Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

DOI issue:
12. Heft
DOI article:
Ausstellungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0492

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
AUSSTELLUNGEN

Die Gedäditnisausftellung, die die Galerie
LOUIS LE GRAND dem Maler A. F.Cals wid-
mete, brachte keine Überrafchungen; fie ftimmte
etwas wehmütig. Das Leben diefes Künftlers
war fo lauter, fo rein, fo fern aller Reklame, fo
fremd dem Streben nach äußeren Erfolgen, fo
verinnerlicht, daß man angefichts feiner Werke
fo gerne laut von ihm zeugen möchte. Die zarte
Hand diefes milden Künftlers aber war matt und
fchwadi und fand niemals die Kraft zu ftarken
Linien und klingenden Farben. Seine in dunkle
Töne gebundenen Bilder haben keine über-
zeugende Ausdruckskraft. Hundert der ausge-
ftellten Bilder gehören feinem Freunde, dem
Grafen Doria; Dr. Viau befißt zehn; die übrigen
ausgeftellten ßnd Eigentum kleinerer Sammler.

* *

*

DURAND RUEL veranftaltete eine umfaffende
Ausftellung von Marg Caffatt, die vierte diefer
Ausländerin. Die erfte Sonderausftellung der
Künftlerin fand 1891, die zweite 1893 und die
dritte 1908 ftatt. Die Amerikanerin, die zum
erften Male 1879 mit der Imprefßoniftengruppe
pch den Parifern vorftellte, war im Anfang der
pebziger Jahre nach Europa gekommen, hatte
erft Italien und Holland durchreift, bis fie in
Frankreich die Kunftwelt fand, wo fie ihr Talent
verankern konnte. Sie wurde die Kameradin
von Monet, Piffarro und Renoir und fand in
Degas’ ftrengem Ethos einen Boden, der ihrem
eigenen Kunftideal Ernft, Würde und Klarheit
verlieh. Aus feiner herben Zucht lernte pe Sach-
lichkeit, Methodik und das Glänzende im Aus-
druck farbiger Erlebniffe. Degas lehrte der
jungen Malerin die Reinheit der Zeichnung, den
großen Umriß, den finnlidien Schwung der Linie.
Er lehrte fie mit wenigen, ungebrochenen Far-
ben den denkbar höchften Grad von Farbigkeit
zu erreichen. Mary Caffatt ift eine der wenigen
Ausländerinnen, die zugleich die Strenge und
die Leichtigkeit der Kunft von Degas begriffen
haben. Ihre Zeichnungen — befonders die
frühen — ftehen wie diejenigen ihres Lehrers
Ingres nahe; ihre Farben find leicht, pockig, finn-
lich, heiter und verwifchen die Strenge der For-
men nicht; fie füllen fie.

Es würde nüßüch fein, eine Ausftellung diefer
Malerin in Deutfchland zu veranftalten, in Mün-
chen etwa, wo Maler fo op mit einem beträcht-
lichen Aufwand von Farbe doch keine farbigen
Wirkungen erzielen, weil fie fchwere, unfrohe
Farben nehmen. Die Caffatt hat vorwiegend
Kinderbilder und Mutterfzenen gemalt, Bilder,
die die Würde der Frau nicht nur im fchönften
Lichte erfcheinen laffen, fondern diefe Würde
auch als eine heitere, frohe und fonnige Sache

vorftellen. Kinderaugen und Kinderkörper pnd
von ihr mit glühender Liebe gemalt worden.
Das junge Fleifch fchimmert ropg, die Äugen

büßen hell. * *

*

In der Galerie MANZI JOYANT veranftaltete
Jofeph Bernard eine Sonderausftellung. Der
Künftler, Bildhauer und Maler zugleich, ift etwa
36 Jahre alt und hat die Riefenfäle diefer Galerie
mit 81 großen, teils überlebensgroßen Skulp-
turen und etwa 200 Zeichnungen, Aquarellen
und Paftellen vollftändig gefüllt — eine Leiftung,
die, rein quantitativ, Ächtung verdient. Keine
der Arbeiten ift fchlecht. Man fragt pch fogar
vor verfchiedenen, ob hier vielleicht ein Genie
ein von Eindrücken und Erlebniffen überreiches
Füllhorn vor uns auffchüttet, fo mannigfach ift
fein Ausdrucksvermögen, fo reich feine Beherr-
schung der plaftifchen Äusdrucksformen. Aber
verweilende Betrachtung täufcht nicht lange
über die Leere, über die Flüchtigkeit, über die
Eilfertigkeit der gebildeten Formen hinweg. Die
ftarken Eindrücke bleiben aus und am Ende er-
kennt man den Mangel an Zucht, an Strenge,
an Gewiffen. Das alles ift zu haftig gefchaffen
unter dem Druck heftiger Ruhmfucht, als wollte
Bernard den Ruhm Rodins in ein paar Jahren
fchnell einholen. Er denkt nicht ans ewige Heil,
fondern ans Zeitliche. Wie fchnelle Improvifa-
tionen in der Art Rodins wirken feine Arbeiten;
aber es fehlt das Ethos des Meifters. Die Zeich-
nungen find gefchickte Nachahmungen Rodins,
die großen Skulpturen ftehen im Stil zwifchen
Rodin und Maillol, im Charakter unter beiden.
In der Kleinplaßik ift Bernard am ftärkften und
felbftändigften. Otto Grautoff.

ST. PETERSBURG Das STIEGLITZ-
MUSEUM, das pch die Aufgabe geftellt, eine
Reihe von Aufteilungen von Werken ange-
wandter und dekorativer Kunft aus rufpfchen
Privatfammlungen zu arrangieren, inaugurierte
dies Programm durch die Ausftellung der koß-
baren Kollektion derGräfin E. W. Schuwalow,
St. Petersburg, welche Keramik, Limoger und
fonftige Emails fowie Silberarbeiten in reicher
Auswahl enthält. Als einzig in Petersburg prä-
fentierten pch zahlreiche frühfranzöpfche pote-
ries vernissees aus Beauvais, Avignon, Or-
leans und Äptes, welche von einer Gruppe
Fayencen der Paliffyfamilie und ihrer Nachfolger
ergänzt wurden. Italien war durch Majoliken
von Urbino und Faenza, fowie ein Madonnen-
basrelief des Luca della Robbia vertreten, und
zwei Kacheln derMingperiode aus Mukden gaben
eine Vorftellung von der Art altchinefifcher Ke-
ramik. Die piece de resistance der Ausftellung

460
 
Annotationen