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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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8. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0326

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AUSSTELLUNGEN

fphäre den Charakter der dargeftellten Gegend
gleichfam in der Quinteffenz befigen, fondern
die audi all die menfchlichen Äffoziationen, die
mit ihr verbunden find, zum Schwingen bringen,
weil fie Geift und noch mehr Herz des Malers
während des Schaffensaktes bewegt haben. Der
Geift des feraphifdhen Bruders von Äffiß fdiwebt
über diefen wie aus der Tiefe geholten Ge-
bilden. F.

MOSKÄU Die foeben gefchloffene pofthume
Äusftellung des 1911 verfchiedenen ruffifchen
Malers Valentin Älexandrowitfch Sfjerow
(f. Cicerone 1911, S. 977) war zweifellos das be-
deutendfte Ereignis der diesjährigen Äusftel-
lungsfaifon. Dank der Energie des Äusftellungs-
komitees, an deffen Spige J. Grabar ftand, um-
faßte die Schau ca. 500 Nummern und außer
den in Mufeen befindlichen unentlehnbaren
Werken war faft das ganze Oeuvre des Künft-
lers aus allen Schaffensperioden zufammenge-
bradit worden. Nachlaßausftellungen bringen
meiftens Überrafdiungen, fowohl nach der guten
als fchlechten Seite; die beregte ließ die talent-
volle Perfönlidikeit Sfjerows noch ftärker her-
vortreten als manche es erwartet hatten. Ge-
wiffe Schwächen, die im einzelnen manchmal
geftört hatten, verfchwanden im allgemeinen
Bilde, in welchem vor allem der große Ernft
und die Aufrichtigkeit des Schaffens imponierten,
der immerwährende Drang nach künftlerifcher
Evolution und Erweiterung der ßch geteilten
Aufgaben. Viel Unbekanntes kam da zum Vor-
fchein, wie eine Reihe von Entwürfen zu grie-
chifchen Mythen in origineller, moderner Faffung,
welche den Niederfdhlag einer Reife nach Grie-
chenland bildeten, fowie äußerft intereffante, rein
zeichnerifche Illuftrationen zu ruffifchen Fabeln;
und neben den allbekannten, oft bewunderten
Bildniffen Sfjerows figurierte manches vorzüg-
liche Porträt, das noch nie ausgeftellt war. Be-
fonders tragifch wirkte das Bewußtfein, daß der
Tod den im beften Mannesalter ftehenden Künftler
in einem Moment ereilt hatte, als er fich voll
neuer Pläne trug und fich fdhöpferifch gewiffer-
maßen in einem Häutungsprozeß befand. Der
ehemalige Pleinairift und Realift der feinen,
melancholifchen Landfchaften und expreffiven
Bildniffe, die ftets von pfychologifcher Schärfe
und fo tiefer Menfchenkenntnis zeugten, hatte
gerade in den lebten Lebensjahren begonnen
fich einem mehr dekorativen Stil zuzuwenden, ja
fogar rein dekorative Arbeiten in Angriff genom-
men. Ebenfo war die Vorliebe zur Tonmalerei,
zu gedämpften, faft monochromen Farbenzu-
fammenftellungen öfters einem neuzeitlichen Ko-
lorismus gewichen, allerdings ohne hier die

frühere, harmonifche Ausgeglichenheit und das
individuelle jCachet zu erreichen. Die Äusftel-
lung hat diefen Entwicklungsgang Sfjerows deut-
lich zum Ausdruck gebracht und jedenfalls fehr
viel zur Kenntnis feines Oeuvres beigetragen.

Gleichzeitig ift auch die feit langem ange-
kündigte Monographie V. Sfjerows aus der
Feder J. Grabars erfchienen. Sie bildet den
dritten Band der Monographienferie ruffifcher
Künftler des Moskauer Verlegers J. Knoebel und
hat vor den beiden erften Bänden (Wrubel und
Levithan) dem Vorzug reichern Illuftrationsmate-
rials und gediegenem Textes voraus. Grabar
hat das Buch noch zu Lebzeiten des Künftlers
zu fchreiben begonnen und war daher in der
Lage, aus erfter Quelle zu fchöpfen. Im Doku-
mentalen und der folgerichtigen Schilderung des
Werdegangs des verftorbenen Künftlers liegt
der Hauptwert der Grabarfchen Arbeit. P. E.

NÜRNBERG In der jüngft neuerbauten
ftädtifdien Kunftausftellungshalle am Marientor
hat die Münchener Künftler-Genoffen-
fchaft, einer Einladung des in der legten
Zeit einen erfreulichen Äuffchwung nehmenden
ÄlbrechtDürer-VereinsFoIge gebend, am lö.März
eine größere Äusftellung eröffnet. Sie umfaßt
Werke der Malerei und der graphifchen Kunft.
Für die Plaftik konnte ein eigener Saal einge-
richtet werden. Vertreten find in ihr fo ziem-
lich alle dem Namen nach bekannten Mitglieder
der Vereinigung. Auch die älteren Künftler fehlen
in ihr nicht; im übrigen gehört das Feld den
Jungen, von denen pch mancher von kühnem
Wagemut befeelt zeigt. Die Äusftellung, die
fich durch vornehme Gefchloffenheit auszeichnet,
enthält viel Gutes. Befonders hervorzuheben
find Richard Benno Adams naturaliftifch gut ge-
fehene „Bozener Packpferde“, Eduard Beyerers
ftilvoll aufgebaute Äfchenurne, Leonhard Blums
durch koloriftifcbe Lebendigkeit überrafchender
„Jahrmarkt in Ungarn“, Ludwig Bolgianos die
Unruhe und Äufgelöftheit der heißen Sommer-
natur vortrefflich wiederfpiegelndes „St. Georgs-
kirchlein bei Ettendorf“, das große, von einem
auserlefenen Farbengefchmack zeugende Ätelier-
ftilleben von Paul W. Ehrhardt, Otto Gamperts
fonnig-heitere Teichland fchaft, das „Winter-
freuden“ benannte frifche Damenporträt von
Betty Heldrich, das durch und durch naturtreue
Pßaumenftilleben von Äuguft Herrmann-Allgäu,
die hübfchen Zierbronzen von Georg Kemper,
das prachtvoll durchgeführte Holzfchnittwerk
„Unfere Erlöfung“ von Valentin Kraus, Max
Colombos eigenartiges Bild einer fpanifchen
Tänzerin, das kleine auf liebevoller Beobachtung
der Einzelheiten aufgebaute Bildchen „Er kommt“

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