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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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3. Heft
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Bombe, Walter: Alte peruginer Gebildwebereien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0108

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ALTE PERUGINER GEBILDWEBEREIEN

III.

Zu den am häufigften
vorkommenden Motiven aus
dem Reich der Vögel ge-
hört der Adler, der in den
orientalifchen Geweben die
Sonne und nach Thomas
von Aquino den Hochmut
verfinnbildlicht. Er wird
zweiköpfig fchon 1295 im
Kirchenfchatj von S. Peter in
Rom erwähnt1 und findet
fich in diefer Geftalt, ftreng
geometrifch ftilifiert, neben
der Sonne in Form des
Rhombus, in einem Peru-
giner Gewebe des 14. Jahr-
hunderts. Der Hahn, der
nach Fifchbach2 das Feuer
fgmbolifiert, kommt in den
Kircheninventaren relativ fpät vor, fo findet er fich 1315 im Inventar der Kathedrale
von Canterbury3 und 1401 in dem der Kathedrale von Cambray.4 Aus der zweiten
Hälfte des 14. Jahrhunderts mag ein Gewebe ftammen, das Hähne ftreng affrontiert
zwifchen dem Lebensbaum darftellt. Sehr oft kommen auch Papagei und Pfau vor,
lefjterer nach Auguftin (de Civitate Dei XVI c. 4) Sinnbild der Unverweslichkeit (f. Abb. 4).
Daneben findet fich der Rabe und die Taube, diefe in der antiken Mythologie das
Attribut der Venus, in chriftlicher Zeit ein Sinnbild des heiligen Geiftes und der Seele,
auf unferen Webereien auch des Friedens, wenn fie ein Ölblatt im Schnabel trägt.
Sehr beliebt ift auch derTruthahn, der, meift neben anderen Vögeln, oft phantaftifcher
Erfindung, in ftrenger Seitenanficht vorkommt (f. Abb. 4).

Aus dem Reiche der Vierfüßler begegnet uns am häufigften der Löwe, fowohl auf
Altardecken wie auf Tüchern häuslichen Gebrauchs. Er ift im Orient das Symbol der
Herrfchermacht und in der chriftlichen Ikonographie das Attribut des Evangeliften Markus.

Der Hirfch verfinnbildlicht gemäß Pfalm 42 die Seele, die fich nach der himmlifchen
Gnade fehnt. So, den Worten entfprechend: „Sicut cervus desiderat ad fontes aqua-
rum“ begegnet er uns, an der Quelle trinkend, auf Altardecken. Der Hirfch, der den
Wolf niederzwingt, mit einer fchwer lesbaren Infchrift, die vielleicht nach Auflöfung
der Abkürzungen ergibt: Fug[g]ir ha sapputo l’orgofglio], tritt auf einem Gewebe des
15. Jahrhunderts in die Erfcheinung (f. Abb. 5).5 Auf einem anderen Gewebe desfelben
Jahrhunderts, das die Infchrift trägt: „Ave Maria“, alfo wohl als Altardecke diente,
fehen wir Hirfche affrontiert zwifchen dem Baum des Lebens.

Abb. 7. Peruginer Gewebe des 14.—15. Jahrhunderts. Greifen,
die an der Fontana Maggiore auffteigen Sammlung Rocdii, Rom

1 Müntj und Frottingham, „II tesoro dell’antica Basilica di S. Pietro“.

2 Fifchbach, „Die wichtigften Ornamente der Webekunft“, Taf. 1.

3 Francisque-Michel II p. 164, Änmerk. 3. Zitiert nach Dreger, Entw. der künftler. Weberei u.
Stickerei, p. 135.

4 Dehaisnes, p. 820. Zitiert nach Dreger, loc. cit.

5 De Nolva, loc. cit.

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