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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 118-130 (Oktober 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0537

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zurück. „Ha, rief er aus, warum fliehet ihr mich? iſt das
recht ſich der Dankbarkeit jener Herzen zu entziehen, die
man glücklich macht? Bleibet doch, ſagt wer ſeyd ihr?
Lebten wir in dem Zeitalter der Fabel, ſo würd' ich euch
fuͤr eine wohlthaͤtige Waldnymphe halten, oder fuͤr eine
Gottheit, die vom Himmel geſtiegen um den Menſchen
beizuſtehen, aber Goͤttin oder Sterbliche, nichts iſt ſüßer
als eurer Sorgfalt theilhaft geworden zu ſeyn, als em-
pfunden zu haben, daß eure ſchoͤnen Haͤnde meine Wunde
verbanden! Moͤchtet ihr wohl euer edles Werk unvollen-
det laſſen? Seht, ihr habt mich dem Tode entriſſen, wol-
let ihr mich jetzt allein und leidend an einem Orte verlaſ⸗—
ſen, wo eure Guͤte mich wieder beleben koͤnnte? Nein,
ich wage es von eurem zarten Mitleide zu hoffen, wovon
ich ſchon einen ſo rührenden Beweis erhielt, daß ihr euch
herablaſſen werdet, meine wankenden Füͤße zu einer Huͤtte
zu leiten, wo ich die noͤthige Hülfe erlangen kann, deren
ich ſo ſehr bedarf.“ — Mit zitternder Stimme antwortete
ich ihm: „Wahrlich, ihr ſeyd viel zu ſchwach um aufrecht
oder auch mit einer Stütze weiter zu gehen, erlaubt mir
nur wenige Augenblicke, und ich bin gleich wieder hier zu-
ruͤck.“ — Ich eilte fort, ohne ſeine Einwilligung abzuwar-
ten, kam aber bald wieder mit einem Gefolge, das ein
von Rohr geflochtenes Tragbett mitbrachte, auf dieſes legte
man Peter (ſo nannte ſich dieſer Jaͤger) und trug ihn zu
Frau Moldini hin, die bereits entgegen kam, ihm einen
Zufluchtsort anzubieten, was er mit Dank annahm. An-
gelangt in ihrer Wohnung ließ ſie ihm ein Zimmer zurich-
ten, worin ihm alle jene Hülfsleiſtungen gereicht wurden,
die ſeine Wunde noͤthig machten, und zwar mit einer ſo
zarten Leutſeligkeit, welche Frau Moldini in alle ihre Hand-
lungen zu legen wußte.“
„Mit jedem Morgen kam Frau Moldini zu ihrem neuen
Gaſt, um ſich nach ſeinem Befinden zu erkundigen, ich aber
begleitete ſie nie, denn ich hatte wahrgenommen, daß ich
den jungen Mann liebte — und dies war genug mir ſelbſt
zu verbieten, ihm keine Zuvorkommenheit zu bezeigen.
Nicht wagte ich's demnach ihn zu ſehen, ob ich gleich oft
auf dem Wege nach dem Zimmer war, das er bewohnte,
ich fragte auch Niemanden über den Fortgang ſeiner Ge-
neſung; aber wenn Frau Moldini mit mir davon ſprach,
horchte ich mit der begierigſten Aufmerkſamkeit darauf.
Ein ſolch lebhafter Antheil erſchreckte mich nicht wenig;
dennoch uͤberlegte ich, daß Peters bezeigte Dankbarkeit
darum noch kein Beweis ſeiner Gegenliebe ſey, ja daß auch
Frau Moldini mir nie etwas aͤußerte, als haͤtte er eine
Verwunderung bezeigt mich nie bei ihm zu ſehen; eben ſo
wenig hatte er ſie je von mir geſprochen. Ich überlegte
ferner, daß wenn er auch fuͤr mich etwas fühlen koͤnnte,
ich es ihm nie erwiedern dürfte, da meine Geburt nur
die Verbindung mit einem Fürſten geſtatten würde. Dieſe
Betrachtungen gaben mir Staͤrke meine Neigung zu be-
kaͤmpfen, und ich wuͤrde ſicher obgeſiegt haben, waͤre Peter
nie mehr vor meinen Augen erſchienen. Allein, kaum war
er geneſen, als er zur Frau Moldini kam; bei ſeinem An-
blick erroͤthete und erbleichte ich wechſelsweiſe. Jetzt nahte

er ſich auch mir, und machte mir kleine Vorwuͤrfe, daß
ich waͤhrend ſeines Krankenlagers ihm eine ſolche Gleich-
guͤltigkeit bewieſen haͤtte. Ich wußte nicht gleich was ich
ihm hierauf antworten ſollte, aber glüucklicherweiſe zog er
mich ſelbſt aus dieſer Verlegenheit, indem er dieſes Ge-
ſpraͤch nicht lange fortſetzte. ö
(Fortſetzung folgt.)

2—2 — — ——— — —% « ..

Etwas über Aſien.

Es iſt ohnſtreitig eine bemerkenswerthe hiſtoriſche Erſchei-
nung, daß Oſtaſien, Wiege der Civiliſation, und das In-
nere von Afrika, von woher ſie nach Aegypten und ſo wei-
ter nach Europa überging, die beiden Gegenden unſerer
Erde ſind, welche die civiliſirten Voͤlker des Abendlandes
am wenigſten kennen.
Unſerm Zeitalter ſcheint es vorbehalten zu ſeyn, den Schleier
wegzuziehn der ſeit ſo vielen Jahrhunderten dieſe geheimniß-
vollen Laͤnder verhuͤllt. Waͤhrend unerſchrockene Reiſende der
Hitze des Aequators Trotz bieten, und durch Meere von Sand
und barbariſche Horden bis ins Innere des unzugänglichen
Afrika dringen, ſtürzen ſich andere nicht weniger muthige
Reiſende, in die faſt eben ſo gefahrvollen Gegenden, welche
gegen Abend das kaspiſche Meer, und gegen Morgen die
lange Gebirgskette von Nan-Chan, Khi-Lian, In⸗Chan und
Siam-Pi begrenzen.
Gelehrte Maͤnner ſammeln die Ueberlieferungen, ver-
nehmen die Berichte, vergleichen und befragen die Geor-
giſchen, Perſiſchen, Indiſchen und Chineſiſchen Schriften
und indem ſie die Wahrheit unter allen Geſtalten, die ſie
in jenen an Erdichtungen reichen Laͤndern annimmt, auf-
ſuchen, finden ſie ſolche mitten unter den fabelhaften We-
ſen, womit die Dichter Dak' ik'i und Ferduſſi ihren Schach-
Nameh ausſchmuckten, und unter den romantiſchen Ge-
ſtalten, welche neben den wahren Helden in ihren Chro-
niken glaͤnzen, die zu Anfang des 18ten Jahrhunderts auf
Befehl Wakhtangs, Koͤnigs von Georgien, abgefaßt wurden.
Herr J. Klaproth, Mitglied der Aſiatiſchen Geſellſchaft,
der unter dem Titel: „Denkwürdigkeiten“ (Memoires) ſchon
durch ſeine hiſtoriſchen, geographiſchen und philologiſchen
Unterſuchungen über die Voͤlker des Morgenlandes bekannt
iſt, iſt auch Verfaſſer des großen Werks: „Gemaͤlde Aſiens
ſeit der Monarchie des Cyrus bis auf unſere Zeit.“ (Ta-
bleau de L'Asie depuis la Monarchie de Cyrus jusqu's nos
jours.) Jede Lieferung beſteht aus vier Charten in Folio
und einem Heft Text in Quarto, deren bereits drei er-
ſchienen ſind. Die Turken begnuͤgten ſich in ihrer verhee-
renden Wuth nicht damit die beruühmte Bibliothek von
Alexandrien mit allen darin aufbewahrten Werken zu ver-
brennen, ſie vernichteten auch die Perſiſchen Schriften. Bis
auf die neueſten Zeiten, wo Europaͤiſche Voͤlker nach In-
dien kamen, wußten wir von Aſien und den Bewohnern
dieſes ungeheuren Welttheils nichts weiter als was Grie-
chiſche und Römiſche Schriftſteller, deren Vortheil es er-
heiſchte die Wahrheit zu entſtellen, davon ſagten.
 
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