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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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4. Heft
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Biermann, Georg: Drei unbekannte Hauptwerke des Barent Fabritius
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0144

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DREI UNBEKANNTE HAUPTWERKE DES BARENT FABRITIUS

die Säule markierten äußeren Trennung des novelliftifchen Vorganges, direkt zur Heim-
kehr des Sünders und den Vorbereitungen zum Freudenmahle hinüberführt. Bewußt
künftlerifch find fomit die menfchlich wohltuenden Momente der Legende wie zwei
ftraffe architektonifche Bildglieder in den Vordergrund nach rechts und links verlegt —
während fich das Abftoßende in der Schilderung diefer biblifchen Parabel im Hinter-
gründe vollzieht. Das Ganze aber ift trog feiner epifodenhaften Zerlegung wundervoll
durch die Einheitlichkeit des Ortes, der landfchaftlichen Behandlung und des in jedem
Sinne echt holländifchen Milieus zufammengefaßt.

II. DAS GLEICHNIS VOM REICHEN UND DEM ARMEN LAZARUS

Das Bild dürfte ein weniges fpäter als das vorerft befchriebene, voll pgnierte Stück
entftanden fein (Größe 94,5X289 cm). Es ift nicht fo abwechflungsreich in der Kom-
pofition, dafür aber ftraffer im Aufbau, weil es die auch hier vierfach aufgeteilte Er-
zählung des Gleichniffes wie in eins zufammenfaßt. Im Gegenfaß zu dem „verlorenen
Sohn“ find die unerfreulichen Gefühlsmomente — Praffermahl und Verachtung des
Lazarus — ganz in die Mitte der Bildkompofition verlegt, während links im Hinter-
gründe der armfelige Tod des Reichen gefchildert ift, deffen Seele höllifche Dämonen
zu empfangen bereit find und rechts über der Fegefeuerqual des Praffers der Empfang
des armen Lazarus in den Armen von Gottvater mit einer faft mittelalterlichen Naivität
exemplifiziert wird. Wenn Bredius vor diefen Bildern vor Jahren an italienifche
Schulung erinnerte, fo tritt fie hier faft unbewußt hervor — aber es find weniger das
Beifpiel der Venezianer — der Veronefe und Tintoretto, um die es fich allenfalls
handeln könnte, als gewiffe Kompoßtionselemente des Andrea del Sarto im Scalzo
(Tanz der Salome), in SS. Annunziata (Geburt der Maria), an die wir unwillkürlich
denken könnten. Troßdem wirkt auch auf diefer fo abfolut holländifchen „Schilderei“
das typifche Kolorit von vornherein überzeugend. Figuren wie die des Mitleid
heifchenden Lazarus find nur in Holland denkbar — nur durch die holländifche Ge-
finnung zu verftehen. Immerhin liegt der Reiz des Bildes vornehmlich in diefem felt-
famen Gefühlsausdruck, der halb mittelalterlich halb renaiffancemäßig die Elemente
zweier heterogener Weltanfchauungen auf eine gemeinfame Formel zu bringen fich müht.

III. DAS GLEICHNIS VOM PHARISÄER UND ZÖLLNER

Diefe Leinwand hat die Maße der vorher Befchriebenen und dürfte ähnlich wie
diefe fpäteftens 1663 entftanden fein; denn koloriftifch ftehen fich gerade diefe beiden
Schöpfungen ungemein nahe, obwohl ich der Meinung bin, daß das zuleßt zu wertende
Stück der drei Bilder alles Renaiffancemäßige am ftärkften betont, koloriftifch dafür in
einem bewußten Auftakt viel abfichtlicher noch auf eine leichtere Farbengebung, bei-
nahe im Sinne des Pleinairismus, hinarbeitet. Während hier der Hauptvorgang der
Legende ganz in die Bildmitte verlegt wurde — vor den Altar der Kirche, vor dem
der felbftbewußte Pharifäer kniet, während der arme Zöllner feinem Herrgott kaum
zu nahen wagt erzählen das linke und rechte Seitenftück auf der gleichen perfpek-
tivifchen Grundlage die Heimkehr der in ihrer Gottfeligkeit foweit voneinander ent-
fernten Männer. Rechts das glaubensftarke Ausfehreiten des fich feiner Sünden be-
wußten Zöllners — links der von dem Dämon begleitete Austritt des Pharifäers,.
dem der Höllengeift die Maske der Eitelkeit vorhält, während feine Schritte zum heid-
nifchen Tempel unbewußt den Weg fuchen. Auch hier ift das ganze wundervoll durch

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