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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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12. Heft
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Grautoff, Otto: Die Sammlung Camondo
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0480

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DIE SAMMLUNG CAMONDO

und vorfichtig wägend hat er bei diefen Er-
werbungen immer den Rat von Freunden er-
beten. Wenn wir uns heute an den forgfältig
gewählten Gemälden feiner Sammlung freuen,
dürfen wir nicht vergeffen, daß Theodore Duret
bei vielen Käufen eine ausfchlaggebende Stimme
hatte, alfo auch er ein geheimes Verdienft an
diefer Sammlung hat.

Es kann hier nur ein kurzer, zufammenfaffen-
der Überblick gegeben werden: Boudin ift mit
3 Bildern vertreten, Cezanne mit 5, Corot mit 2,
Degas mit 11, Delacroix mit 2, Jongkind mit 1,
Manet mit 7, Monet mit 14, Piffarro mit 2, Puvis
de Chavannes mit 1, Renoir mit 3, Sisley mit 8,
Touloufe Lautrec mit 1, van Gogh mit 1. Zeich-
nungen enthält die Sammlung von Bargel, von
Boudin 2, von Cezanne 4, von Corot 1, von
Daumier 1, von Degas 15, von Delacroix 3, von
Forain 7, von Gavarni 2, von Ingres 1, von
Jongkind 35, von Manet 3, von Millet 1, von
Puvis de Chavannes 2, von Rouffeau 1.

Von befonderer Bedeutung ift es, daß Manet
mit zwei Hauptwerken: „Lola“ und „Le Fifre“,
Degas mit vielen frühen Gemälden und Cezanne
mit zwei Frühbildern und einer Faffung feiner
Karten fpieler, Monet mit Arbeiten aus allen
Schaffensperioden und van Gogh mit einem
Spätbild in diefer Sammlung vertreten ift, die
der Befißer 1908 dem Louvre vermachte und
die am 7. April 1911, dem Todestage Ca-
mondos, in den Staatsbefiß überging. Es ift
eine fonderbare Schickfalsfügung, daß ein Türke

dem franzöfifchen Staat eine der köftlichften
Sammlung von Bildern der größten Meifter
Frankreichs geftiftet hat, die feinerzeit von den
Vertretern diefes Staates, in dem jene Künftler
Heimatrecht hatten, verfehmt wurden. Niemals
hat der franzöfifche Staat auch nur das kleinfte
Blättchen von Cezanne, Degas, Manet, Monet,
Piffarro, Renoir, Sisleg und Touloufe Lautrec
erworben, ja fich fogar mehrfach geweigert,
Gefchenke von Bildern diefer Meifter anzuneh-
men. — Am 5. Juni wurden die der Sammlung
beftimmten Säle von den Vertretern derfelben
Regierung eingeweiht, von denen nicht einer
die Befchämung empfand, die in diefem Ge-
fchenk eines Ausländers an Frankreich liegt.

Die Säle find leider für den Genuß der Ge-
mälde nicht fonderlich geeignet: Sie find niedrig
und empfangen Seitenlicht von zwei Seiten.
Mehrere Bilder hängen gegen das Licht, einige
fo hoch, daß fie nicht gut zur Wirkung kom-
men. Der Katalog der Gemälde und Zeich-
nungen ift — vor allem von Louis Demonts —
mit Umßcht und Eifer bearbeitet worden. Der
Katalog der orientalifchen Abteilung und der
Skulpturen ift leider fehr knapp gefaßt und
läßt vieles Wünfdienswerte entbehren. Druck,
Ausftattung und Abbildungen find jämmerlich
und unferer Zeit nicht würdig. Es würde end-
lich einmal an der Zeit fein, daß der Louvre
den Verlag feiner Kataloge einer Firma über-
trägt, die einen weniger barbarifchen Gefchmack
hat. Otto Grautoff.

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