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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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6. Heft
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Münsterberg, Oskar: Chinesische Kunst in Amerika, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0220

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CHINESISCHE KUNST IN AMERIKA

Äbb. 12. Spaziergang in Sdineelandfchaft, Schwarz-weiß-Malerei auf Papier, 84X33 cm, zu-
gefchrieben Tung Kidiang, 1555-1636 Sammlung Hirth, New-York

London (z. B. die berühmte Ku K’ai Chih Rolle u. a.) und in neuefter Zeit auch im
Berliner Mufeum. Aber nirgends ift eine derartige Anzahl von Bildern vorhanden, die,
mit feinftem Verftändnis ausgewählt, verfchiedene Stile in höchfter Vollendung zeigen.
Leider find bisher keine Photographien der Bilder hergeftellt. Bei der großen Sorgfalt
und Gewiffenhaftigkeit, mit der Freer feine Schäle verwaltet, ift es natürlich, daß er
auch bezüglich photographifcher Aufnahmen außerordentlich vorfichtig ift. Bis jefjt ift
es ihm noch nicht gelungen, einen Photographen zu finden, der, feinen hohen An-
fprüchen entfprechend, die feinen Valeurs der afiatifchen Malereien bei der photo-
graphifchen Aufnahme voll zur Geltung bringen kann. Ich kann nur auf die
wenigen Abbildungen hinweifen, die in der Zeitfchrift der fine arts academy zu
Buffalo1 und von Fenollofa2 3 veröffentlicht find und nicht gerade die beften Bei-
fpiele darftellen.

Von den Bildern ift mir befonders eine große, faft 2 m hohe Landfchaft in
monochromer Schwarz-weiß-Malerei in Erinnerung geblieben. Der Blick wird auf die
Spitje eines fteil abfallenden Berges gebannt, auf der der vornehme Befuch eines
Fürften oder Gelehrten empfangen wird. Wie bei allen chinefifchen Bildern ift im
Gegenfag zu dem europäifchen Gefetj der Licht- und Schattenwirkung das Auge nicht
auf einen Mittelpunkt, der durch die Farbe heraustritt, und dem fich alle übrigen Teile
des Bildes unterordnen, konzentriert. Die lineare Art der Malerei mit der hochge-
ftaffelten Perfpektive hat ein anderes Schönheitsgefe^ entwickelt. Zwar wird auch bei
chinefifchen Bildern meift durch die Art der Lichtwirkung das Auge zunächft auf einen
Punkt gelenkt, aber dann müffen wir dem Wege der Landfchaft, dem Fluge des Vogels
oder dem Auge des abgebildeten Mannes folgen, um nacheinander die einzelnen Teile
der Landfchaft oder der fonftigen Darftellung zu erkennen (vgl. Abb. 19 -21). Ein
chinefifches Bild, von größerem Umfange befonders, ift fomit nicht auf einen Blick in
feiner Gefamtheit zu erfaffen, fondern nacheinander mit dem Auge abzutaften.

Wir fehen bei dem vorerwähnten großen Landfchaftsbilde zuerft die Berges-
kuppe, auf der der Befuch empfangen wird. Neben den Perfonen liegt eine lange

1 Miß Sage in Academy Notes der Albright Art Gallery in Buffalo, Sept. 1912 gibt eine kurze

illuftrierte Befchreibung der Freer-Äusftellung in Wafhington.

3 Fenollofa, The collection of Mr. Charles L. Freer, Pacific Era, Detroit, Nov. 1907 mit 8 Äbb,

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