Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0528
DOI Heft:
14. Heft
DOI Artikel:Friedeberger, Hans: Die Jahrhundert-Ausstellung deutscher Kunst 1650 - 1800 im Residenzschlosse zu Darmstadt, II.
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JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG DEUTSCHER KUNST 1650-1800 IN DARMSTADT
Äbb. 13. KARL SYLVÄ DUBOIS und H. PESNE, Märkifdie Landfdiaft S. Majeftät der deutfche Kaifer
Die Entwicklung hat zwei Ausgangspunkte: Wien und die Schweiz. In Wien be-
ginnt fie früher, bricht dann aber auch eher ab, und bleibt wirkungslofer im übrigen
Deutfchland. Zudem wird hier der neue Geift zuerft nicht in der Landfchaft felbft
fpürbar, die vielmehr noch bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts fdiematifch bleibt,
fondern in der Staffage. Franz Chriftoph Janneck erlöft fie zuerft auf feinen Bildern
und auf denen Schinnagis, die er meift ftaffierte, von der mageren Bedeutungslofigkeit
und gibt den Figuren Leben und kräftigeren Strich. Der Fortfeljer feiner Art ift der
jüngere Brand, Johann Chriftian, der Janneck von der Wiener Akademie her kannte.
Seine Staffagen find breit gemalt, mit kräftigem Pinfel, und in gefehenen, unmittelbar
erlebten Gebärden und Stellungen. Sie nehmen fich oft wunderlich aus in den Land-
fchaften, die lange Agricolas Art bewahren, deffen Enkelfchüler Brand durch feinen
Vater und erften Lehrer war. Völlig aus dem Rahrrien feiner Tätigkeit fällt dann
die Landfchaft aus Münchener Privatbefig (Abb. 12), in der die Staffage keinerlei
Bedeutung mehr beanfprudit, und die, völlig unkonventionell, mit dem Prinzip der Ku-
liffe und der Entwicklung der drei Gründe bricht. Audi farbig fteht fie der Natur fehr
nahe. Die intime Landfchaft bringt dann die nächfte Generation: Joh. Evangelift Dorf-
meifter, ein echter Wiener, der die Natur und den Wiener Wald fchon mit eigenen
Augen gefehen zu haben fcheint und wie ein ferner Vorläufer Waldmüllers wirkt.
In der Schweiz beginnt die Entwicklung früher; fie bleibt auch ftetiger und greift
über auf die Rhein- und Mainlandfchaften, die ja immer in engem Zufammenhang mit
der Schweiz ftanden. Es hängt das zufammen mit der ganzen geiftigen Entwicklung
der Schweiz, wo zu einer Zeit, da in Deutfchland Gottfched eine Art Autokratie des
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Äbb. 13. KARL SYLVÄ DUBOIS und H. PESNE, Märkifdie Landfdiaft S. Majeftät der deutfche Kaifer
Die Entwicklung hat zwei Ausgangspunkte: Wien und die Schweiz. In Wien be-
ginnt fie früher, bricht dann aber auch eher ab, und bleibt wirkungslofer im übrigen
Deutfchland. Zudem wird hier der neue Geift zuerft nicht in der Landfchaft felbft
fpürbar, die vielmehr noch bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts fdiematifch bleibt,
fondern in der Staffage. Franz Chriftoph Janneck erlöft fie zuerft auf feinen Bildern
und auf denen Schinnagis, die er meift ftaffierte, von der mageren Bedeutungslofigkeit
und gibt den Figuren Leben und kräftigeren Strich. Der Fortfeljer feiner Art ift der
jüngere Brand, Johann Chriftian, der Janneck von der Wiener Akademie her kannte.
Seine Staffagen find breit gemalt, mit kräftigem Pinfel, und in gefehenen, unmittelbar
erlebten Gebärden und Stellungen. Sie nehmen fich oft wunderlich aus in den Land-
fchaften, die lange Agricolas Art bewahren, deffen Enkelfchüler Brand durch feinen
Vater und erften Lehrer war. Völlig aus dem Rahrrien feiner Tätigkeit fällt dann
die Landfchaft aus Münchener Privatbefig (Abb. 12), in der die Staffage keinerlei
Bedeutung mehr beanfprudit, und die, völlig unkonventionell, mit dem Prinzip der Ku-
liffe und der Entwicklung der drei Gründe bricht. Audi farbig fteht fie der Natur fehr
nahe. Die intime Landfchaft bringt dann die nächfte Generation: Joh. Evangelift Dorf-
meifter, ein echter Wiener, der die Natur und den Wiener Wald fchon mit eigenen
Augen gefehen zu haben fcheint und wie ein ferner Vorläufer Waldmüllers wirkt.
In der Schweiz beginnt die Entwicklung früher; fie bleibt auch ftetiger und greift
über auf die Rhein- und Mainlandfchaften, die ja immer in engem Zufammenhang mit
der Schweiz ftanden. Es hängt das zufammen mit der ganzen geiftigen Entwicklung
der Schweiz, wo zu einer Zeit, da in Deutfchland Gottfched eine Art Autokratie des
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