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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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4. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0155

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SAMMLUNGEN

gelernt. Nur fehlt ihm die Kraft des Ausdrucks
in den vorderen Bildpartien und die vollendete
Weichheit der Pinfelführung im Hintergrund,
wie fie in harmonifcher Vereinigung und Äb-
ftufung Saftleven beherrfcht hat.

Prächtig ift das echt-holländifdie Speifezimmer
eingerichtet. Schwere Eichenmöbel in der Mitte
und an den Seiten geben dem Raum etwas
Gewichtiges. Eine Plüfchdedce von undefinier-
barem Rot, wie fie auf faft allen holländifchen
Interieurdarftellungen des 17. Jahrhunderts zu
finden ift (de Hooch, Metfu, Vermeer, Rem-
brandtfchule ufw.) bedeckt den Tifch. Familien-
bildniffe, verfchiedenen großen Porträtiften Mo-
reelfe, de Baen, Honthorft zugefchrieben, aber
ficherlich alle von einem Künftler herftammend
(etwa Jacob Willemsz. Delff) füllen die Wände.
Über dem Kamin hängt ein großes Gemälde,
deffen frifdie Farben felbft nicht die bunten
Glasfcheiben an den Fenftern erfticken können:
ein „Küchenftück“ mit einer Magd im Vorder-
gründe, im Hintergrund Chriftus mit Maria und
Martha in Lazarus' Haus. Es ift der Schule
Pieter Aertsz.’ (1569) zugefchrieben und eine
Leihgabe des Ämfterdamer Rijksmufeums. In
Wirklichkeit ftammt es von der Hand Joachim
Bueckelaers, der der Schüler feines Onkels
P. Aertsz. gewefen. Das Bild hat Ähnlichkeit
mit den Arbeiten des Lehrers, da es durch feine
Farbenfrifche und die Schwere der Figuren-
und Stillebenbehandlung an den bedeutenden
Ämfterdamer erinnert. Das Verketten einer
Küchen- oder Marktfzene mit biblifchen Vor-
gängen z. B. der Lazarus- oder Ehebrecherin-
gefchichte ift fowohl Aertsz. (Frankfurt) als auch
Bueckelaer (Ämfterdam) eigentümlich. Zwei
Evangeliften über der Türe, ebenfalls Leihgaben
des Rijksmufeums, find von Joachim Wttewael
(1566—1638) und typifche Arbeiten desUtrechter
Meifters.

Im Oberftock des Mufeums zeigt eine um-
fangreiche und ausgewählte Sammlung alt-
delfter Porzellans den Reichtum an Glanz, Dekor
und Modellierung, den die Fabrikationsftätten
des 17. und 18. Jahrhunderts ihren Stücken ver-
liehen haben. Die modernen Sachen fallen da-
gegen ärmlich ab. Ältindifche und japanifche
kunftgewerbliche Arbeiten, ein kleines gotifches
Triptychon mit plaftifcher Kreuztragung auf
dem Mittelftück, deutfche Steinkrüge, franzö-
fifche und holländifche Möbel ftehen in zwang-
lofer Anordnung umher und erhöhen den Ein-
druck eines behaglichen Wohnhaufes, den man
gleich beim Betreten des Gebäudes gewonnen
hat. Delft kann in Wahrheit auf fein Mufeum
ftolz fein. R R

HÄGEN i. W. DAS DEUTSCHE MUSEUM
FÜR KUNST IN HANDEL UND GEWERBE wurde
vor etwa drei Jahren vom Folkwangmufeum in
Hagen und vom Deutfchen Werkbund begründet.
Es will das Mufeum der modernen Bewegung
fein, die Erzeugniffe der künftlerifch befruchteten
Qualitätsarbeit unfererTage follen in möglichfter
Vollftändigkeit vereinigt, alle auf die moderne
Kunftbewegung bezüglichen Dokumente follen
gefammelt und aufbewahrt werden. In diefer
Beziehung gleicht die Tätigkeit der Änftalt der-
jenigen, welche die modernen Kunftgewerbe-
mufeen in bezug auf das hiftorifche Kunft-
gewerbe entfalten. Die Art der Aufbewahrung
und Verwendung der gefammelten Schüße aber
ift eine durchaus andere und neuartige. Das
Mufeum fucht dem lebhaften Bedürfnis nach
gewerblichen Ausheilungen entgegen zu
kommen, das fidi allerorten fühlbar macht.
Leider waren bis heute nur die mit reichen
Mitteln ausgeftatteten Mufeen der Großftädte
in der Lage, diefem Bedürfnis zu entfprechen,
in kleineren Städten fanken die Ausheilungen
allzu leicht unter das erwünfchte Niveau, weil
die Erzeuger gerade der beften Objekte keinen
Vorteil darin fehen, ihre Waren auf Ausheilungen
zu fchicken, die nur geringe Verkaufsausfichten
boten. Hier tritt das Deutfche Mufeum mit
feinen Sammlungen helfend ein. Es hat bis
zum gegenwärtigen Augenblick 23 Ausheilungen
nach technifchen Gefichtspunkten aus feinen Er-
werbungen zufammengeftellt und bietet diefe
Behörden, Handelshochfchulen, Mufeen, Privaten
und Vereinen gegen eine mäßige Leihgebühr
an. Die Objekte find von größter handwerk-
licher und künftlerifdier Qualität. Die Aus-
heilungen bieten jede Gewähr für die erziehe-
rifchen Momente, die den Veranftaltern gewerb-
licher Ausheilungen am Herzen liegen. Sie
unterrichten den Fachmann über die wichtigften
Erfcheinungen auf feinem Gebiete und ermög-
lichen dem Käufer und Laien eine Kontrolle des
Detailhandels, für den, befonders in kleineren
Städten, der Gewinn verlockender ift als die
Qualität. Gemäß den Jahresberichten veranftaltete
das Deutfche Mufeum in Deutfchiand, Öfter-
reich-Ungarn, Holland und Belgien vom
Herbft 1909 bis zum Januar diefes Jahres
165 Ausheilungen. Als Zeichen für das
Intereffe, das fich im Auslände dem deutfchen
Kunftgewerbe zuzuwenden beginnt, verdient es
Beachtung, daß die Zahl der ausländifchen Aus-
heilungen auf 24 gekommen ift. Sieben hiervon
entfallen auf die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika, für die das Deutfche Mufeum mit
Unterftüßung des K. K. Öfterreichifchen
Mufeums fürKunft und Induftrie in Wien

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