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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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9. Heft
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Bombe, Walter: Die Neuordnung des etruskischen Museums in Perugia
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0360

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DIE NEUORDNUNG DES ETRUSKISCHEN MUSEUMS IN PERUGIA

folgen die Gräberftätten der Familie Pomponia
Plozia mit 14 Urnen, alle mit Infchriften verfehen
und einige mit bemerkenswerten Darftellungen
in Hochrelief. Auch die Funde aus den Gräbern
der Familie Titia Vezia, die bei San Sifto in
der Nähe von Perugia ausgegraben worden find,
zeigen kräftig modellierte Skulpturen in Hochrelief.

Von den Funden, die im weftlichen Korridor
untergebracht find, verdienen zunächft die Gräber
der Familie Varna aus Cetona bei Chiufi und
die der Familie Trebia aus Caftiglione del Lago
hervorgehoben zu werden. Ein archaifcher Sar-
kophag bietet Darftellungen einer Prozeffion an
der Vorderwand und eines Feftmahles an den
Seiten. Hochintereffant ift dann ein Sargdeckel
aus Chiufi: Er zeigt die lebensgroße, meifterlich
modellierte Geftalt eines kräftigen Mannes in
Hüftlage, das Haupt bekränzt und in der Linken
die Opferfchale haltend, während die Rechte auf
dem Knie aufliegt. Zu feinen Füßen taucht,
ihm felbft unfiditbar, die unerbittliche Parze
auf, die Zähne fletfchend, den Blick, der das
Leben erftarren macht, feft auf ihn gerichtet
und mit den todbringenden Händen feinen Fuß
und feinen Puls berührend. Bemerkenswert ift
noch der Umftand, daß die beiden Köpfe zum
Abnehmen eingerichtet ßnd, fo daß die durch
den Ritus vorgefchriebenen alljährlichen Libatio-
nen ausgeführt werden konnten.

Die Gräberftätte der Familie Noforfinia ent-
hält eine prachtvolle Äfchenkifte mit leider fehr
befchädigten Skulpturen an den drei Schau-
feiten. Eine Stele phallifcher Form von etwa
1 m Höhe auf zglindrifcher Bafis von 2 m Um-
fang trägt eine Infchrift, aus der fich ergibt,
daß diefes Grabdenkmal zur Erinnerung an
Elia Gnevia, die Tochter des Larzia, errichtet
worden ift. Auf der zylindrifchen Travertin-
bafis ift eine ßgurenreicheLeichenprozeffion ftreng
archaifchen Stiles dargeftellt. In der Art der atti-
fchen Prothefis, der feierlichen Äusftellung der
Leiche, wie wir fie in einer Vafe des Mufeo

Civico zu Bologna finden, wird uns hier der
Abfchied der Verwandten von der Toten, einer
jungen Frau, vorgeführt. Zwei Frauen reichen
der toten Mutter das Kind zum Kuffe, eine Frau
am Kopfende der Bahre fdieint die Bewegung
der beiden anderen unterftütjen zu wollen, eine
vierte Frau am Fußende entbietet den letjten
Gruß. Rechts von der Bahre ftehen fünf Prae-
ficae, die ihre Totenklage anftimmen, links, zu
einer Gruppe vereinigt, fechs Männer und zwei
Knaben mit verzweiflungsvollen Gebärden. Auf
der anderen Seite erhebt fich in der Mitte der
Altar, auf dem die Leiche eingeäfchert werden
foll. Zur Linken des Altars ftehen acht Perfonen,
darunter drei Frauen, an ihrer Spitje ein bärtiger
Mann, wohl der Gatte, der fich anfchickt, ein
Opfer auf dem Altar niederzulegen, zwei Män-
ner halten das Opfermeffer, einer, der dritte der
Reihe, einen Kranz. Rechts haben acht Männer
Aufteilung genommen. Sie erwarten die An-
kunft der Leiche. Einer von ihnen trägt einen
Kranz und drei die Abzeichen des Priefteramtes.

Von diefer „conclamatio funebris“, der wir
eine auffchlußreiche Schilderung etruskifcher
Totenfeiern im 6. Jahrhundert verdanken, wen-
den wir uns nunmehr den vom füdlichen Korri-
dor aus zugänglichen inneren Sälen des
Mufeums zu, die eine reiche Sammlung von
etruskifchen und griechifchen Vafen, Gläfern,
Flafchen, kleinen Götterfiguren und Funde aus
Ponticello del Campo und Norcia bergen.
Es folgen die Säle der Bronzen mit Amuletten,
Figürchen, Vorftecknadeln, Fibeln, Helmen, Waf-
fen, Spielzeug und Gegenftänden häuslichen Ge-
brauches, darunter Handfpiegel und Spiegel-
käftchen mit feinen Gravierungen, zwei voll-
ftändige Cottabos und ein Dreifuß mit zwei
Bifelli. In den drei nächften Sälen (7—9) ift die
Sammlung aufgeftellt, die Mariano Guardabaffi
geftiftet hat und im zehnten Saal die Sammlung
kyprifcher Ausgrabungen, ein hochherziges Ge-
fchenk des Conte Giancarlo Coneftabile.

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