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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft 20/21
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Schwandt, Ernst: Haftung des Verkäufers für Echtheit im Kunst- und Antiquitätenhandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0654

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HAFTUNG DES VERKÄUFERS FÜR ECHTHEIT IM KUNST- u. ANTIQUITATENHANDEL

verbrechen kann aus den begleitenden Um-
ftänden [ehr wohl entnommen werden. Be-
fonders im Antiquitätenhandel dürfte eine ftill-
fchweigende Garantie häufig fein, da hier der
Wert, ja die ganze Individualifierung des Gegen-
ftandes oft fo wefentlich von der Echtheit ab-
hängt, daß niemand ihn ohne ficheres Vertrauen
darauf kaufen würde. Man denke z. B. an den
Verkauf eines Hutes Friedrichs des Großen. In
einem folchen Falle muß die Echtheit ohne wei-
teres als zugefichert gelten.

Hat jedoch der Verkäufer den Käufer argliftig
getäufcht, indem er ihm wider befferes Wißen
dieVerpcherung gegeben hat, der von dem Käufer
als Autorität befonders gefchäßte Profeffor N. N.
habe fich für die Echtheit des Gegenftandes aus-
gefprodien, fo kann der Käufer fchon wegen
der bloßen Täufchung Aufhebung des Kaufes
verlangen, ohne daß es auf die Frage der Echt-
heit ankommt. Zweifellos haftet der Verkäufer
dafür, daß der Kaufgegenftand keine Fälfchung
ift, d. h. gar nicht antik ift, fondern erft in neuerer
Zeit zum Zwecke der Täufchung hergeftellt wor-
den ift; denn in diefem Falle kann eine die
Haftung ausfchließende Verkehrsfitte keineswegs
angenommen werden. Unbedenklich wird man
auch dem nicht fachverftändigen Käufer einen
Gewährleiftungsanfpruch gegen den Verkäufer
zubilligen müffen, wenn er an Stelle des Kunft-
werkes, das er zu kaufen wähnte und noch dazu
mit hohem Preife bezahlt hat, ein ganz minder-
wertiges Machwerk erhalten hat, dem nach dem
einftimmigen Urteil aller Kunftverftändigen jeder
Kunftwert abgeht.

Da nach den obigen Ausführungen die Be-
fchränkung der Haftung gerade darauf beruht,
daß die Echtheit ßch oft nicht mit Sicherheit
feftftellen läßt, fo fällt die Befchränkung fort,
wenn eine pchere Erkundigung über die Her-
kunft möglich ift. Dies ift namentlich bei neu-
zeitlichen Kunftwerken und unter diefen wiederum
befonders bei folchen lebender Meifter der Fall.
Hier ift fchon in der bloßen Nennung eines Na-
mens eine Zuficherung der Richtigkeit zu er-
blicken (Lenel in Jher. Jahrb. Bd. 44, S. 18).

Intereffant und unter Umftänden fchwierig iß
in den Fällen, wo es auf die Echtheit ankommt,
die Entfcheidung der Frage, wie weit man ein
Kunftwerk als echt bezeichnen kann, wenn Über-

malungen vorliegen oder wenn der Meißer nur
einen Teil des Bildes felbft ausgeführt hat, der
Reß aber von der Hand eines Schülers oder
Gehilfen ftammt. Laßen die Übermalungen noch
den „Charakter der urfprünglichen Schöpfung“
(Köhler) erkennen, fo heben fie die Echtheit nicht
auf. Ebenfo verhält es ßch, wenn das Bild in
der Hauptfache vom Meißer ausgeführt iß und
die Mitarbeit der Schüler oder Gehilfen ßch nur
auf Nebendinge erftreckt. Hat dagegen der
Meifter das Bild lediglich entworfen, ein anderer
es aber ausgeführt oder hat der Meifter an dem
von einem anderen gemalten Bilde nur die leßte
Hand angelegt oder einzelne Details ausgeführt,
fo wird man es nicht als eine Schöpfung des
Meifters anfehen können.

Wenn, wie dargelegt, der Verkäufer einer An-
tiquität ufw. nur in befchränktem Maße für die
Echtheit haßet, fo iß er aus demfelben Grunde
auch in feinen Anfprüchen gegen den Käufer
befchränkt, falls fich etwa nach dem Verkauf
herausftellen follte, daß der verkaufte Gegen-
ftand wertvoller ift, als er dachte. Hierher ge-
hört eine Entfcheidung des Reichsgerichts vom
2. Oktober 1913 (mitgeteilt im „Recht“ 1913,
Nr. 2963), die allerdings infofern eigenartig liegt,
als fie auf der Feftßellung beruht, daß der Ver-
käufer das Gemälde in bewußter Unklarheit
über die Urheberfchaß veräußert hatte. Es han-
delte fich um ein Bild, das den vom Verkäufer
für nicht zutreffend gehaltenen Namenszug R.
(Rembrandt) trug und im Verfteigerungskatalog
als von Govaert Flinck herrührend bezeichnet
war; außerdem enthielt der Katalog den allge-
meinen Hinweis, daß für die Richtigkeit der An-
gaben keine Gewähr übernommen werde. Nach-
träglich machte der Verkäufer geltend, es fei
ein echter Rembrandt, und focht den Verkauf
an. Das Reichsgericht erklärte den Verkauf je-
doch für vollwirkfam.

Aus den obigen Ausführungen dürfte erßcht-
lich fein, daß die Entfcheidung der Frage, ob
der Verkäufer für die Echtheit haftet oder nicht,
mitunter ihre Schwierigkeit hat. Es ift deshalb
fehr zu empfehlen, nach dem Rat Jofef Köhlers
bei wichtigen Käufen über den Umfang der
Haftung ausdrückliche, am beften fchrißlichc Ver-
einbarungen zu treßen.

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