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Heidelberger Journal (65): Heidelberger Journal — 1871

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Nr. 205-230 (1. September - 30. September 1871)
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M 215

JUmracmttttsvrcif 45 Jfreuget in £ett>elberö
burdj bte pojl 57 Äreujer »iertetiäl>rtß*

«Dttttfootf), 13. @eptembet\

^n3figeti 3 fr, bie ^etüjeife, bei Äuöfunffö*
erf^eilimg 4 fr.

Selegvapfjifßie Sladjncßten.

ÄBetlin, 11. ©ept. Sic „fRorbbcntfchc 2lßge-
meine Bettung" bejeiepnet bie SRitthetlung oerfdßes
bener Blätter, baß bic Dbetlettuttg ber Bergbau*
»etpliniffe in @ifaß=8othringcn bem Dberbergamt
Sonn übertrageu fei, als unrichtig, nnb fügt pinjn
ootläußg fei erfi ein höherer Bergbeamter BreußettS
beauftragt, ftch über bie bortigen Berhältniße ju
informiren uttb baS SRefultat ju berieten; bis ba-
bin bürfte bie Sage ber Bergangelegenbeiten oon
©ifaß=8otbringcn unoeränbert bleiben.

Stuttgart, 11. ©ept. Ser beutfebe Kaffer
fowie ber ©roßberjog unb bie ©ro^^erjoflftt oon
Saben fommen beute jum ©eburtstagc ber Königin
Qlga (jugleid) BamenStag beb KaiferS oon Buß*
Ianb) nach ^riebric^öljafcn, wo ein gemeinfchaftli*
<beö SRtttagSmabl fiattftnbet. Sie Königin ber
Jctcberlanbe unb Brinj Slleranber ber Bfeberlanbe
Pnb fa Svfebricbbbafen eingetroffen.

SRünäjcn, 11. ©ept. Sie beutfebe DccupatfonS*
Slrmee beginnt am 12. September ben Bücfmarfcb
in anberwettige ©antonnements; bie baferffepe 2.
Sioifton iß in bie ÜRäbe oon ©eban birigirt.

SBcfatar, 9. Sept. Ser „Sßefntar. Btg." j«-
folge tvirb bab 5. tbüringifepe 3nfanterfe.!Regimcnt
5Rr. 94, ber 22. Sioifton angeb'orenb, am 23. ©ept.
Oon gagnp ben SRuefmarfep antreten.

SParlS, 10. ©ept. ©eneral Bianteußel ifi in
BerfaifleS eingetroffen, um ben Bräftbcnten ber
fRepublif ju benachrichtigen, baß bie [Räumung
ber Baris junaepß liegenben oter Separtementb
begonnen I>atic. SlbenbS wohnte ber ©eneral einem
Siner bei S^ierö bet, ju welchem ga^Ircidftc Se-
puttrfe, barunter bic ©enerale Sucrot unb ©banjp,
gelaben waren. — Ser „glgaro" melbet ben beute
BtorgenS in SDiaffon Saßtte erfolgten Sob beb 3lb-
miralb BouetcBißaiimej.

©riiffel, 10. ©ept. Sic „©toile beige" jefgt
an, bap bie Bereinigung ber 3Ka[cbinenfabrilbeftber
befcploßen habe, bie gabtifett oom 12. b. ab ju
fcplfeßen, wenn bie Slrbeiter nicht ju arbeiten an-
fangen.

©riiffel, 11. Sept. Sem ,Journal be Btu*
reue^" jufolge ifi in golge ber Bcclamationen bet
belgtfcben [Regierung bie Quarantäne für bie pon
Slntwerpen fommenben ©(piffe Seitens bet ftalie*
nif^eit ^Regierung aufgehoben worben. Saffelbe
foß ©eitenS ber fpanifepen [Rcgfernng gefebepen.

SJonßantittapel, 10. @ept. Ser SRußefcpat
©etwet ©ßenbi iß jum Bafcpa erhoben unb jprn

Bltttlßer beS SluSroäriigen ernannt worben. 9iach
Sllbattlen würben neue Sruppen entfanbt.

SSa§ Scheutet Sehern?

@o bürfen wir unS wohl in tiefen Sagen fra-
gen, ba jum erfien SJlale ber ©ebac^tniptag ber
großen Kapitulation wiebergefehrt ifi: jener Kapt*
tulation, bei bereit Kttnbc wir oov SapreSfrlß un-
fern Singen unb Dtjreu nicht trauen ju bürfen
glaubten, niept getraut hätten, wenn nicht bie freube-
ftrahlenben Büge eines 3eben, bie Blaßen, welche
jubelnb bie Blafate umbrängten, bic falfcrlidie
Unterfdjrift unS getagt hätten: feilt Sraunt iß’S,
fonbern t>oHe SBuhrheft! SllS wir int 3uli 1870
in ben Krieg gefiürgt würben, ba ging baS ©ine
©efühl burch alle Ijerjen: wir muffen ftegen;
Wäre cS anbcrS beßimmt, fo gäbe eS feine ©eteip*
tigfeit mehr auf ©eben! ©in „wahnftnnigcS 93er*
brechen" hatte felbfi ©eneral Srochu ben Krieg
genannt,’ felbfi bte granjofen, fo oiel ihre noch
ruhige ©rwagung ftch bewahrt, fahen baS Strafe
geriet für ben greoet ooranS. Unb eS fam, no^
gewaltiger, als wir mtr je gehofft hatten. Set
Kaffer follte an ftdj felber empfinben muffen unb
baS herbe 8ooS haben, bei bem Könige um ©nabe
flehen ju mü|fen, bem er bie emporenbjien Bumu-
thungeu gemalt hatte. Ser ©laubc an bte jttt-
liehe SBeltorbnung war eS, welcher bei ©eban neue
Kraft empfing, unb mit ©tclj gebcnfen .bie Seut-
fc^en beS SiChterworteS:

(SS fdjeini, bie SBelt bebarfS su Betten,

Saß burch fte hin mit SBaffenfchtoang
©emaltig bte ©ermanen fdjreiten
3Rtt SJlichtetfihwett unb ShidfalSgang.

Slber neben btefer allgemeinen Betrachtung brangt
ft^ tmferem ©efchlechte no<h eine anberc auf, bie
näheren Bejug gcrabe ju unferen ©ef^iefen hat
Siicht ettoa bloS Siapoleon’S III. ftnb wir bei @e-
ban $err geworben, fonbern eine größere IRechnung
fchtoffen wir ab, bic mit ber ißertobe franjöftf^en
SolfSlebenS, welche bnräj baS Siapoleonenthum
überhaupt bejeldjnet ifi. 3tn 18. Bahfhunbert ge*
noß gtanfreich bie grüihte ber ©taatSfnnfi 8ub-
wigSXIY. bis 1756 unbeftrttten: gefiü^t auf feine
mächtige Sd^efnficttung fprach eS in beutfehen Sin*
gen oft baS entfeheibenbe SBort, annefiirte eS baS
langft oon allen ©eiten umfiellte Sothringen, fonnte
eS felbfi wagen, feinen baperißhen ©chühltng
als Karl VII. auf ben beutfehen Kaifertßron fiei-
gen unb bafür ßch alle ©roberuitgen jußchern ju
laffen, welche cS im Kampfe gegen SRaria Sherefia
am fRljein unb in Belgien ma^cn würbe! Slber

Sw jförjiws-iutjunltt.

(gortfefenng.)

@o lange man baS Schloß bcßchtigte unb
Bella in ihrer finnigen SBeife gleichfam an jeben
gußbreit Boben ©rinneruitgen an ihren theuren
Bater unb ihre Sugenb fnüpfie, mochte oieHeicht
ein ©chimmer oon petfonllchem Bnterejfe für ben
eerjlorbenen greunb tn bem fiegationSrath aufbam*
mem. SllS jeboch Seßn *&re Begleiter burch ben
©chloßgarten ln gelb unb SBalb htnauSführte unb
auf äiemlich uncioiltftrten Ißfaben über ©tocl unb
©tein, über gclfen unb burch ©fluchten Heiterte,
um ihnen ©cbönbetten §u gefgeu, für welche ber
blafirfe SegationSrath Weber ©imt nnb Ber^änbniß
hatte noch f«!enb efn Sntercffe taffen lonnte; als
mehrere Berfuche, ft<h ber Konoerfation ju hemach-
tigen unb bie 5tcbe auf SuiShevg ju bringen, an
ber ßehhaftigfeit f^eiferten, Womit Bella halb hier-,
halb bortbin rannte, unb feine Slnbcutungen, baß
eS nun beS ©eljenS unb ©ehettS genug fei, fein
©cßör fanben; — als bie ©tiftsbamc, welche er
nnmutl)ig gebeten, biefem thörfchten ermübetiben
|)erumf(hweifen ein @nb.c JU machen, ihm mit welj-
müthigem Sächeln erwiebert ^atte: „Su liehet Fim-
mel, Baron! SBarum benn bem armen Kinbe einen
©emiß oerfftmmern, wornach eS ftch f<h®u fo lange
gefehnt hat? 3fi biefe Ißfetät unb Slnhängli^felt

? nicht wirfltch rührenb?" — ba fanttte ber Unntuth
| beS BormunbeS feine ©ven^en mehr, unb er er= |
| Harte BeHa ununtwunben, baß er ihr feinerfeitS i
\ bie Befannifdjaft mit ihren weiteren ÖiehlingSplähen |
erlaffe, ba Weber fein feines ©chuhwerf, noch fein j
Slthem, noch f««b >&uut berartigen mehrßünbigen l
üöatbwanberungen gewachten fet. !

„Kehren wir nach f?aufe jurücf, meine Sfebe!" ■
bat er bann einlenfenb. „Offen geftanben, ich hin j
mübe, unb au^ graulein o. Singerflein oermag j
ftch mehr auf ben Befnen ju huHcn!"

— »Sch, Baron? Keineswegs — ich hefanb j
mi^ nie heffer," erwieberte biefe. „Sfe herrliche |
©ehirgS* unb SBalbluft hefömmt mir unb meinen f
armen 5Reroen auSgejeichnet unb eS ifi fo htmm= |
lifch fchöu hier in biefer grünen ©infamfeit!"

„33o ©elh unb IRoth unb Burpur übrigens i
haußgeriß, als baS®rün!" murrte £)evt 0. |)irfch= !
: felbt, unb ßieß mit bem guß baS gefallene 8auh f
; oor ftch her. _ __ j

— „3a, unb eben biefe guffc unb ßRannig* j
; faliigfeit ber garhen iß ja reijenb l" flötete bie !
: ©tiftSbame fentimental.

„Slber ©ie werben in biefem feuchten 8auh !
i naße güße unb Becbagra hefommen, graulein!" !
\ — „SBoht fchwerltch, Baron! 3eb höbe mich |

: beßen oetfehett unb ©ummifchuhe angelegt," er* |
wiebevte fte unbefangen. „3<h hübe meine gußbe* !

1871.

. nicht lange währte eS unb eS famen bie Sage
| g r i e b t i <b ’ S beS ©innigen, eines ^errfcherS, beßen
! ©taatSfunß mit überlegener Klugheit granfrei^
als ihr SBcrfjeug gegen bie Bßreicißfche Heherraacht
gebrauchte, ohne ihm babei einen gußbreit bent-
jehen BoCcnS pretSjugehen, unb halb bereitete er ben
granjofen baS f^limmße 2ooS, baS einer ©roßmacht
jußoßen faitn, iitbcm er fte bei IRoßhach förmlich
lächerlich machte. ©S minberte biefeS herhe Uu*
glücf nicht im äRfttbeßen bfe leicht begreißiehe
fache, baß ber König, ben ©emolmbeiten feiner 3«'
genb treu, bie franjoßfehe Siteratur Iwber ßcUte,
als bfe beutfebe,* benn gerabe er tfjat ©roßeS burch
feine ©fege, um biefe ©ebunbenheit unfrer Bilbung
ju l'öfen, welche ein ©rhiheit ber entfehlichen Ka*
taßrophe beS 30jährigen Krieges war; fprach er
bo<h felber baS B?ort, baß ber erwarte ©hrgeij
unfereS BolfeS biefe Slbhängigfeit nicht lange mehr
ertragen Werbe: „ich hin wfe SRofeS, ich fehe baS
gelohte 8anb in ber gerne, bo<b ich bin ju alt,
um cS je ju betreten." Soch noch in feinen Sagen
würben bic geßeln gefprengt burch ©ottfjolb ©phraim
Seffing, ber mit febnetbiger SBißenf^aft äße
©ehrechen ber franjößßhen Siteratur hloS legte,
ihre mcchanifche Slrt, ihre gcißlofe IRoutine, ihre
Bewegung fit alten, ohenbrefn falfchen ©eieifen.
©eitbem erwarte in ben granjofen baS inßinffioe
©efühl, baß jenfeitS beS IRheinS bie Slnfammfung
eines Kapitals geißiger nnb förperlicher BolfS-
tüd)tigfelt ft^ ooßjiehe, welche ihrer Dhmad)t in
©nvopa äußerß gefährli^ werben mußte. Um
biefe ©ntwicflung jn h«uu«n, barum ließen fte ßcj)
baS napoleonif<hr ©bßent gefaßen, baS ihnen
aße innere greiheit, aßen ©iolj ber Unabhängig*
feit beS ©harafterS nahm unb bafür bie ©loire,
bie unbebingte Sprannei über Seutfchlanb unb
Btalien hot. SBahrlich neben biefem brutalen Sef-
potiSmuS beS erßen fRapoleon, ber aße felhßanbi*
gen [Regungen mit bem Korporalßocf nteberfd;tug,
ßeht felbß ber SlpfoIutiSmuS Subwig’S XIV. noch
glänjenb ba, unter bem hoch bfe geißfge Kultur
noch gebfeh, beßen SRarf^afle hegeißert waren für
ihre Nation unb ihr Königtum, wäfjrenb bie faif.
©enerale fein anbeteS ßtel hatten, als ß<h felbß
ju bereichern. SllS bfeS erreicht war, ßelen ße oon
ihrem ©ehieter fchmälßich «b, um ihre fReishthümer
ju genießen. 3Sie ganj anberS ße|t j. B. Surenne
ba, als ber ©chrccfcn Hamburgs, ber entmenfehte
Saoouß! 316er wie fefjr auch einzelne ebleregran*
jofen biefeS ©pßern oerbammen mochten, fo lange
eS äußern ©rfolg hatte, blieb eS aufrecht burch
bie ©unß ber ßRaßeit; unb auch unter ßiapoleon III.

Heibung ben Umßänben angepaßt, wie ich eS oon
ber hochfeltgen gürßin her gewöhnt gewefen, wo
wir auch auf bem 8anbe beßiatje immer im grefen
waren unb ich wich immer treßtich babei Hefanb!"

|>err o. |){rf(hfelbt warf ber ©tiftbame einen
BlicE ju, welcher ein ©emifch oon ©ntrüßung, Ber-
wunberung, gorfchen unb ©eringfehäpung enthielt,
unb war auf bem Heimwege jfemlich wortfarg. 2)ie
^Dämmerung war herntebergefunfen, als man baS
Schloß wfeber erreichte unb Slnfeltn melbete, baß
ber gorßer Knopp fdjon mehrfach bagewefen fet,
um bem £errn SegationSrath feine Slufwartnng ju
machen, unb nach bem 33iner wiebertommen woße.

Bei Sißhe traute fierr o. ^)irfchfelbt aflmählig
wieber auf, unb feine Behaglichfeit fehrte jurücf.
Bet ber oierten ©djüßel plauberte er fogar in recht
oertraulfcher SBeffe. @r erging ftch in ©rinnerun*
gen an feine ©fubentenjeit in ©öttingen, erjählte
manche fröhlichen unb herrlichen Shaten, bie feine
greunbe unb er als ßotte Burfche ocrbracht hatten,
unb worin namentlich Befla’S B«ßa unb ein .fjerr
o. QuiSberg eine heroorragenbe Bofle fpfetten. gräu-
lein o. Stngerßein lächelte in ßd) hinein, ße faß,
worauf ber 8egatfonSrath aöjteite.

„3a, liebes Kinb, ®etn Bater, QuiSberg unb
ich, wir waren bie Unjertrennlidjen," fagte
o. |)irf^felb. „Sein Bapa war ber Stefcbße, icp
ber llebermüthtgße, QuiSberg ber ©eißooßße tmb
 
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