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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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Stoermer, Curt: Paula Modersohn
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0033

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PAULA MODERSOHN

haben kaum mehr den Eindruck
des Stofflichen im Gegenfatj zur
Sprache der Form und der Mo-
dulation. Das gewaltig Plaftifdie,
das über das Erzählen Hinaus-
wollende fchufen diefe Objek-
tivität und diefe Erfüllung aus
dem Detail.

Bezeichnend ift es für ihr Stil-
gefühl, daß fie fich fchon früh
nach fchweren, dunklen Farben
fehnt. In ihren Studien ver-
meidet fie es, hell zu malen.

Prinzipielle Unterfchiede zwifchen
Licht und Dunkelheit zu machen,
würde ihr Streben nach dem
rein Bildmäßigen beeinträchtigen.

Sie erkennt gewiffe Verfchieden-
heit des Gefamtcharakters, doch
find diefe faft unabhängig vom
Wechfel der Landfchaft. Es gibt
Studien, deren Abtönungen und
Zufammenklänge den Vergleich
nahebringen, als ob Gold auf
Golde läge. Hauptfächlich fehen
wir rot, braun und blau. Andre
find filbrig, grün und grau, meift
Dämmerungen mit irgendwelchen
Tieren und viele Stilleben mit
kalten, metallenen und gläfernen
Gegenftänden. Doch alles, was
Kinder, ihre vielen kleinen Lieblinge angeht, malt fie Gold in Gold. Ich erinnere an
eine Gewitterlandfchaft: ein leuchtend rotes Haus fteht in dunkelbrauner Landfchaft
mit grauem Himmel. Ein Regenbogen ift angedeutet, wunderbar find einige Menfchen
in die Landfchaft geftellt. Von den Freskoartigen eines ift „Das Mädchen mit dem
Kaninchen im Arm“. Prachtvoll find die Abftufungen da getroffen, wo das Gold des
Gefidites gegen das Blau des Himmels fteht, wie das Kaninchen in die Verfchränkung
der Arme gezeichnet ift, wie dann die Hände rein bildmäßig modelliert find und zu-
letjt die große elementare Form. Es war ein Refultat ihrer forgfamen Beobachtung,
daß fie vollbelichtete Gefichter immer gegen ein Stück Himmel malt, während die
Kleidung der Modelle fich gegen Boden oder Bäume abhebt.

Trojj der ftrengen Stilifierung ihrer fpäteren Werke fühlen wir, wie organifch pe
aus fich felber gewachfen find. Farbe und Zeichnung werden bewußt ausgedrückt
durch die ftrenge Schlichtheit des Aufbaus. Scheinbar bizarre Kompofitionen find fo-
wohl eigenartige wie wahrhafte Erlebniffe einer einfamen Natur. Das rein Sinnliche
ihrer Art, das Malerifche zu erleben, verdient hervorgehoben zu werden, ebenfo daß
diefe Äußerungen als ganz körperlich, notwendig und perfönlich anzufehen find. Es

Äbb. 7. PAULA MODERSOHN, BePfeer: Herr Dr. Söhnberg.
Betende Bäuerin. 1907 Hamm i. w.

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