Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0672
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[Heft 23/24]
DOI article:Walter, Friedrich: Die Sammlung Carl Baer in Mannheim
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DIE SAMMLUNG CARL BAER IN MANNHEIM
befonders Schäfergruppen, Kinderfigu-
ren und Götterfiguren in klaffiziftifcher
Art fchuf, ift in der Sammlung nicht
fehr ftark vertreten. Die künftlerifche
Tätigkeit des bedeutenden Bildhauers
Johann Peter Melchior, der 1779 von
Abb. 3. Laftefel. Frankenthal. (Blindltempel PH.) Höchft nach Frankenthal kam, dort
bis 1793 blieb und dann 1796 nach
Nymphenburg überfiedelte, tritt in Frankenthal gegenüber Höchft etwas zurück.
Aus der Zeit des jüngeren Hannong, ca. 1760, ftammt die fchöne Gruppe „Der
Tanzmeifter und fein Zögling“, von der bis jeßt nur diefes eine Exemplar bekannt
ift; das ebenfo feltene Gegenftück befindet fich in ruffifchem Privatbefiß. Die elegante
Modellierung diefer Gruppe und ihre Entftehungszeit fpricht für den Bildhauer Johann
Friedrich Lück, einen der beften Künftler, die für Frankenthal tätig waren. Von feinen
Kavalieren und Koftümfiguren befißt die Sammlung eine ftattliche Reihe köftlicher
Stücke; fie gehören zum Schönften, was die kurpfälzifche Manufaktur überhaupt her-
vorgebracht hat. Auch in der kulturge-
fchichtlich fo intereffanten Darftellung von
Berufen des Alltags oder von häuslichen
Szenen hat Frankenthal außergewöhnlich
Gutes geleiftet, und die Sammlung Baer
gibt einen vorzüglichen Überblick über
diefes reizvolle Gebiet Frankenthaler Klein-
plaftik. Hervorhebung verdienen nament-
lich der Kaufmann und fein Gegenftück,
die Kaufmannsfrau, beide am Schreib-
tifch einen Brief fiegelnd und von Waren
umgeben, der wandernde Schuhmacher,
eine Wafchfrau mit großem Zuber, ein
präfentierender kurpfälzifcher Grenadier
— gar nicht zu reden von der großen
Reihe der Landleute, Mufikanten ufw.
Auch an mythologifchen und allego-
rifchen Figuren aus der beften Arbeits-
periode Frankenthals ift die Sammlung
reich. Nur Weniges fei ausdrücklich ge-
nannt: Die fchlafende Venus, Der Winter
von Konrad Linck und von dem gleichen Abb. 4. Puttengiuppe. Frankenthal.
Künftler, deffen graziöfe, elegant bewegte (Blindftempel P H und Blaumarke Rautenfchild.)
fiebziger Jahren noch verfchiedene Mo-
delle; berühmt find feine Karl Theodor-
Allegorien. Karl Gottlieb Lück, Sohn
eines Elfenbeinplaftikers und wohl ein
Vetter Johann Friedrichs, tätig 1767 bis
1775, war ein Meifter in Kleinfiguren,
Chinefen ufw. Adam Bauer, der 1775
bis 1778 in Frankenthal arbeitete und
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befonders Schäfergruppen, Kinderfigu-
ren und Götterfiguren in klaffiziftifcher
Art fchuf, ift in der Sammlung nicht
fehr ftark vertreten. Die künftlerifche
Tätigkeit des bedeutenden Bildhauers
Johann Peter Melchior, der 1779 von
Abb. 3. Laftefel. Frankenthal. (Blindltempel PH.) Höchft nach Frankenthal kam, dort
bis 1793 blieb und dann 1796 nach
Nymphenburg überfiedelte, tritt in Frankenthal gegenüber Höchft etwas zurück.
Aus der Zeit des jüngeren Hannong, ca. 1760, ftammt die fchöne Gruppe „Der
Tanzmeifter und fein Zögling“, von der bis jeßt nur diefes eine Exemplar bekannt
ift; das ebenfo feltene Gegenftück befindet fich in ruffifchem Privatbefiß. Die elegante
Modellierung diefer Gruppe und ihre Entftehungszeit fpricht für den Bildhauer Johann
Friedrich Lück, einen der beften Künftler, die für Frankenthal tätig waren. Von feinen
Kavalieren und Koftümfiguren befißt die Sammlung eine ftattliche Reihe köftlicher
Stücke; fie gehören zum Schönften, was die kurpfälzifche Manufaktur überhaupt her-
vorgebracht hat. Auch in der kulturge-
fchichtlich fo intereffanten Darftellung von
Berufen des Alltags oder von häuslichen
Szenen hat Frankenthal außergewöhnlich
Gutes geleiftet, und die Sammlung Baer
gibt einen vorzüglichen Überblick über
diefes reizvolle Gebiet Frankenthaler Klein-
plaftik. Hervorhebung verdienen nament-
lich der Kaufmann und fein Gegenftück,
die Kaufmannsfrau, beide am Schreib-
tifch einen Brief fiegelnd und von Waren
umgeben, der wandernde Schuhmacher,
eine Wafchfrau mit großem Zuber, ein
präfentierender kurpfälzifcher Grenadier
— gar nicht zu reden von der großen
Reihe der Landleute, Mufikanten ufw.
Auch an mythologifchen und allego-
rifchen Figuren aus der beften Arbeits-
periode Frankenthals ift die Sammlung
reich. Nur Weniges fei ausdrücklich ge-
nannt: Die fchlafende Venus, Der Winter
von Konrad Linck und von dem gleichen Abb. 4. Puttengiuppe. Frankenthal.
Künftler, deffen graziöfe, elegant bewegte (Blindftempel P H und Blaumarke Rautenfchild.)
fiebziger Jahren noch verfchiedene Mo-
delle; berühmt find feine Karl Theodor-
Allegorien. Karl Gottlieb Lück, Sohn
eines Elfenbeinplaftikers und wohl ein
Vetter Johann Friedrichs, tätig 1767 bis
1775, war ein Meifter in Kleinfiguren,
Chinefen ufw. Adam Bauer, der 1775
bis 1778 in Frankenthal arbeitete und
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