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Heidelberger Journal (65): Heidelberger Journal — 1871

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Nr. 257-282 (1. November - 30. November 1871)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25214#1053

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gür bie äRonate SRoUcmbcr unb Des
gentbet werben ©eßellungen auf baS Jtmbelberger
Journal für auöwärt# bei ben betreffcnbcn ©oß*
anßalten, unb ^ter bei ber ©rpebition unb ben
Prägern entgegengenomraen.

©reis für f)ier mit Drägerlohn 38 fr.

„ burch bie ©oß 38 fr.

Die ©fpcöition.

Uelegraj^iföe Sftacßticfjten.

©erlin, 2. [Roo. Der Äronpring beS beutfcben
[Reiches ift heute fRacßmittagS l)ter wieber dnge*
troffen.

Seipjig, 2. [Ro». |KUtc l)at b)ierfefbfi ber
fefllicbe (Sinjug ber Seipgiger ©aritifoii ßattge*
funben.

ß^emni^, 2. [Ro». Der Slrbeiterßrife bauert
fort.

©erfaißeS, 2. 5Ro». Die „2lgenceHa»aS" rnel*
bet, baß ber HanbelSoertrag mit ©nglanb nicht
gefünbigt, fonbern nach nunmehr ergteltcr 95erfiän-
bigung nur mobißgirt werben wirb; He ®runb*
güge ber gu treffenben Slbänberungen wären bereits
theilweife fefigeftcßt. — DaS ©etücfjt, wonach bie
[Regierung baS allgemeine Stimmrecht gu befchrän*
len gebuchte, wirb für grunbloS erflärt. — ©har-
IeS gerrp hat, entgegen ben «IRelbungen mehrerer
©lätter, noch nicht bie «EBdfung erhalten, ©orftca
gu »erlaßen.

B. C. 9tetdj§eorat>etens.

3ur ©ompeteng beS [Reiches gehört unter Sin*
berm nach 3lrt. 4 sub 13 ber ©etfnßung „bie ge-
nieinfnme ©effpflebung über baS Dbligatfonenrtcht,
Strafrecht, ^»anbetSs unb Söecbfdrecbt unb baS ge»
tichtliche ©erfahren." SBie fcpon früher wirb auch
in biefer Seffion beS [Reichstags oon nationalltbe*
xaler Seite ein Antrag eingebracht, ben obigen
Slrtifel bergeßalt gu änbern, baß bie ©ompeteng
bes «Reiches' auf baS gefammte bürgerliche [Recht
unb bie ©cricbtS = Drganifation auSgebehnt werbe.

Der Slntrag fpricpt für ftch felber, »oßßänbige
SRechtSeinheit im beutfchen [Reiche iß eine abfolute
SRothwenbigfcit, wenn auch bis gu ihrer gänglichen
Herstellung nodj geraume 3«it »ergehen wirb.

Die »erfchiebene ©emeinfamfeiten auf wirth*
fehaftlicben unb anbern ©ebicten werben nur bann
erfi ihren »eilen ©Berti) erlangen, wenn bie [Reichs*
elnheit auch auf bem gefammten ©ebiete beS ©löil*

rechtes unb ber ©erichtSorganifation ihnen jur
Seite fleht.

©d ber ©rünbung bcS norbbeutfchen ©unbeS
im confiituircnben [Reichstag würbe oon nationaler
Seite fcf)oit ber je^t wieber^oltc Slntrag gcficlltunb
nur bet 3ufaß wollte eS, baß wenige Stimmen
bie Sinnahme »erßinberten 3mmer mehr ift feit*
bem bie SBahrnetjmunq gemacht worben, bafj bie
»erfchiebene ber SReidiScompeteng überwiefenen 9Ra*
terien Oer ©efehgebung, wie g. ©. baS Obligation
nenrecht, ftch »ereingelt nicht »erarbeiten laffen,
ohne baß baS gefammte bürgerlid)e [Recht in ©e-
tracht gegogen wirb.

©ntgegen ber ungemeinen Sangfamfeit bem fall
gänglichen Stocfen ber ©efeßgebung »or 1866 ift
feit ber ©rünbung beS norbbeutfchen fßunbeS bie
©efehgebung in gluß gerathen, eine HJlenge ein*
ßußretcher ©efe^c haben im lebten Ouinquennium
Deutfdjlanb ber [RechtSeinhcit bebcutenb näher ge*
führt, ©in f)emmnifj, weites auf Schritt unb
2witt jiötenb in ben 2Beg tritt ift bie befdiränfte
©ompeteng im bürgerlichen [Recht, welches bei faß
allen ©efehgebungoarbeiten in SRitleibenfchaft ge*
gogen wirb, ©nthalten Ja boch oft ©efe^c, bie über
gang anbere als jurißlfche Dinge geraffen werben,
tiefgreifenbe ©inwirfnngen in baS ©rioatreebt,
wie 5. ©. baS jefjt befiniti» erlebigte ©oßgefcfc,
baS ©efefj über ©oitfularwefen unb bergl., wogegen
anbere ©efe^e ihre ©rftreefung auf baS ©rioat*
rechtSgebfct ohne weiteres erfentten laffen wir bie
©efejje über bie Slufßcbung ber 3>nS»erbote, über
bie Aufhebung ber Schulbhaft unb bie 35efd)lag-
nähme ber Dtenßl&hne, über bie ©ewährung ber
[Rechtshülfe, über bie prioatrechtlicbe Stellung ber
©enoßenfehaften u. 31. m. DaS gefammte bttrger* 1
liehe [Recht fann ßcß ber Umgeßaltung gu ©unften j
ber ©inhdt nicht entjiehen, unb mu§ beßhalb auch ;
formetl bie ©chvanfe in ber SSerfaffung, bie ftch i
biefer 2lufgabe entgegenßellt fallen, ißractifch wirb ;
fo wie fo bie enge ©ompetenjgrenje nicht gewahrt, j
»ielmehr erflrecft ftch f<h»n Ht ber ®tnf[u§ ber !
[Reid)Sgefehgebung auf baS bürgerliche [Recht jiem« |
lieh Weit, hinter manchem, f^dnbar nur fehr
fpccieücr fßunfte in ben Separatgefehen treten Ißrin*
ctplen »on fehr weiter Tragweite auf baS gefammte
[Recht l)tr»or, wir erinnern hier nur nochmals an
baS fleine ©efe^ über Slufhebung ber Schulbhaft
an baS über bie Haftpflicht für Swbtungen. 5Rie-
manb wirb befireiten, bap burdh bie »erfchiebenen
Separatgefehc Jene ©ompeteHjbcfchränfung fo unb
fo oft Übertritten wirb. Slßein eS iß btefer 3Us
ßattb fetn gefunber, eS entfielt »iclfath etwas

lücfenhafteS, eS übt Jene Schranfe ihren hemmen-
ben ©influfj au^ auf bie Specialgefehe au«.

3Mefem 3ußattbe muß ein ©nbe gemacht werben,
bie ©ompetenj ber [Reid)Sgefehgebung auf baS ge-
fatnmte bürgerliche [Recht unb bie bannt unjertrenn-
liehe Drganifatton bcS ©ertchtSwefeuS muß auch
formell anerfamtt werben, bannt bie wirthfchaft-
lichett ©emeinfamfetten ju ihrem »oßen «ffierthe ge*
langen, unb ber ©efehgebung freiere Hnnb gdaffen
wirb, bamit enblicb eine unbebingt fpäter erforber-
liehe ©obification beS gefammten[ßri»at-
re^teS oorbereitet werben fann.

©er oben erwähnte Slntrag wtU nun bie be-
treffenbe Slenberuttg in ber [Reichooerfaffung her«
beiführett unb ßeht ju h»ffett, baß ein günßfgeS
[Refultat bei ben gefehgebenbett gaftoren erjtelt
wirb, ©erfchiebene Slnjeichen im ©orgelfett ber
einjelnen [Regierung laffen barauf fchlfefjen, baß
fte ftch ber Sompetenäerweiterung ni^t abgeneigt
jeigen werben. 3m [Reichstag lelbß iß, wie »on
©erlin auS gemelbet wirb, bie Annahme bcS 3ln-
trageS gefiebert; felbß»erßänblich tritt bie gefammte
nationalliberale ©artet bafür ein, ebenfo h«t bie
gefammte gortfchrittSpartei ihre 3ußtmmutig erflärt,
ebenfo bie „beutfebe [Reichspartei", bie frühem grei«
confcroatioen, »on ber „liberalen [Reichspartei"
ßfmmt bie URehrjahl unb jWar bie angefehenßen
SRttglieber, barunter »on H»heul»he, ebenfaßS bei.
3)et 3lntrag braucht iii [Reichstage nur einfache
■ÜRaJodfät, im ©unbeSrathe Jeboch ßnb 14 Stirn*
men im Stanbe, bie SBerfaßungSänberung ju »er*
hinbern. ®S iß aber faum atijuttehmen, baß eine
beträchtlicheDppofttion bort ftd) geltenb machen wirb;
hanbelt eS ftch Ja boch barttm, mehr Drbnung auf
bem ©ebiete ber ©efehgebung ju fchaffen unb bie
SRögli^feit ju erlangen, auch formell unb fpßema*
tlfch bem ©rioatrechtSgebicte »on [ReichSwegen bet*
jufommen, wo eine ©inwirfung practifd) unb ßücf*
weife aucl) beim Jeggen 3ußanbc nicht jn »erntet*
ben iß.

Seutfdjlimh.

RarlSrtthe, 3. Do». Seine fvöttigliche §ohett
ber ©roßherjog h«ben mit h»^üei: ©ntfchließung
»om 28. ». 3R. gnäbigß geruht, ben Slmtmann ®r.
Subwig SlrnSperger in Httbelberg jum Ober*
fchulrath ju ernennen.

*HE^c^er0/ 2. [Ro». [Roch »or SRartin »on
©aberbortt unb Seneßrct) »on [RegenSburg, bie
beibe burch ihre jefuitifcheit Sienbenjen befannt ge*
nug ßnb, hat ©ifchof ©lum »on ßimburg bie [Reihe
ber ©rflärungen für bie 3eMten begonnen, bie

gif §mtiii' iUs ilutü.

(Sprtfeßung.)

©S war fpäter [Rachmittag geworben, als er
ium gweitenSRal in bem Tleinen ^aufe am ÜJiarCt*:
plaf; erfchien, einen ©rief in ber Hattb, ben er mitt*
lerweile auf feinem 3immer gefchrieben hatte. Sie
Hausfrau fam ißm oerwunbert auf bem glur ent*
gegen unb wieberljolte ihm ungefragt, baß baS 3Räb*
then nicht ju fpre^en fei. ®och er hielt ihr ben
©rief hin «ttl» erfuchte fte, mit bleichem ©eftcht,
biefeS ©latt an baS gräulein abjugeben, er werbe
bie Antwort erwarten. 2)ie gute 3)ame ging be*
frembet hinauf. gelSctf, »on feiner Ungebulb ge*
jogen, folgte ihr, fobalb ße »rrfdjwunbcn war, unb
ftanb oben auf bem testen Slbfa^ ber SEreppe, hör*
<henb, wie feine Sotfchaft brinnen aufgenommen
Werbe. 2)och Er horte nichts. [Rach einer ©aufe,
bie ihn unmäßig lang bünfte, fam bie Hausfrau
äurücf, erfchracf, als fte ihn fo nahe »or ftch ßehen
fab, unb murmelte etwas wiberwillig, baS gräu*
ffin3ohanna habe ftd) bereit erflärt, ihn noch ein*
Wat ju fehen. gelSecf erwieberte ni^tS. @r ließ
ße bie kreppe wieber hinuntergehen, bann trat er
an bie S^nr ju 3»hannaS 3immer heran, bie nur
angelebnt ßanb. Doch »erfäumte er nidjt ju flo*
bfen. Die wohlbefannte Stimme rief äußerß Wü4*
tern „Hetein*. 211S er nun entrat, fah er ße auf

bem alten oerßhoffenen Sopßa ßhen, tn bemfelben
einfachen bunfelgrauen Äleib, in bem er ße an je*
nem erßen Slbenb fennen gelernt. Die biegfame
©eßalt war etwas in ftch jufammengefunfen, wie
wenn bie plo^liche Uebmafchung feines ©riefS ße
in einen ßülflofen 3«ßanb »erfe^t hätte; bie lang
bewimperten Slugen hatte ße niebergefchtagen. ©r
blieb an ber Dßür ßehen, machte ße hinter ßdj JU
unb fragte mit Slnßrengung:

„Darf ich fommen, Sohanna?"

Sie niefte fo f^wa^, baß erS faum wabmelj*
men fonnte.

„Ste haben meinen ©rief gelefen, 3ohanna?"

DaS [IRäbchen hob ein wenig baS ©latt, baS
fte entfaltet in ben Hauben hielt.

„Sie haben mich geßern nicht reben laßen,
haben mich honte nicht angehört!* fuhr er mit et*
waS jitternber Stimme fort. „2Benn ich 3hnen
ba gefdirieben habe, baß ich nfcht ohne Sie leben
fann unb baß ich 3hnen meine Hanb anbiete, fo
iß eS nichts SlnbcreS, als waS ich 3h»en fhon
geßern hatte fagen wollen. 2lber Sie ließen mich
geßern nicht ju ©Borte fontmen.*

DaS ©Räb^en antwortete nicht auf biefen ©or*
Wurf, fonbern fagte nur mit fcbwacher Stimme:
„Sie fennen mich ja noch fo wenig! ©Bie fönnen
Sie-©S wirb Sie wieber gereuen.*

„SaßenSie baS meine Sache fein!" erwieberte

er. „Um einen ©Renßhen fo gut ju fennen als
noth thut, ßnb oft 3ahre ju wenig unb halbe Dage
gu »iel. ©Senn Sie nur ähnlich fühlen fönnen
wie ich, wenn Ste ben ÜÜRuth haben, mir — mir
3hr SebenSglücf anguoertrauen, fo fagen Sie mir
ein ©Bort!"

Sie fah nun enbtid) ju ihm auf unb »errieth
burch ben erßen ©lief, baß ße alles DaS fühlte,
waS er wollte. Seine liebeglühenben Slugen fehle*
nett ße nicht gu erfchrecfen. „Sich, mein Seben,
mein HEti waren fo leer,* fagte ße leffe,"
»or ß^ hin, als wolle ße ihm erflären,
wie fte ß<b fo fchneü habe entgünben fönnen. „Slber

Sie-©S iß ein Unrecht »on 3h»en, ß<h

mit einem fo armen, uubebeutenben, unglücflichen
©Räbchen gu belaßen!"

„SBollen Sie mich ergürnen?" unterbrach er
ße unb trat auf ße gu. „3$ weiß, waS ich tljue,
3ohanna. 3«h bin — — ©S mußte fo fein!
©Benn Sie mich lieben fennen, fo geben Sie mir
biefe, 3hreHanb unb laßen Sie mich nicht länger
wie einen Sdjulfnaben betteln."

„SBie einen ©chutfnaben!" fagte fte, in feine
Seele hinein »erlebt. Sie ßanb auf unb ßreefte
ihm bie plöfclich gittembe Hanb entgegen; er gog
ße an feine Sippen. „Sich, wie iß nur baS SlßeS
möglich?* feufgte ße tief »erwlrrt, als er ße fei*
ber bann mit beiben Sinnen untßhlang. Die bunf*
 
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