Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (6.1914)

JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG DEUTSCHER KUNST 1650 1800 IN DARMSTADT

Äbb. 31. Plat de Menage, Silber, datiert 1759. Augsburg S. K. H. der Großherzog von Sadifen-Weimar

fallszeit auch die Heranziehung der Farbe und der Perfpektive, ja felbft Auflagen aus
natürlichen Stoffen nicht verfchmähen. Auch die theoretifche Literatur ift reich vertreten.

Herrliche Koftbarkeiten birgt die Abteilung der Arbeiten in Gold und Silber. In
diefen Schäden, die zum großen Teil den fürftlichen Silberkammern und Kirchen-
fchäfeen entftammen, zieht noch einmal die Entwicklung der anderthalb Jahrhunderte
vorüber. Audi hier find es diefelben Erfcheinungen: Anfangs fchwere wuchtige For-
men, wie bei den Humpen mit Elfenbeincorpus, allmählich leichter und bewegter
werdend, aber immer die Fläche fchonend, aus deren Grund das Ornament heraus-
getrieben wird (Abb. 30) und dann die fortfdireitende Auflöfung und Bewegung der
Fläche bis zu den flimmernden, filigranartigen Gebäuden der Rokokozeit (Abb. 31).

Es fehlt immer noch an einer Gefchichte des deutfchen Barock und Rokoko, gefchrieben
auf Grund ftiliftifcher Unterteilungen und einer Gepnnung, die den ganzen Komplex der
verfchiedenften künftlerifchen Betätigungen als einheitlichen Ausdruck einer großen
formalen Dispoption der Zeit erfaßt. Hier in Darmftadt ließen fich die erften, größten
Richtungslinien feßftellen, nach denen man den Gang der Unterfudiung einzurichten hätte.1

1 Ein dritter Äuf(a|, in dem Dr. A. Feulner die Plaftik auf der Darmftädter Jahrhundert-Äus-
ftellung behandelt, wird in einem der fpäteren Hefte erfcheinen. Die Redaktion.

Der Cicerone, VI. Jahrg., 14. Heft. 38

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