchäftigen, das Herz rühren und erfreuen ſoll / dann iſt es
um den Zweck der Muſtk geſchehen.
Eins der brillanteſten Konzerte war am 44. Februar zur Vorbe-
reitung auf den allgemeinen Feſttag (den 16ten) in ganz Baiern, der
Feier des Regierungsantrittes des Königs Maxvimilian Joſeph
vor 25 Jahren. — Der Saal war ge ſchmackvoll dekorirt und beleuchtet
und gedrängt von feſtlich geſchmückten Zuhörern angefüllt. K. M. v.
Webers „Jubel-Duvertüre“ machte den Anfang, aber — nicht Fuxore.
Die Arie Roſſini's aus Torvaldo e Dorliscan wurde wohl nur aus
Gefälligkeit beklatſcht. Ein Klarinet-Konzert von Cruſell, geblaſen
von einem Dilletanten, Herrn S?* mißglückte und gefiel weder von
Seiten der Kompoſition, noch des Vortrages. Die Töne des Svielers
in der Tiefe waren gut, aber in der Höhe glichen ſie dem „Verkündiger
des Tages.“ Wie viele geſchwinde Noten auf die Erde gefaͤllen ſeyn
mögen, könnte nur der ſagen, der nachgeleſen und ſie gezählt hätte. —
Das war der erſte Theil. — Aber im zweiten wezte Frau Doktor
Dingler die Scharten des erſten durch Variationen von Moſchelles,
mit Orcheſterbegleitung, rein weg, denn ſie trug ſie mit wahrer Vir-
tuoſität vor, ſo, daß man nichts dabei erinnern konnte. Hierauf folgte
eine von Hrn. Dr. WEn gedichtete und von Hrn. Dom-Kapellmeiſter
Witzka komponirte Feſtkantate. Der Gegenſtand des Gedichtes iſt:
der Abſchied Kaiſers Maximilian I. von dem ihm ſo lieb geweſenen
Augsburg, dem der Genius der Stadt in Maximilian I., König von
Baiern, einen trefflichen Nachſolger verheißt. Deutſchlands und Baierns
Genien freuen ſich deſſen in einem Duett und die Bürger Augs burgs
ſchließen das Ganze mit einem feierlichen Chor. Wenn gleich die
Poeſie ungleich beſſer iſt, als das meiſte, was in dieſen Tagen hier
gereimt und geleimt worden iſt, ſo liete ſich doch manches
erinnern, wenn nicht Zeit und Raum gebrächen. So hätte z. B. das
erſte Rezitativ aus freier Rede, nicht aber aus zwei langen gleichſylbiaen
Strophen — gleich einem Liede — beſtehen ſollen, 2 hätten das Duett
und der Schlußchor weniger holpexichte Berſe verdient. Die Konipo-
ſition iſt alles Lobes werth und zeugt von einem Manne, der die Theorie
der Kunſt aufmerkſam ſtudirt hat, ſingbar zu ſetzen und die Inſtru-
mente recht geſchickt zu vertheilen weiß. Die Intrade, ſammt der
Diskant⸗Arie, die Fräulein W* ganz brav ſang, gehören zu den her-
vorſtehendſten Partieen; das Duett hat lieblichen Geſang , nur iſt es
ein wenig zu weit ausgeſvonnen und manches zu oft wiederholt.
Außerdem hörte man es von Mad. Scharrer (Diskant) und von Hrn.
Vetter langenehmer, reiner Tenor) mit Vergnügen vortragen.
RNun ſollte ich Ihnen wohl auch von denen etwas ſagen, die uns
als Gäſie Vergnügen gemacht haben, z. B. dem Wunderknaben Lißzt,
der jezt die Pariſer mit ſeinem Flügelſpiel ſo mächtig elektriſirt, von
dem Sänger Siebert, einem Baſſiſten, wie es ſelten giebt, und einagen
andern, ich muß es mir aber auf meinen nächſten Brief vorbehalten.
F.

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Tagebuch des Karlsruher Theaters,

ö Am 2. Mai: „Liebesintriguen auf der Frankfurter Meſſe,“ Poſſe
in 1 Akt, nach J. v. Voß und „die Sängerinnen auf dem Lande,“
Oper in 2 Abtheil., Muſik von Fioravanti. Hr. Wurm gab im erſten

Leben und Wiſſenſchaft.

Stück den Joel, im zweiten den Marco als Gaſtrollen. Das erſte
Stück iſt unbedeutend / und die Reichhaltigkeit des Stoffes verſchwin-
det gänzlich in der dürftigen Behandlung. Der einzige Joel iſt höchſt
glücklich aus der Wirklichkeit aufgefaßt und mit ergötzlicher Treue
durchgeführt. Man muß ihn aber von Hrn. Wurm dargeſtellt ſehen.
Der ächt komiſche Charakter iſt für den Dichter wie für den Mimen
eine gleich jchwere Aufgabe. Beide werden leicht verſucht, aus dem-
ſelben herauszutreten und ihn zum Gegenſtand der Ironie oder Per-
ſiflage zu machen. Herr Wurm hielt ſich ſtreng inner der Grenze
des Objectiven und führte die Rolle mit meiſterhafter Haltung vom
Anfang bis zum Ende durch, ohne ſich nur einen Augenblick der Li-
nie der Carrikatur zu nähern. Durch eine Menge bedeutſamer Nüan-
cen wußte er ſein Spiel zu beleben und ſein Gemälde bis in's kleinſte
Detail zu vollenden. Bei ihm leuchtet auch nirgends Abſichtlichkeit
und Beſtreben hervor, und ſo erfüllt er die große artiſtiſche Bedin-
gung, daß die Kunſt ſich in jeder ihrer Productionen zu verhüllen wiſ-
ſen müſſe. — Die „Sängeriunen auf dem Lande“ ſind das langwei-
ligſte Ding von der Welt, und ohne Hrn. Wurm hätte wohl nur ein
kleiner Theil des Hauſes die Vorſtellung bis zum Ende ausgehalten.
Am 4. Mai: „Das Mädchen von Marienburg,“ Schauſpiel in 5
Abth. von Kratter. Der Verf. gehört zur Ifflandſchen Schule, indeß
iſt ſein Stück, trotz aller Fehler und Mängel im Plan, weder ohne
einzelne Schönheiten noch ohne Wirkung. Der Czaar gehört zu den
vorzüglichern Rollen des Hrn. C. Meyer. Hr. Miayerhofer als Pa-
ſor Gluck und Fräulein Maas als Fürſtin Menzikof erwarben ſich
gleichfalls verdienten Beifall. Auch Herr Schütz als Eduard und Fräu-
lein Bauer als Chatinka verdienen rühmlicher Erwähnung, nur daß
die letzte faſt immer viel zu raſch ſprach.
Am 6. Mai: „Der Wirrwarr,“ Luſtſpiel in 5 A. und „die Tochter
Pharaonis,“ Luſtſpiel in 1 A., beide von Kotzebue. Hr. Wurm ſpielte
im erſten Stücke, den Langſalm, und wußte durch eine Menge klei-
ner drolligter Züge der etwas langweiligen und albernen Carrikatur
Intereſſe abzugewinnen. Er wurde herausgerufen. Frl. Bauer v) be;
wahrte in der Doris ein ausgezeichnetes Talent für ſolche Rollen.
Dem. Glattacker, welche im 1. Stück als Babet, im 2. als Philippine
auftraͤt, ſollte beſſer gehen und ſprechen lernen und ſich beſonders im
Artikuliren üben. Die heiſern Halstöne laſſen ſich durch Sorgfalt
und Anſtrengung verbeſſern und körperliche Haltung iſt etwas, was
ſich ein junges Mädchen in guter G eſellſchaft ſehr bald erwirbt.
Die Tochter Pharaonis iſt eine nicht ſehr witzige Vademecums-
Poſſe, ohne Geiſt und Humor. Uebrigens wollen wie bei dieſer
Gelegenheit eine Bemerkung machen, wozu ſich auch ſonſt ſchon Gele-
genheit dargeboten. Das Komiſche wird bisweilen mit dem Ekelhaf-
ten verwechſelt und beide ſind in der That nichts weniger als identiſch.
(Sortſetzung folgt.)

*) Fräulein Bauerx hat einen recht grimmigen Widerſacher an einem
gewiſſen G. gefunden, der ſeine ungeſalzenen kritiſchen Brü-
ben in der Didaskalta aufzutiſchen pflegt. Dieſer Ehren-
mann, deſſen bereits Juvenal (Sat. III.„ V. 74 — 78 gedenkt,
iſt zum Dramaturgen geeignet, wie der Nachtwächter zum Overn-
jſänger, oder der Kyklope zum Liebhaber. Ihn bedeuten wollen,
hietße freilich die Arbeit der Danaiden verrichten; da jedoch ſeine
räglich wiederholten, hämiſchen Ausfälle auf eine talentvolle, ge-
bildete und auch ſittlich achtungswerthe junge Künſtlerin eine.
beſtimmte Abſicht zu verrathen ſcheinen, ſo wird der Verf. des
Tagebuchs demnächſt Gelegenheit nehmen, ſich über dieſen Un-
ſug ausführlich zu erklären und dabei dem Motiv nachſpüren/
welches dieſen literariſchen Therſites zu ſolcher Wuth ſtachelt.
Vielleicht möchte es nicht unintereſſant ſeyn, zu erfahren, in wel-
chen Garküchen dergleichen kritiſcher Hexenbrei gekocht wird,
Ding unguhren und r Iche Grazie welche zarte Händchen das
rühren und welcher Grazienmund di ili Sprü
che dazu munkelt. Ich 5 und die unheiligen Sprü-
Tantæne animis terres tribus iræ

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— **— ————————— —— — IC“ —9——.———..——9———˖

Verleger: Karl! Groos ,/ 5 18
ä Groos, Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelberz. — Druckerei von F. Kaufmanne Witwe.
 
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