Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0313
DOI Heft:
8. Heft
DOI Artikel:Biermann, Georg: Bilder aus der Sammlung Tramm in Hannover
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BILDER AUS DER SAMMLUNG TRAMM IN HANNOVER
Äbb. 8. FRANZ v. LENBÄCH, Bauernjunge
Werk behauptet werden, daß die Leibikritik heute abfolut noch in ihren Kinderfchuhen
fteckt und daß es von vornherein verkehrt iß, gegenüber folchen Zufallsfchöpfungen
—: denn es handelt [ich hier um eine tgpifche Atelierftudie den Maßftab von den
vollendeten Meifterfchöpfungen der Zeit zu entlehnen. Das ift kunftwiffenfchaftlich
weder bei den alten Meiftern richtig — viel weniger aber noch bei den Modernen,
deren Entwicklung wir täglich beobachten und die wir oft genug auf fogenannten
„Zwifchenftufen“ ertappen. In vielen Fällen aber wird letzten Endes da, wo Doku-
mente fehlen (was hier nicht zutrifft), das Gefühl, der erfte Eindruck zumeift ausfchlag-
gebend fein, denn darin liegt das wahre Geheimnis der Kennerfchaft. Vor diefem
kleinen Leibi aber, den ich zu wiederholten Malen fehr gründlich unterfucht und mit
anderen Werken der Epoche in Vergleich gefejjt habe, ift mir auch nicht einen Augen-
blick ein Zweifel an der Echtheit des Stückes gekommen. Die Technik ift abfolut pur,
das Bild felbft von jeder Übermalung frei, die Behandlung des Ohres, die gewiß nicht
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Äbb. 8. FRANZ v. LENBÄCH, Bauernjunge
Werk behauptet werden, daß die Leibikritik heute abfolut noch in ihren Kinderfchuhen
fteckt und daß es von vornherein verkehrt iß, gegenüber folchen Zufallsfchöpfungen
—: denn es handelt [ich hier um eine tgpifche Atelierftudie den Maßftab von den
vollendeten Meifterfchöpfungen der Zeit zu entlehnen. Das ift kunftwiffenfchaftlich
weder bei den alten Meiftern richtig — viel weniger aber noch bei den Modernen,
deren Entwicklung wir täglich beobachten und die wir oft genug auf fogenannten
„Zwifchenftufen“ ertappen. In vielen Fällen aber wird letzten Endes da, wo Doku-
mente fehlen (was hier nicht zutrifft), das Gefühl, der erfte Eindruck zumeift ausfchlag-
gebend fein, denn darin liegt das wahre Geheimnis der Kennerfchaft. Vor diefem
kleinen Leibi aber, den ich zu wiederholten Malen fehr gründlich unterfucht und mit
anderen Werken der Epoche in Vergleich gefejjt habe, ift mir auch nicht einen Augen-
blick ein Zweifel an der Echtheit des Stückes gekommen. Die Technik ift abfolut pur,
das Bild felbft von jeder Übermalung frei, die Behandlung des Ohres, die gewiß nicht
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