Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0192
DOI issue:
5. Heft
DOI article:Münsterberg, Oskar: Chinesische Kunst in Amerika, [1]
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CHINESISCHE KUNST IN AMERIKA
einflußt. Während leßtere Skulpturen konventionelle Typen
in großzügiger Stilifierung immer wiederholen, ift in der
Tangzeit, unter dem Einfluß der chinefifchen zeitgenöffifchen
Meifter der Malerei, bereits eine Individualifierung der Per-
fönlichkeit durchgeführt und die monumentale Form in
graziös zierlicher Weife aufgelöft. Intereffant ift bei den
buddhiftifchen Darftellungen, daß fich neben der üblichen
Wiedergabe von einem oder drei Buddhas auch zwei gleich
große buddhiftifche Figuren1 öfter finden.
In neuefter Zeit ift es der unermüdlichen Tätigkeit der
Mufeumsleitung geglückt, von China eine Kollektion Bronzen '2
zu importieren, die bekannte Typen in guter Qualität auf-
weift, aber auch einige Stücke enthält, die ich bisher kaum
in gleicher Güte gefehen habe. Die Frage, ob noch ältere
Bronzen als aus der Hanzeit exiftieren, fteht bis jeßt offen
und ich kann den Datierungen des Mufeums nicht bei-
pflichten. Wiederholt habe ich darauf hingewiefen, daß
ich die Exiftenz folcher Stücke bezweifle. Von anderer
Seite ift diefe Annahme zwar beftritten worden, allerdings
bisher ohne irgendeinen anderen Beweis als die Behaup-
tung zu bringen. Wenn wir bedenken, daß das Bronze-
material bis wenige Jahrhunderte vor Chr. ungefähr den-
felben Wert befaß wie heute bei uns Gold und Silber,
und wenn wir ferner berückfichtigen, daß die koftbaren
Schäße der Tempel und Paläfte, foweit fie dem Feuer
widerftanden und vor Kriegsplünderung bewahrt blieben,
immer wieder zu Waffen und Geld eingefchmolzen wurden,
fo fcheint es fehr wenig wahrfcheinlich, daß fich "größere
Stücke aus damaliger Zeit erhalten haben. Wir wiffen
ferner, daß Kaifer Huitfung im 11. Jahrhundert eine be-
rühmte Sammlung antiker Bronzen anlegte, deren Stücke
im Pokutulu abgebildet find. Wenn es damals der kaifer-
lichen Macht mit Aufwendung ungewöhnlicher Mittel ge-
lang die immerhin nur begrenzte Sammlung zufammenzu-
bringen, fo fcheint es nicht recht glaubwürdig, daß 800 Jahre
fpäter für Europa und Amerika der Erwerb zahlreicher
Stücke möglich wäre. Tatfächlich werden heute in europäifchen und amerikanifchen
Sammlungen zufammen viele hundert Bronzen der vorchriftlichen Zeit zugefchrieben,
ohne daß irgendein anderer Beweis vorhanden ift als der, daß die Formen den im
Pokutulu befchriebenen antiken Stücken entfprechen und einige Händler Chinas die
Richtigkeit der Annahme behaupten. Dies ift natürlich kein ftichhaltiger Nachweis,
fondern die Übereinftimmung mit den Abbildungen im Pokutulu läßt im Gegenteil ver-
muten, daß es fich um Kopien handelt, die in der Renaiffancezeit unter den Sung-
herrfchern oder fpäter zahlreich angefertigt wurden. Gerade durch den kunftliebenden
Kaifer Huitfung wurde das Sammeln modern und ein gewiffes archäologifches Intereffe
1 In Bronze ähnliche Figuren in der Freer-Sammlung und im Field Mufeum.
2 Bulletin, Mufeum of fine arts, Bofton, Dez. 1912. Bronzen Fig. 5—14.
Äbb. 9.
Zweifchneidiger Dolch mit
Mittelrippe und Handgriff mit
Reliefornament, Bronze,
vielleicht vordiriftlich
Mufeum of pne arts, BoPon
166
einflußt. Während leßtere Skulpturen konventionelle Typen
in großzügiger Stilifierung immer wiederholen, ift in der
Tangzeit, unter dem Einfluß der chinefifchen zeitgenöffifchen
Meifter der Malerei, bereits eine Individualifierung der Per-
fönlichkeit durchgeführt und die monumentale Form in
graziös zierlicher Weife aufgelöft. Intereffant ift bei den
buddhiftifchen Darftellungen, daß fich neben der üblichen
Wiedergabe von einem oder drei Buddhas auch zwei gleich
große buddhiftifche Figuren1 öfter finden.
In neuefter Zeit ift es der unermüdlichen Tätigkeit der
Mufeumsleitung geglückt, von China eine Kollektion Bronzen '2
zu importieren, die bekannte Typen in guter Qualität auf-
weift, aber auch einige Stücke enthält, die ich bisher kaum
in gleicher Güte gefehen habe. Die Frage, ob noch ältere
Bronzen als aus der Hanzeit exiftieren, fteht bis jeßt offen
und ich kann den Datierungen des Mufeums nicht bei-
pflichten. Wiederholt habe ich darauf hingewiefen, daß
ich die Exiftenz folcher Stücke bezweifle. Von anderer
Seite ift diefe Annahme zwar beftritten worden, allerdings
bisher ohne irgendeinen anderen Beweis als die Behaup-
tung zu bringen. Wenn wir bedenken, daß das Bronze-
material bis wenige Jahrhunderte vor Chr. ungefähr den-
felben Wert befaß wie heute bei uns Gold und Silber,
und wenn wir ferner berückfichtigen, daß die koftbaren
Schäße der Tempel und Paläfte, foweit fie dem Feuer
widerftanden und vor Kriegsplünderung bewahrt blieben,
immer wieder zu Waffen und Geld eingefchmolzen wurden,
fo fcheint es fehr wenig wahrfcheinlich, daß fich "größere
Stücke aus damaliger Zeit erhalten haben. Wir wiffen
ferner, daß Kaifer Huitfung im 11. Jahrhundert eine be-
rühmte Sammlung antiker Bronzen anlegte, deren Stücke
im Pokutulu abgebildet find. Wenn es damals der kaifer-
lichen Macht mit Aufwendung ungewöhnlicher Mittel ge-
lang die immerhin nur begrenzte Sammlung zufammenzu-
bringen, fo fcheint es nicht recht glaubwürdig, daß 800 Jahre
fpäter für Europa und Amerika der Erwerb zahlreicher
Stücke möglich wäre. Tatfächlich werden heute in europäifchen und amerikanifchen
Sammlungen zufammen viele hundert Bronzen der vorchriftlichen Zeit zugefchrieben,
ohne daß irgendein anderer Beweis vorhanden ift als der, daß die Formen den im
Pokutulu befchriebenen antiken Stücken entfprechen und einige Händler Chinas die
Richtigkeit der Annahme behaupten. Dies ift natürlich kein ftichhaltiger Nachweis,
fondern die Übereinftimmung mit den Abbildungen im Pokutulu läßt im Gegenteil ver-
muten, daß es fich um Kopien handelt, die in der Renaiffancezeit unter den Sung-
herrfchern oder fpäter zahlreich angefertigt wurden. Gerade durch den kunftliebenden
Kaifer Huitfung wurde das Sammeln modern und ein gewiffes archäologifches Intereffe
1 In Bronze ähnliche Figuren in der Freer-Sammlung und im Field Mufeum.
2 Bulletin, Mufeum of fine arts, Bofton, Dez. 1912. Bronzen Fig. 5—14.
Äbb. 9.
Zweifchneidiger Dolch mit
Mittelrippe und Handgriff mit
Reliefornament, Bronze,
vielleicht vordiriftlich
Mufeum of pne arts, BoPon
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