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Heidelberger Journal (65): Heidelberger Journal — 1871

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Nr. 78-102 (1. April - 30. April 1871)
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M 94.

Jlboniumrntöprtis fl. i. 3 Ir. in ^ctbelbetg
fcufcjj bie ^bft fl, 1. 16 fr* btertelialjrtg*

gmtctg, 21*

^I«3d0«t 3 fr* bie ^etitjeife, *ei 2lu$fnnft$*
ertljetlung 4 fr.

1871.

9leuefte 92arfiric&tett.

©erlin, 18. SXprU. 3n bcr geffrtgen (10.)
©ifjung beS ©unbeSratbS führte bcr ©taatSmini*
fler Selbrücf ben SSorf!^. 6$ würben 2J?itt^ci-
iungcit beS ©räffbenten beS fÄei^iStagö »orgelegt
über bie unoeränberte Rnnabnte ber bem Reichs*
tage oorgelegten ©efebentwürfe, betreffenb a) bie
©erfaffung beS beutfeben Reid)eS, b) bte ©infüb*
ruttg norbbeutfeber ©unbeSgcfeße in ©apern. Sie
bte ©orlagen beS fßräffbiumS betref. a) ben ©nt*
Wurf eines ©efe^eS über bie ©enffonirung ber Rti-
litfirperfonen u. f. w., b) ben ©ntwurf einer al-
lerb. ©erorbnmtg über bie ©autfonen ber ©eamten
ber Rtilitär- unb ©Jtarfneoerwaltung, c) bie Re*
gelang bcS RbrechnungSwefenS über bie Sabafffeuer,
fowie d) ein Rntrag ©apernS betreffenb ben ©nt*
Wurf eines ©efefjeS wegen Rfchtfgßellung ber gaf-
bes feßt für baS beutfebe Reich geltenben
©trafgefeftbucbS gingen an bte betreffenben RuS*
Knuffe. Rusfcpußberichte würben erffattet übet 1)
ben ©efe^entwurf wegen ©effhaffuttg weiterer ©elb*
mittel Jur ©eßreitnng bcr bureb ben Krieg ocr-
anlaßten RuSgaben; 2) bas Regulatio für 5prl-
patlager; 3) bie gefffteflung ber ju gewäßrenben
ffiergütung auf bie Koffen ber Rübcnjuiferffeuer*
©erwaltung; 4) ben ©ercbelungSoerfebr; 5) bie
©rbbbung beS ©ebaltS ber ©ootSleute; 6) ben
Sau eines |>auptjollamtSgebfiubeS in Hamburg 5
7) ben Antrag SabenS, betreffenb ben ßolleinfc^luß
beS auf fchwefjerifchem ©ebiete belegenen £ljeileS
beS Sa^nbofS ju Konffanj; 8) ben Antrag oon
@a<hfen=©Jleiningen, betreffenb bte SEariftrurtg »er*
jimtter ©leiröbren; 9) bie Rbänberung beS Regu*
latioS für fortlaufenbe ©onten; 10) ben Rbfhluß
eines RuSlieferungSoertragS mit ©roßbritanien;
11) bie ootn Reichstage bei ©eratbung beS ©traf*
gefebbuebes gefaßte Refolution; 12) ©etitionen.

— 19. Rpril. ©fpung beS Reichstages. ©e-
ratbung beS Eintrages ©raun wegen (Srricßtung
eines monumentalen ©arlamentSgebäubeS. gürff
©tSmarcE erflärt: Sie Regierung oerjf äffet nicht
barauf, baS SanbtagSgebäube auf baS ©ntnbffücf
ber ©orjellanfabrif ju »erlegen. ©Benn btefer ©la$
etwa iw Sommer 1872 biSponibel wäre, würben
Vorlagen erfolgen, ©rtnjipieti bürfte feine ©er*
fdjiebenljeit jtoif^en Reistag unb ©unbeSratb ob*
Walten. ©Bir wollen ben Sau groß, fc^on u. wfir*
big auSfübren. Sie Regierungen werben ff<h fei*
ner ©infeitigfeit ^ingetJcw. gürff ©iSmarcf werbe
ff<h an bie ofterreic&tfcbe Regierung wenben, um
bie bortigen ©orarbeften ju benu^en. ©ine ©om-

Sur. ö. SoEiugctr in Sftthtiijen.

©Ber um 8 Uhr SRorgenS burch bie breite 8ub*
wigSffraße gebt, ber wirb einem ältlichen hageren
©Rann begegnen, bem man anftebt, baß er fclbfl
im ©eben arbeitet. Sies ifi Söllinger, baS große
©bänomen oon ÜRündjen, ber©rofeffor ber Stbeo*
logie, baS ©fitglieb ber erften Äammer, ber 3lfar
gegen bie Unfeblbarfett.

SBenn man ibm in’S Sluge fc^aut, wirb man
feltfam betroffen, benn feine SRiette bat etwas @tei-
nerneS an Äälte unb 3)auerbaftigfeit. ©twaS lln*
»erwüfilidteS liegt in berfelben, man weiß auf ben
erflen ©lief, baß bfefer 3Rann atbtjig Sabre alt
Wirb, ©eine äugen finb fühl, über fein ©efiebt
laufen Jene $unbert unb aber ^unbert gältdben,
bie baS ©efiebt bcS ©elebrten cifeliren; bie 8eute
fagen beßbalb: er fei bäßlicb. äüein es fff jene
$äßli<bfeit, bie unS meßr feffelt, als mantbe ©cbon*
beit, weil fie bur^geffffgt iff, weil ber ebenmäßige
©ebanfe ftcb um fo frappanter oon ibt abbebt.

©Senn wir ben alten ffbmäcbtigen |>errn mit
bem meffen, waS er füt bie SBiffenftbaft geleiffet
bat, bann wirb er jum ©iganten; benn bie gäben
ber ganjen 2öeltgefct>ic^tc faßte er mit finget £)anb
jufammen, bie ©abn ber Sabrbunberte bat er in
wenigen 5)ecennien jurücfgelegt. 5Ran möchte glau*
ben, baß ein ©eßbiebtsforßber ber alten 3«it un*

bination mit bem SanbtagSgebäube werbe nicht be-
abfnbtigt. SaS neue ©cbäube foll nwgli^ff nal)e
an bem ©unbeSratb unb bem ©entrum bcr ©ebör*
ben errietet werben. 3)ie Regierung fei bereit
auf jeben aunebmbaren Sotfcblag einjugeben.
©ürbe ber Reichstag eine ©ommiffion ernennen,
fo würbe auch ber ©unbeSratb üßiitglieber baju
wählen. — ©etreffS beS ©arlamentSgebäubeS nahm
ber Rei^Stag fcbließlicb ben injwifdjen eingegan*
genen äntrag ©ernutbS au. fDerfebe befagt: ber
Rei<bStag erflärt bie ©rriebtung eines würbigen
ReicbStagSbaufeS für ein bringenbeS ©ebürfniß u.
fprid)t bem ReicbSfanjler gegenüber ben SBunf<b
auS, baß junäibff bie ©rmittelung eines paffenben
Saupla|eS, bie äufffetlung eines ©rogratnmS unb
bie ©ebingungetr für eine öffentliche Soncurrenj
burib eine auS ÜRitgltebern bcS ©unbeSratbeS, S)e»
legirten beS ReiebStageS unb ©ommiffavien ber
preußtfeben Regierung jufammengefebten ©omnxif*
ften erfolgen möge; ferner erfueht ber Reichstag
bett Ret^Sfanäler bis jur ©ollenbung beS Reichs*
tagS*©ebäubeS für bie tbunlhbffe ©efeitigung ber
Stängel beS gegenwärtigen prootforifchen ßuffan*
bcS git forgen unb erflärt feine ©creitwiUigfeit bie
Stittel jum ©au $u gewähren. @S folgt hierauf
bie ©evatbung beS SlutragS |)arfort bejngticb beS
©infCßreiteitS ber Reichsregierung bei ber portugfe*
ftfehett Regierung wegen beS oon ben portugieff*
(eben ©ebörben am 3. gebtuar 1863 gefe^= unb
recbtSwibrig conbentnirtcn, »erffeigerten ©tettiner
•©arffchiffeS wgerbinanb Rieß". Ser ©unbeScom»
ntiffär oon fßbiUppSborn bemerft, baß bie portu*
gieftfebe Regierung äßeS getban habe, um benbtef*
fettigen gorberungen geregt ju werben; baS Re*
fultat ber noch nicht beenbigten Unterfucbung müffe
jeboch abgewartet werben, weßbalb er bitte, beit
äntrag abjulebnen. gürff ©iSmarcf fließt ftch
ber äuSfübrung beS ©unbeScomntiffärS oon ©bi‘
lippsborn an, unb fpricht feine ©efriebigung über
bie «Stellung beS äntrageS überhaupt aus, ba bie
portugiefffche Regierung barauS erfehett würbe, baß
bie äufmerffamfeit ber beutfeben ©olfSoertretung
auch hinauf gerietet fei. ®ie portugiefffche Re*
gierung werbe an bem ©ntßhtuß ber beutfhen Re-
gierung bie Rechte ber Seutffhen fräftig ju oer*
treten, nicht zweifeln, hierauf wirb bcr ©orßblag
beS Rbg. ©ebrnibt angenommen, wonach hem auS*
Wattigen Rmte bte wetteren angemeffenen Schritte
anbetmgeffetlt werben. — ©rffe unb jweite 8efung
ber ©eratbung beS RntragS beS ähg. ©hulje we-
gen ©ewäßren oon ©täten unb Reifefoffen an bie
SDtitglieber beS Reichstags, gür ben Rntrag fpre*

willfürlich hei feinen ©ubien altert, wettigffenS in
bem ©inne, baß feine ©bdlnabme für baS moberne
Sehen ffh minbert, baß fein ©harfhlicf nur mit*
telhar ftch auf bie Reujcit anwenbet. ©ei ©öHin*
ger iff eS gerabe untgefebrt. ©r iff Kosmopolit
in feber Rihtung, weitläufig im ©erfebr, mobern
in feiner ©elebrfamfeit. Rur in einem ©unft iff
er antif unb baS iff bie ©cbürfnißloffgfeit beS alten
RJanneS. ©eine SJtittagStafel bauert nicht länger,
als anberSwo baS 8äuten jur £afel; ißr Subalt
iff häufig nicht oiel reicher, als bie berühmte Rö*
mer * Rtabljeit oon Kohl unb ©Baffer. Rur bie
außerorbcntlicbe ©ntbaltfamfeit ffhert bie außeror*
bentliche RrhcitSfraft beS greifen ©elebrten. ©Senn
Jüngere greunbe um ißn oerfammelt ffnb unb ffh
wunbern, wie man hei foldjer geiffigen Rnffrengung
fo fräftig bleiben fönne, lächelt ber ©Jieiffer mit
jenem feinen falten ©lief, ber ihm eigen iff, unb
»erffebert, baß er gefunb geblieben fei, weil er fo
oiel gearbeitet, nicht obgleich er cS getban. 2)aS
Reroöfe, baS Ueberreijte, baS wir fo häufig hei
ben griffigen gübrern ber gegenwärtigen Schulen
ftnben, iff in feiner ©erfönlichfeit ohne Jeben RuS*
bruef geblieben.

Unb boch/ welche güöc ßhwerer ©inbrüefe unb
©rlebniffe b«t biefer SRann jufammengefaßt, burtb
welche ©Belt ber erfhutternbffen ©egenfäfje bat er
fein Beben blngefübrt, wie brannte ber ©oben, auf

. eben ©Binbtborff, ©ebel, ©amberger unb ©ölef, ba-
gegen ©raf Rittberg, gürff ©iSmarcf hält eS für
fhwierig, biefe ©erfaffungsoeränberung burch ben
©unbeSratb ju bringen. ©?enn bie ©olfSoertretung
alle tüchtigen Kräfte in ffch oercinigen folle, fo
feien furge ©arlamente notbwenbig 5 erfabrungS*
mäßig aber feien biätenlofe ©arlamente bie ffirjes
ffen. ®ie Debatte wirb hierauf um 4 Ußr oer-
tagt. Rächffe ©ißung morgen 12 Uhr.

— Sie „©roötnjialcorrcfponbenj" erflärt: Sie
Rubeutungen ber ©erfaßter Regierung, als ob
beutfherfeitS Rnerbietungcn bewaffneter ©inmi»
febung, fogar mit einiger Srtngltcbfeif, gemafbt
feien, entbehren jebeS tbatfächlicben ©runbeS unb
ffnb wobt nur burch baS oermeinttiche ©ebürf*
itiß einer gewiffen ©inwirftmg auf bie öffentliche
©Seinuiig granfreichS becoorgerufen. Sie beutfebe
Regierung habe eS allcrbingS als eine ©b^upflidlt
erfannt, etwaige |)emmniffe, welche ber franjöf.
Regierung bei ©rfüllung ihrer fhwierigen Rufgabe
auS ber ©erpffihtung gegen Seutfcblanb erwachfen
fönnten, möglichff absufCbwä^en. Sie Regierung
habe ber ©erfaitler Regierung Jebe tbunliche ©r*
leichterung gewährt bur^ ©ntgegenfommen bei bet
Rücffenbung ber ©efangenen, burch Bugeftänbniffe
betreffenb bie Sufammenjiebung größerer Sruppcn-
maffen als nach ben griebenSpräliminarien juläffig,
fowie bureß Racbffcbt hei unferen ffnanjieden gor*
berungen, barüher hinaus habe bie beutfebe Re*
gierung eine ©inmifchung Weber angeboten noch
heabffebtigt, unb würbe ffch baju nur bann ent*
fließen, wenn ffe baS Sntereffe SeutfhlanbS ernff-
lid) gefabrbet glaubte.

SBcrn, 18. Rpril. Sie ReoiffonSfommiffion
ffeUt prinjipteU bie ffch nicbcrlaffenben ©erfonen
auch in ©emeinbeoerbältniffeu ben actiocn ©ürgern
gleich. SDic bürgerliche ©b« witb alS ©runbrccht
fallen gelaffen unb baS ©bereit bloß als Sbett
' beS SioilrechtS ber ©unbeSgefeßgebung oorbebatten.
Ser Rrtifel betreffenb bie Rbfhaffuug ber SobeS-
ftrafe fowie bcr Rrtifel betreffenb bie ßonfeffionett
blieben flehen.

©erfniHeS, 18. Rpril RforgenS. 3m Schlöffe
©econ Würben geffern 50 ©efangene gemalt. Sie*
felben würben ttebff anberen in ber Utngegenb ge-
fangenen 3*ifu*genten bisher gebracht, ©fn ge*
panjerter mit Safargenten belebter ©Baggon Würbe
jtt SolombeS genommen. SaS ©erficht, berpreu*
ßifhe ©efeblSbaber habe mit 3«terOention gebrobt/
entbehrt jeber ©egrünbung.

— Sie im ©ois be ©olombcS ffebenben Srup*

' pen ber Regierung haben beute bie 3«furgenten auS

bem er fämpfenb ffanb! Unb bennoch oermochte
biefe ©lutb ibm ni<ht ein |)aar jti oerfeitgen unb
feine ©elffeSrube niht in bie teifeffe ©erwirrung
ju fe^en. 3u Jener Seit, ba ©örreS noch in fDfün*
eben regierte, tbeilte SöHinger bie Richtung beffel*
ben, aber wir haben es beinahe ganj »ergeffen über
ben unenbltcben ©erbienffen, welche er ffch Jefct um
bie greibeit beS ©laubenS erwarb. 3^* iff ®bls
linger ibentifh mit ber großen ©ewegung, bie ge*
gen Rom unb bie Unfeblbarfeit in’S 8ebcn trat;
unb bie ©ohne ber Jüngffen 3fit werben faum oer*
flehen, baß er Jemals etwas anbereS bebeutet hat.

Sen erflen Ruhm erwarb ffch Söffingtr als
8ebrer; halb waren feine Schriften in ben £mnben
fämmtlicher Sbeologen. ©Benn bie Kircbcngeffhitbte
auch fein efgentlichffeS gacb blieb, fo griff feine
©elebrfamfeit boch weit über biefen Rahmen hinaus
unb ergrünbete bie 3&een, bie im tbeofrattfehen
Subentbum oerförpert waren, unb bie ©ulturformen
ber beihnifeben ©Belt mit gleicher pbilofopbifcbe*
Siefe. Sie |>elbentbat feines SebettS aber, bie »oße
©rate feines Ruhmes war erff bem ©reifenalter
oorbebalten, eS war bie unoerjagte, unbeffegte unb
unabänberlicbe Dppofftion gegen baS iüngffe ©on*
eil. ©Bie Sötlinger ber erffe war, ber bie 8ebre
oon ber Unfeblbarfeit unb bann ben öfumenifeben
©barafter beS ©oncils mit furchtbaren ©Baffen be*
fämpfte, fo iff er Jefct ber lefcte große Rame, ber
 
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