Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

DOI issue:
6. Heft
DOI article:
Münsterberg, Oskar: Chinesische Kunst in Amerika, [2]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0229

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
CHINESISCHE KUNST IN AMERIKA

An der Sicherheit des Striches läßt [ich
der Unterfchied zwi[chen Original und Ko-
pie erkennen. So dürfte das Original der
Hirthfchen Kopie1 2 nach Li Chöng (Abb. 13)
wohl den gleichen Inhalt, aber wefentliche
Änderung in der Bewertung der Farben-
valeurs und in der Strichführung aufweifen.

Es ift anzunehmen, daß auf dem Original
fowohl die Landfchaft im Hintergründe
als auch der Horizont in zarter duftiger
Perfpektive gemalt waren.

Eine fehr flotte Schwarzmalerei auf
grauem Papier, die wohl neu befchnitten
und frifch aufgezogen, fonft aber von
Reftauration faft unberührt fein dürfte, ift
eine Landfchaft, dieNitfam aus dem 14. Jahr-
hundert zugefchrieben wird (Abb. 14).

Während diefeLandfchaftsbilder mit fpißem
Pinfel ausgeführt find, ift ein anderes Blatt
(Abb. 15) von Huang Shön - 1726 da-

tiert — mit breitem Pinfel in ßotten, kräf-
tigen, der Schrift ähnlichen Strichen ge-
malt. Diefer Stil ift befonders in Japan
zu virluofer Vollendung gebracht. Aus
China find derartige Bilder verhältnis-
mäßig feiten zu unferer Kenntnis gelangt.

Es fcheint dies mehr an dem Gefchmack
der Sammler als an der Bewertung der
chinefifchen Kunftkritik zu liegen. Wenn
wir die unfichere und unfchöne Linie des
Kopfes, der Nafe und der verfchwom-
menen Äugen betrachten, fo erkennen wir
fofort, daß diefe minderwertige Reftaura-
tion nicht von dem Meifter der flott hin-
geworfenen Kleiderfkizze ausgeführt fein
kann. Sobald wir den unfchönen Kopf
zudecken, fehen wir einen Torfo in kraft-
vollem Pinfelftrich, der die Hand eines
guten Meifters verrät. Diefe aus der
Schrift entwickelte Art der Pinfelführung
ift eine der merkwürdigften Eigentüm-
lichkeiten der chinefifchen Kunft. Ein
europäifches Auge braucht langjähriges
Studium und vieles Sehen, um ver-
ftändnisvolle Freude an derartiger Ausführung zu empfinden

Äbb. 20. Tempel im Gebirge, farbige Fieid Mufeum,
Malerei, gezeichnet: LiChaotao, Ko- chlcago
pie aus 14.—17. Jahrhundert

1 Hirth, Scraps from a collectors note book. Leiden 1905. Seite 32.

2 a. a. 0., Seite 35, Abbildung.
 
Annotationen