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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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5. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0199

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SAMMLUNGEN

Nürnberg um 1545, mit dem Bildnis Kaifer
Karls V. und dem Parisurteil in Relief, das voll-
endetfte Beifpiel diefer Gattung. Die Jubiläums-
ausftellung der Berliner Porzellanmanufaktur gab
Gelegenheit, den Befitj des Mufeums abzurunden;
fie brachte neben A. Trippeis Fürftenbundgruppe
vor allem einen in Rot und Gold bemalten
Tafelauffafz vom Jahre 1784, aus einer Platte,
vier Kannen und Äpfelfinenbechern und einem
Fruchtkorb beftehend.den viervergoldeteFrauen-
figuren von Elias Meger tragen. Die Teile diefes
Äuffaljes waren in verfchiedenem Befitj zerftreut
und konnten durch Schenkungen der Herren
Dr. W. v. Dallwitz, Prof. Dr. Darmftädter und
Graf v. Rotenburg wieder vereinigt werden. Die
Frühzeit der Manufaktur von Meißen vertritt
ein Wafchbrunnen aus der Zeit vor 1730, mo-
delliert von dem Bildhauer Kirdiner und mit
Malereien von Höroldt ausgeftattet. Unter den
Metallarbeiten ift die wertvollfte Erwerbung
ein Silberpokal von der feltenen Birnenform,
die zuerft noch gotifch bei Älbredit Dürer vor-
kommt und dann von den Ornamentiften Bro-
famer und Virgil Solis im Sinne der Frührenaif-
fance umgebildet wurde. Ein Ornamentftich des
letzteren hat offenbar dem Verfertiger des Pokals,
einem Kölner Meifter um 1550, als Vorlage ge-
dient. Die größte Anzahl von Metallarbeiten
brachte ein Vermächtnis des Majors Kurs, aus
den feinen Erzeugniffen der 1804 gegründeten
König!. Eifengießerei in Berlin und der gleich-
zeitig tätigen Sayner Hütte beftehend. Das
Mufeum ift dadurch in den Befifz der größten
und gewählteften Sammlung diefer zierlichen
Werke des BerlinerKlaffizismus gekommen; die
eifernen Neujahrsplaketten find von 1805—1848
vollzählig vertreten. Zum erftenmal wurden
Koftüme aus dem 18. Jahrhundert in größerer
Zahl erworben; die Äusftellung zeigt neben
drei feidenen Frauenkleidern der Rokokozeit
Herrenanzüge aus Brokat und Lyoner Samt mit
fchwerer Silberftickerei und den prachtvollen
Nadelmalereien des Louis XVI.-Stiles.

BOZEN Graf Johannes Thun-Hohenftein hat
dem hiefigen Mufeum mehrere wertvolle Bilder
und Zeichnungen Defreggers zum Gefdienk
gemacht.

HÄÄG Der größte Teil der belangreichen
altdiinefifchen Porzellan- und Steingutfammlung
des Herrn Reinier D. Verbeek, die dem KUNST-
GEWERBEMUSEUM als Leihgabe überlaffen
und zum Teil fchon ausgeftellt war, wird wegen
Platzmangel dem Ämfterdamer Rijksmufeum über-
wiefen werden, was für die Refidenz einen großen
Verluft bedeutet. R. B.

MOSKÄU DIE NEUORDNUNG DER TRE-
TJAKOW-GALER1E, welche feit dem Tode des
einftigen Befißers der letztem und deren Über-
gänge an die Stadt Moskau als lebhaftes Be-
dürfnis empfunden wurde, ift vor kurzem durch
den neuen Leiter der Sammlungen, den Maler
und Kunfthiftoriker Igor Grabar in der Art
eines coup d'etat durchgeführt worden. Letz-
terer fchien hier geboten, da die Neuordnung in
der Stadtverwaltung viele prinzipielle Gegner
hatte, und ein heißer Kampf um die ganze Frage
entftanden war. Um fo mehr ift natürlich die
Energie Grabars zu loben, der trotz vieler An-
feindungen die Neuhängung mutig in Angriff
genommen und vollbracht hat. Allerdings hat
das Refuitat im großen und ganzen enttäufcht
und entfpricht wohl kaum den gehegten Er-
wartungen.

Unter den gegebenen Verhältniffen — der ver-
dorbene P. Tretjakow hat teftamentarifch den
Wunfch geäußert, daß feine Sammlung als ein-
heitliches Ganzes ungerührt bleibe — konnten
natürlich die hauptfächlichen Schatten feiten der
Galerie, ihre Überladung mit mittelmäßigen,
keineswegs eines Mufeums würdigen Werken,
fowie ihr fehr empfindlicher Plajzmangel, radikal
nicht befeitigt werden, und es war vorauszu-
fehen, daß bei weitem nicht alle Säle in fühl-
barer Weife werden entlaftet werden können,
ln der Tat muß man auch jetzt zum Teil ma-
gazinartig von unten bis oben mit Bilderreihen
gefüllte Wände über fich ergehen laffen. Aber
auch dort, wo dies nicht der Fall ift, ift die Art
der Aufhellung nicht befriedigend, enttäufcht
das ganze Arrangement, das fich um die An-
forderungen moderner Hängekunft wenig ge-
kümmert zu haben fcheint. Allzu oft vermißt
man an den Wänden einen ftarken Akzent, be-
ftimmte Ruhepunkte, die der ermüdenden Mo-
notonie unendlich langer Reihen von Bildern
mittleren Formats entgegenzuwirken imftande
wären. Dies gilt fogar für eine der beften Er-
rungenfchaften der Neuordnung — dem großen
Saal der Epoche Alexander I., in welchem die
ausgezeichneten, zahlreichen Bildniffe der Brul-
low, Kiprensky, Tropinin, die Landfchaften
Schtfchredins, die Werke Wenefzianows
und vieler anderer zu einem ftilvollen Ganzen
gruppiert find. Wären die langen Seitenwände
hier weniger einförmig arrangiert, fo würde
diefer Saal in jeder Beziehung eine Zierde der
Galerie bilden. — Überhaupt erfcheint mir die
leitende Idee Grabars, fämtliche Werke eines
jeden Künftlers durchaus beifammen zu hängen,
gerade in Anbetracht der befchränkten Räum-
lichkeiten der Tretjakow-Galerie als keine durch-
aus glückliche. Selbftredend ift es wünfchens-

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