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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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15. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0572

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AUSSTELLUNGEN

brucks Schaffen ift außerordentlich ungleichmäßig,
und nicht immer läßt fich eine logifdie Entwick-
lung vom früheren zum fpäteren innerhalb feiner
Werke verfolgen: plaftifdi abgeklärte, ruhige
Arbeiten ftehen neben Verfudien, die fidi mit
der Einzelform auseinanderfeßen, ohne immer
ein organifches Gebilde zu vollenden — natu-
raliftifche Lebenswiedergabe neben Stilifiertem,
das nicht immer Ausdruck eines charakterifieren-
den Wollens, einer notwendigen Vereinfachung
fcheint. Da pch aber in allen Arbeiten ein ftarkes
plaftifches Empfinden, eine präzife Beftimmung
der Form ausdrückt, die pch besonders in den
graphifdien Blättern zu Arbeiten verdichtet, in
denen Ausdruck und Form reftlos zur Harmonie
miteinander verfdimelzen, fo ift anzunehmen,
daß die Ungleichheit der Plaftiken mit einer
taftenden und fpäten Entwicklung des Künftlers
zu deuten ift, die dennoch zu pch felbft und da-
mit zu einer meifterlidien Reife gelangen wird.
Am gefchloffenften erfcheint er vorläupg in feinen
Frauenbüften, in denen breite Flächen mit groß-
zügigem Emppnden für die Gefamtform gegen-
einander abgefeßt pnd. Von den ftilifierten
Werken ift das kniende Mädchen am erfreulich-
ften, da hier die betonte Schlankheit und Länge
organifch mit der blumenhaft zarten Haltung,
dem Mädchenhaften der ganzen Vipon zufam-
mengeht. Weit weniger glücklich wirkt fie in
der aufrechten Frau, die ganz um der einzelnen
plaftifchen Werte des Körpers willen gefchaffen
wurde und bei der die Stiliperung wie ein äußer-
lich hinzugefügter Manierismus wirkt; außer-
dem hat das Auseinanderziehen der Formen
hier zur Folge, daß die Einzelheiten unverbunden
nebeneinander ftehen und kein einheitlicher Or-
ganismus zuftande kommt. In den leßten Ar-
beiten für Köln, auch in der Badenden, ift der
Bewegungsreichtum wefentlich verftärkt, die
Körper dreidimenponal mehr durchgefühlt, und
troß der Stiliperung die Großzügigkeit des Ge-
famtaufbaus, des Umriffes bewahrt. Hier fcheint
mir für Lehmbrucks Kunft der Anfang eines
Weges, der ihn zur Höhe führen könnte.

Otto Grautoff.

WIEN Die 39. Jahresausftellung der
„Künftlergenoffenfchaft“ und die Früh-
jahrsausftellung der „Sezeffion“. Die
Gaftausftellung der ungarifchen Künftlerver-
einigung „Müveszhäz“, die in Budapeft etwa
den landläufigen Begriff der Sezeffion vertritt,
innerhalb der Jahresauspeilung der Künftler-
genoffenfchaft ift zunächft als ein kunftpolitifches
Ereignis zu verzeichnen. Die Einzeldiarakteri-
ftiken der namhafteften Mitglieder diefer Ver-
einigung pnd in den Budapefter Berichten diefer

Zeitfchrip zu finden. Entfcheidende Äußerungen
einer überindividuellen nationalen Sonderart
vermag der fremde Beobachter in den ausge-
ftellten Werken kaum zu erkennen; es fei denn,
daß man die ungeftüme Leidenfchap und die
technifche Routine, mit der die ungarifchen
Künftler die Errungenfchaften der franzöfifchen
Malkultur fich zu afpmilieren wiffen, dafür gelten
laffen wollte. Kaum ein bedeutender franzöp-
fcher Meifter, der nicht für die hervorragenderen
Mitglieder diefer Vereinigung richtunggebend
geworden wäre: So etwa Monet für Glaß, Re-
noir, dann wieder Raffaeili für Feiks, Vuillard
und Bonnard für Vaszary (der aber „auch
anders kann“) und Cfök, Cezanne für die
meiften — den guten Durchfchnitt diefer Rich-
tung geben die Landfchaften Kofztolänyis;
verfchiedenartige Einflüffe vereinen die Arbeiten
des begabten Kernftock, bis zu den jüngßen
Franzofen, deren Art etwa durch Märffy hier
vertreten ift. Als die ftärkße Perfönlichkeit er-
fcheint mir Rippl-Rönai, deffen Werken mit
Recht der breitefte Raum zugebilligt wurde. — Der
reizlofe Verfuch, das in allem übrigen ftereotype,
feltfam anachroniftifche Bild einer Jahresausftel-
lung im Künftlerhaufe auch nur in Umriffen feft-
zuhalten, braucht diesmal kaum erneut zu wer-
den. Unbeftrittener denn je herrfchen in diefen
Räumen die Mode-Porträtiften der Genoffen-
fchap. Die fchlichte Sachlichkeit der Bildniffe
Stauffers verdient in diefer Umgebung ftets
befondere Anerkennung; als Gegenbeifpiel leerfter
Effekthafcherei, die felbft alle technifche Solidität
vermiffen läßt, fei Adams’ Kaiferbild genannt.
Die von zarter Stimmung erfüllten Landfchaften
Becks, Brunners und Windhagers gewähren
auch diesmal dem unftät wandernden Äuge einen
willkommenen Ruhepunkt. Sterrers ernftes
Ringen nach Monumentalität, dem auch an diefer
Stelle achtungsvolle Teilnahme nie verfagt ge-
blieben ift, hat den begabten Künftler leider zu
einem manierierten Eklektizismus geführt; feine
riefige „heilige Familie“ zeigt ihn etwa bei Sig-
norelli angelangt.

Die Wahl der Gäfte fcheint im Künßlerhaufe,
wo man im Vorübergehen ein in derÄrtWhift-
lers gehaltenes Porträt Cottets beachten mag,
wie in der Sezeffion völlig dem Zufall unter-
worfen. So fragt man pch vergebens, wodurch
der Spanier Caftelucho, der das marktfchreie-
rifche Gebaren feines Vorbildes Besnard über-
nimmt, den Ehrenplaß im Hauptfaal der Früh-
jahrsausftellung verdient hat, in dem auch dies-
mal die farbenfreudigen Polen Jarocki.Kamocki
und V. Hoffmann reichlich gewährte Gaftfreund-
fchap genießen. Die bedeutendften Wiener Mit-
glieder der Sezefpon, Roux wie immer an der

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