Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0643
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Heft 20/21
DOI Artikel:Redslob, Edwin: Weimarer Maler im 19. Jahrhundert, 1: Friedrich August Martersteig
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FRIEDRICH AUGUST MARTERSTEIG
FR. Ä. MARTERSTEIG, Die Parifer Revolution des Jahres 1848
lebenden Bildwirkungen jene überragende, gerade an der Oper zu Paris unter Hilfe
der Hiftorienmaler fo glänzend betonte Bedeutung gab. Das ift das zeitlich Ge-
bundene feines Künftlertums — das ift das Epigonenerbe Weimars und fein Tribut
an die hiftorifch rückblickende Art des Jahrhunderts der Bildung.
Er wird eine doppelte Natur: arbeitfam, innerlich, gewiffenhaft in feinen Hiftorien-
bildern — beobachtend, unmittelbar, faft flott in feinen Porträtzeichnungen. Ohne wohl
zu denken, daß er mit ihnen eine künftlerifche Tat erfüllte, warf er fie hin. Kunft
war ihm ja Arbeit und Entfagung geworden — und hier war Laune und Leben. So
zeichnete er die Freunde des Schlüffels, jener Weimarer Mittwochs-Gefellfchaft, die in
gefelliger Zufammenkunft Kunft und Wiffenfchaft durch gegenfeitige Vorträge fördert,
fo zeichnete er die Brüder der Loge, und beide Sammlungen — die eine in der groß-
herzoglichen Bibliothek bewahrt, die andere in den Räumen der Loge verteilt — ent-
halten troß ihrer Befcheidenheit das Lebensvollfte feiner Begabung.
Und dann gibt es Werke von ihm, in denen fich Beobachten und Geftalten vereint
reife, abgefchloffene Werke von bleibendem Gehalt. So die Parifer Revolution um
1848: unmittelbar beobachtet und doch in ihrem hiftorifchen Gehalt erfaßt. So das
Bild feiner Frau mit ihren zwei Kindern, in das er alle Liebe hineinlegte und das er
durch die Bilder des Hintergrundes: das Selbftporträt und das Bild Huttens, wie er
kampfesftark durch die Felder reitet, zum Bekenntnis erhob. Sie muß ihm viel Troft
gegeben haben, diefe fchöne, ernfte Frau — ohne fie wäre er einfam gewefen, denn
er ftand als Künftler allein.
Die Hiftorienmalerei fank an Bedeutung und an Wertung, denn den Weg feines
Freundes Menzel zu gehen, zu einem impreffioniftifch unmittelbaren Erfaßen der Ver-
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FR. Ä. MARTERSTEIG, Die Parifer Revolution des Jahres 1848
lebenden Bildwirkungen jene überragende, gerade an der Oper zu Paris unter Hilfe
der Hiftorienmaler fo glänzend betonte Bedeutung gab. Das ift das zeitlich Ge-
bundene feines Künftlertums — das ift das Epigonenerbe Weimars und fein Tribut
an die hiftorifch rückblickende Art des Jahrhunderts der Bildung.
Er wird eine doppelte Natur: arbeitfam, innerlich, gewiffenhaft in feinen Hiftorien-
bildern — beobachtend, unmittelbar, faft flott in feinen Porträtzeichnungen. Ohne wohl
zu denken, daß er mit ihnen eine künftlerifche Tat erfüllte, warf er fie hin. Kunft
war ihm ja Arbeit und Entfagung geworden — und hier war Laune und Leben. So
zeichnete er die Freunde des Schlüffels, jener Weimarer Mittwochs-Gefellfchaft, die in
gefelliger Zufammenkunft Kunft und Wiffenfchaft durch gegenfeitige Vorträge fördert,
fo zeichnete er die Brüder der Loge, und beide Sammlungen — die eine in der groß-
herzoglichen Bibliothek bewahrt, die andere in den Räumen der Loge verteilt — ent-
halten troß ihrer Befcheidenheit das Lebensvollfte feiner Begabung.
Und dann gibt es Werke von ihm, in denen fich Beobachten und Geftalten vereint
reife, abgefchloffene Werke von bleibendem Gehalt. So die Parifer Revolution um
1848: unmittelbar beobachtet und doch in ihrem hiftorifchen Gehalt erfaßt. So das
Bild feiner Frau mit ihren zwei Kindern, in das er alle Liebe hineinlegte und das er
durch die Bilder des Hintergrundes: das Selbftporträt und das Bild Huttens, wie er
kampfesftark durch die Felder reitet, zum Bekenntnis erhob. Sie muß ihm viel Troft
gegeben haben, diefe fchöne, ernfte Frau — ohne fie wäre er einfam gewefen, denn
er ftand als Künftler allein.
Die Hiftorienmalerei fank an Bedeutung und an Wertung, denn den Weg feines
Freundes Menzel zu gehen, zu einem impreffioniftifch unmittelbaren Erfaßen der Ver-
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