Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

DOI Heft:
Heft 18/19
DOI Artikel:
Literatur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0636

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LITERATUR

finden fcheint, ein Werk des Francesco Mazzola
fei, und benutzt die Gelegenheit, das Werk diefes
Meifters um einige weitere Stücke zu be-
reichern, die er von der Verlaffenfchaft Cor-
reggios abtrennt.

Über die Berechtigung der Zufchreibung jener
Vermählung der hl. Katharina an Parmigianino
kann ich mit dem Verfaffer nicht rechten. Man
müßte dazu eine klarere Vorftellung des Bildes
haben, als ße der jämmerliche Klifcheedruck geben
kann, der das Heft als einzige Reproduktion
„ziert“. Weder im Mittelgrund noch in der Luft,
noch auch in den Falten, dem wichtigften Be-
weismittel, über das freilich der Verfaffer kein
Wort verliert, find Einzelheiten zu erkennen,
fluch über die weiteren Behauptungen läßt fich
aus demfelben Grunde mangelnder Illuftrierung
nicht rechten. Zum ernften Widerfpruch fordert
indeffen dife Methodik heraus. Sind fchon die
Vorftellungen verwunderlich, die Herr Hajdecki
von der deutfchen Kunftwiffenfchaft entwickelt,
und fchüttelt man den Kopf, wenn die Morelli-
fche Methode als etwas fundamental Neues und
außer in diefer Abhandlung nirgends Geübtes
ausgegeben wird, fo muß man vollends ange-
fichts der Refultate diefes Scholions fagen, daß
feiten eine vernünftige Methode falfcher ver-
banden wurde, flbgefehen davon, daß Hajdecki
weder Venturi, noch Faellis Bibliografia Mazzo-
liana, noch endlich Riccis Unterfudiung über
Parmigianinos noch erhaltene Bilder in Parma
auch nur ein einziges Mal nennt (von flffos und
Vafaris Viten ganz zu fchweigen), er geht auch
bei feiner Unterfudiung nicht etwa von den
wenigen für Parmigianino gefieberten Werken,
vor allem den Fresken und Porträts aus, fon-
dern ausfchließlich von dem „Studium des Mei-
fters in der Albertina, wo feine Werke in gra-
phifchen Reproduktionen reichlich vertreten find“.
Man muß wirklich fehr ahnungslos fein, wenn
man auf Stiche des vläinifchen 17. Jahrhunderts
nach Handzeichnungen des italienifdhen 16. oder
auf Reproduktionen des frühen 19. Jahrhunderts
nach einem Bilde, das in einer Privatfammlung
diefer Zeit den Namen irgend eines Meifters
trug, eine Analyfe des Stiles diefes Meifters
gründen will.

ART ET ESTHETIQUE. (Librairie Felix Alcan.)
Rene Jean: Puvis de Chavanne, mit 24 Ab-
bildungen; Emmanuel Fougerat: Holbein,
mit 24 Abbildungen.

Die beiden neuen Bände der bekannten Parifer
Monographienfammlung find von keiner Bedeu-
tung für die deutfehe Kunftwiffenfchaft. Der
Holbeinband, für den es als Empfehlung gelten
foll, daß ein Porträtift wie Mr. Fougerat über

Holbein fchreibt, bringt hiftorifch und kritifch
nicht das mindefte Neue, und bleibt zudem der
künftlerifchen Erkenntnis des großen Deutfchen
ziemlich alles fchuldig. Ift das bei einer fo frem-
den Erfcheinung wie Holbein verftändlich, fo
befremdet es doppelt, daß auch über einen fo
typifch franzöfifchen und in feinem Lande fo ver-
ehrten Künftler wie Puvis de Chavanne nichts
beigebracht wird, als eine langatmige Befchrei-
bung der einzelnen Bilder mit vielen fchönen,
aber eigentlich nichtsfagenden Redensarten unter-
mifcht. Über feine kunfthiftorifche Stellung auch
nur innerhalb Frankreichs verlautet nichts aus-
reichendes. Und bei beiden Bänden ßnd die
recht geringen Illuftrationen nicht imftande, die
Eindrücke des Textes zu verbeffern.

Unter dem Titel: RECHTSPRECHUNG UND
KUNST, ein Proteft gegen die Zenfur, ver-
öffentlicht Jul. C. Brunner im Verlage von
G. Birk & Co. in München ein Schriftchen, in
dem aktenmäßig das Material über die in leßter
Zeit fo häußg erfolgenden Befchlagnahmungen
von Reproduktionen alter und neuerer Kunft-
werke zufammengeftellt wird. Neben dem Ver-
zeichnis der Werke, die der Einziehung ver-
fielen, gibt die Schrift dankenswerterweife audi
eine Überficht über die fo widerfprudisvolle
Reditfprechung einzelner Kammern und eine
Anzahl der wichtigften Erkenntniffe im Wort-
laut. An einer Auswahl von zwölf Abbildungen
befchlagnahmter Werke kann man wieder feft-
ftellen, wie unmöglich es für einen einfachen
Menfchen ift, die Notwendigkeit diefer Ein-
ziehungen zu begreifen.

HEINRICH NATTER. LEBEN UND SCHAFFEN
EINES KÜNSTLERS. Von feiner Witwe. Mit
73 Kunftdrucktafeln. Prometheus-Verlagsgefell-
fchaft Berlin und Verlag für Fachliteratur in
Wien. 1914.

Dem Schöpfer der Denkmäler Haydns in Wien,
Zwinglis in Zürich, Andreas Hofers in Innsbruck
und Walthers von der Vogelweide in Bozen ift
die ftattlidie Publikation gewidmet, zu der die
Witwe des Künftlers einen von fympathifcher
Wärme durchzogenen Text gefchrieben hat, und
die der Verlag mit einer großen Zahl von Ta-
feln ausgeftattet hat, die einen guten Begriff vom
Werke Natters geben, wenn fie auch im ein-
zelnen nicht alle gleich gut geraten find. Es ift
ein glückliches Leben, das an dem Lefer vor-
beizieht, von der Kindheit in ärmlichen Verhält-
niffen an über die handwerksmäßige Betätigung
als Holzbildhauer, die auch in den häufigen Mo-
menten der Not dem jungen Kunftfchüler aus-
helfen mußte, der fich durch die Ateliers von

604
 
Annotationen