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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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3. Heft
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VERMISCHTES

der gelehrte Franziskanergeneral Marco Vigerio
della Rovere, war deffen Berater in theologifchen
Fragen. Alle diefe Umftände regten in Pater
Remigius Boving die Frage an, ob nicht die
Franziskanerfchule, fpeziell die Theologie des
heiligen Bonaventura, dem Sixtus die Ehre der
Altäre gegeben, auf Raffael beftimmend ein-
gewirkt habe, und die weiteren Unterteilungen
führten ihn dann zu Refultaten, die er jetjt in
einer ausführlichen Abhandlung vorlegt* 1.

Wir können hier nur auf die fehr lefenswerte
Arbeit verweifen und begnügen uns damit, die
widitigften Ausführungen kurz wiederzugeben.
Paftor hatte bereits bei feiner Erklärung der
„Schule von Athen“, des Gegenftückes der „Dis-
puta“, auf eine bedeutfame Stelle aus Bona-
venturas Schriften aufmerkfam gemacht. Die
Art, wie Raffael die beiden Hauptfiguren Plato
und Ariftoteles darftellt, den erfteren nach oben
weifend, den letzteren mit der ausgeftreckten
Rechten auf die Erde deutend, erinnerte ihn an
das Wort Bonaventuras: „Plato fchaut haupt-
fächlich nach oben, Ariftoteles aber nach unten“.
Jetjt zeigt Pater Remigius Boving, daß fehr in-
nige Zufammenhänge zwifchen der Theologie
des feraphifchen Heiligen und der „Disputa“
beftehen, deren Hauptideen den Werken Bona-
venturas entnommen find.

Die Quelle der Theologie ift die Offenbarung,
die nach der Lehre Bonaventuras von Gott, dem
„Vater der Lichter“, durch den Sohn in den Hei-
ligen Geift ftrömt, der durch die heiligen Schriften
zu uns fpricht und durch den Glauben auf Erden
wohnt. Dementfprediend hat Raffael hier, ent-
gegen dem üblichen Schema der Darftellung der
Dreieinigkeit, den Vater, den Sohn und den
Heiligen Geift in vertikaler Reihe angeordnet.
Gegenftand der Theologie find nach Bona-
ventura die drei Hierarchien oder Welten: die
irdifche der ftreitenden Kirche, die Welt der
Gnade, dann die himmlifche der triumphie-
renden Kirche, der Engel und Heiligen, die Welt
der Glorie, fchließlich die überhimmlifche der
heiligen Dreifaltigkeit. In allen drei Welten
ift Chriftus nach Bonaventura der „Hierarch“,
der geiftige Mittelpunkt. Diefe drei Reiche führt
uns Raffael übereinander vor, wobei die zwei
unteren durch einen größeren Abftand gefchieden
find, während die beiden oberen durch Chriftus
miteinander verbunden werden. Chriftus ift
unten wie oben der geiftige Mittelpunkt, unten
als Gottmenfch verborgen im Geheimniffe, oben
als folcher fichtbar. Oben ift das Werk der
übernatürlichen Offenbarung im Himmel dar-

1 St. Bonaventura und der Grundgedanke der Disputa
Raffaels. Franziskanifdie Studien. 1. Jahrgang. 19H.

1. Heft. Münfter, flfdiendorff.

geftellt. Die Madonna fchaut bewundernd zu
Chriftus empor, der Täufer weift auf ihn, und
die Heiligen knien nicht, wie z. B. auf Dürers
Dreifaltigkeitsbild, fondern „fie fitjen alle, zum
Teil in fehr ungezwungener Haltung, ße ge-
nießen“. Im unteren Teile zeigt Raffael nicht,
wie man bisher annahm, eine Verherrlichung
des Ältarfakramentes als Opfer oder als Gegen-
ftand der Anbetung, denn auch hier wird nicht
gekniet und angebetet, fondern er führt die
Wirkung der Offenbarung auf Erden vor, durch
Wiedergabe der großen Denker der Theologie,
die bewundern, belehren, zuhören, oder zu dem
Symbol des Glaubens hineilen.

Ohne Frage wird diefe gerade wegen ihrer
Einfachheit überzeugende Erklärung neue Wege
öffnen, um andere Rätfel der chriftlichen Kunft
zu löfen, oder wenigftens ihrer Löfung näher
zu bringen. W. B.

STRASSBURGER GRAPHIK ALTER
ARCHITEKTURDENKMÄLER

Je weiter die neuzeitliche Induftriealißerung
des Elfaffes im allgemeinen, feiner Hauptftadt
Straßburg im befondern voranfchreitet, defto
erfreulicher erfcheinen die mannigfaltigen Be-
ftrebungen, die reichen Schäle alter Baukunft
zu erhalten, in Abbildungen künftlerifdier und
mechanifcher Art den Nachkommen aufzube-
wahren, fie wiffenfchaftlich zu befchreiben und
in ihrer Entftehungsgefchidite zu unterfuchen:
Augenblicklich ift eine Neuauflage des gänzlich
veralteten Denkmälerinventars von Franz
Xaver Kraus, das, um ein Beifpiel zu
nennen, noch nicht einmal das herrliche Palais
Rohan enthält, in Vorbereitung; eine lang-
friftige Arbeit, die natürlich in allem wefentlichen
eine vollkommene Neufchöpfung fein wird. Das
von Dombaumeifter Knauth geleitete Denkmal-
archiv, das erfte feiner Art in Deutfchland, ram-
melt weiter alle möglichen Zeichnungen, Pläne,
Photographien hiftorifcher Denkmäler, die künft-
lerifchen oder wiffenfchaftlichen Wert haben
können. Verfchiedene Ältertumsvereine in allen
großem aber auch kleinen Städten des Landes
unterftüßen diefe Beftrebungen. Unter ihnen
fteht an erfter Stelle der „Verein Altftraßburg“.
Sein rühriger Kaffierer ift der Kunftmaler Lu eien
Blumer. Diefer hat vor Jahresfrift ein inter-
tereffantes Album Ältftraßburger, meift noch in
den fechziger Jahren aufgenommener Photogra-
phien von verfchwundenen Bauwerken und
Straßenanfichten veröffentlicht. Jeßt tritt er als
Künftler hervor mit einer ftimmungsvollen far-
bigen Radierung des Kleberpla^es (Ver-
lag der Heinrichfchen Buchhandlung, vormals

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