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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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11. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

ÄMSTERDÄM Im Kupf erftidikabinett
des RIJKSMUSEUMS find vom 1. April bis
30. Juni Radierungen und Zeichnungen eines der
intereffanteften Künftler der holländifchen Kunft-
gefdiichte ausgeftellt, auf den im übrigen durch
eine kürzlich bei der Graphifchen Gefellfchaft
(1910—12) erfchienenen Publikation die allge-
meine Äufmerkfamkeit gelenkt wurde: Hercules
Seghers. In feinem Katalog von Seghers’
graphifchem Werk befchreibt Jaro Springer
62 Blätter, von denen das Ämfterdamer Rijks-
mufeum allein 46 befifet. Diefe alle find mit
ihren fämtlidien Zuftänden, bis zu fechs, neben
3 Zeichnungen und kunftwiffenfchaftlichem Ver-
gleichsmaterial ausgeftellt. An den verfchiedenen
Zuftänden ift Seghers’ Arbeitsweife genau zu
verfolgen. Wie er die radierte Platte verfuchs-
weife auf allerlei Tonpapier abdruckt und bis-
weilen, zur Verftärkung der künftlerifchen Wir-
kung, das Blatt noch mit dem Pinfel übergeht.
Mit Recht hat man Seghers den Vorläufer unferer
modernen Farbenradierung genannt, wie man
ihn als Vorbild für den Landfchaftsmaler Rem-
brandt bezeichnete. Mit größerem Rechte noch
darf man ihn auch einen der bedeutendften Vor-
läufer der gefamten Haarlemer Landfchaftsfchule
des frühen 17. Jahrhunderts nennen. Stilkritifch
betrachtet, erkennt man in feinen Vorwürfen und
Kompofitionsanlagen alle jene Momente, die
fpäter von Ruisdael und feinem Kreife ange-
gewandt wurden. Die weiten Landfchaften mit
dem Bück auf das Städtchen Rhenen (wie Spr.
Nr. 34) haben Ruisdael, Vermeer van Haarlem
und Jan van Keffel angeregt, feine kompakten
Baumkomplexe blieben nicht ohne Einfluß auf
G. Rombouts, Decker und Roelof van Vries. Wie
jedoch diefe Anregungen fich vollzogen, bedarf,
ebenfo wie die Frage nach der gegenfeitigen
Beeinfluffung der Haarlemer Landfehafter des
frühen 17. Jahrhunderts, noch der weitgehendften
Aufklärung.

Die Überarbeitung einer Seghersfchen Platte
durch Rembrandt ift bekannt. Auf der Aus-
heilung ift die allmähliche Veränderung der Dar-
stellung deutlich zu verfolgen. Zunächft der
Kupferftich von Hendrick Goudt nach dem Els-
heimerfchen Gemälde: Tobias mit dem Engel (E.).
Dann Seghers’ radierte Kopie nach diefem Stich
(1, I. etat), ferner der vierte Zuftand der Seghers-
fchen Radierung, in der Rembrandt die Tobias-
gefchichte in eine Flucht nach Ägypten umwan-
delte und der fechfte Zuftand des nunmehr
Rembrandtfchen Blattes.

Auch Rembrandts Radierung „Die Landfchaft
mit den drei Bäumen“ ift zu fehen (A), deren erfte,
Seghers zugefchriebene Zuftände, nicht bekannt
find. Die Blätter Nr. 31 Schleufe, Nr. 32 Fluß-

ufer, Nr. 33 Rhenen wurden im zweiten Zuftand
von Antoni Waterlo überarbeitet, deffen
Äßungen „Hütte mit Bäumen“, „Dorf mit großer
Kirche“, „Tal mit Dorf“ unter B, C und D ver-
zeichnet find. Unter F hängt der Holzfdinitt
Hans Baidungs „Die Beweinung Chrifti“; da-
neben die farbige Kopie Seghers’ nach diefem
Blatt unter Weglaffung von Kreuz und Leiter (2).
Der Holländer hat die herben Formen des Deut-
fchen um ein weniges gemildert, frappant ift
dabei die prächtige Farbenharmonie der weichen
blauen, rotvioletten, grünen und braunen Töne;
die Konturen find bläulich, das Papier gelb. —
Alles in allem ift die Seghers-Ausftellung höchft
intereffant, lehrreich und mit viel Sorgfalt zu-
fammengeftellt. R. B.

BERLIN Die diesjährige GROSSE BERLINER
KUNSTAUSSTELLUNG unterfcheidet [ich nicht
wefentüch von denen früherer Jahre. Weder das
Verbot, bereits kürzlich in Berlin gezeigte Werke
wieder auszuftellen, noch die umfangreiche Son-
derausftellung von Aquarellen und Paftellen —
unter denen pch drei Werke von Degas fehr
merkwürdig ausnehmen — haben das Niveau
heben können. Es ift die alte recht unperfön-
liche, meift handwerksmäßig foüde Verkaufsaus-
ftellur.g, die ja als folche nötig ift, und die man
von diefem Standpunkt aus gelten laffen kann,
wenn pch nur alle darüber klar pnd, daß die
gewaltigen in diefen Sälen aufgefpeicherten
Maffen kein Bild des gegenwärtigen deutfehen
Kunftfchaffens geben, weder die einzelnen Werke,
noch gar die repräfentativen Vertretungen aus-
wärtiger Vereinigungen. Hier ift das Niveau
befonders niedrig gegriffen, und felbft die
Düffeldorfer Abteilung, die fonft noch immer fo
etwas wie eine Oafe bildete, ift in diefem Jahre
fdiwächer geraten als fonft. Auch die Sonder-
ausftellungen einzelner Künftler haben wenig
Bedeutfames. Die Eingeladenen pnd in keinem
Sinne wichtige Typen, und zudem find die Kol-
lektionen viel zu umfangreich, da fämtliche Be-
gabungen mit weniger Werken günftiger re-
präfentiert wären. Das allzu umfangreiche
Material deckt nur die Schwächen mehr auf.

Nur eine Zufälligkeit ift auch die retrofpektive
Abteilung, die der Zeit Wilhelms I. gewidmet
ift. Was hier hängt, beweift eigentlich nur, daß
auch damals einige hervorragende und viele
mittelmäßige Bilder gemalt worden find. Ein
Bild der Epoche, oder auch nur einiger der her-
vorragenden Perfönlichkeiten wird nicht gegeben,
gefchweige denn auf wenig Bekannte eindring-
lich und mit Glück hingewiefen.

Von der plaftifchen Abteilung ift eigentlich gar
nichts zu fagen. Sie ift in diefem Jahre feiten

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