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Heidelberger Journal (65): Heidelberger Journal — 1871

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Nr. 231-256 (1. Oktober - 30. Oktober 1871)
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M 239.

TlbiratitrafKtsprcis 45 Äreujer in £etbel&er«
bat$ bie 9>oft 57 Ärcujcr bierteljiäljriß*

Dfto&er.

Ilnjcigen 3 fr. bie 'petüjeite, bei SluÖfunftÖ*
er Teilung 4 fr.

1871.

XeUavapffi^t Sladjctdjten.

Berlin, 9. Dct. ©raf Slrnim iji ^eute früh
auS sßaii« &ter angefontnten mib im Hotel 9toi;aI
abgepiegen. Ser franjöpfdje ginanjminfpcr !ßou*
S)cr = Duertier t)atte gcPern Slbenb S1/« U. eine Slu«
bfenj bei bem güvjjen StSmarf.

StcSbcn, 9. Dct. ©tner amtlichen Sefannt»
maepung jufolge ip ber gemeinte Supijratp o. Stbe»
fen jum StaatSminiper ernannt unb bemfetben baS
3ufiijminiftcri«m mit bem Sluftrage in Evange-
licis übertragen.

$affnu, 9. Oft. Ser „Sonaujeitung" jufolge
hat ber SlugSburger 93ifiS)of bie Slbftht, beit ©ul«
tuSminiPer o. Lu§ bei ber Slbgeorbitdctifammer
ber SerfaffungSoerlejjuug anjuUagen, weil bcrfelbe
ihm tmb bem (Srjbtfc^ofe oon SRundjen * grepßng
auf 12 Slnfragen, befonbevS bie SReringer Slngcle»
genheiten betreffenb, feine Slntmort ertpcilt habe.

SPan'8, 9. Dct. SaS Kriegsgericht oerurtbeilte
Stoffel mit 6 gegen 1 Stimme abermals jum Sobe.
— Sambrecht, ber StiniPer beS Innern, iP t)eutc
SRovgcn 9 Uhr in golge beS SrucpeS einer ißulSj
abcrgefd)wuljl in SerfalßeS gepotben.

— Heber bie ©enetalSwaplett liegen folgenbe
Staihrichten cor: 3» 8t)on würben fecpS ©anbiba«
ten beS bortigen ©entralfomiteS auf ac^t 2lf>georb-
nete gezahlt. 3« ©iermont fiegte ber |)crjog o.
Sutmale. 3n Stanciße würben fünf Dtabfcale, in
Soulon jwei [Republifane r, in |)aore fünf ©on-
feroatloe unb jwei SJtonar^ifien, in ÜRanteS brei
Semofraten gewählt.

Stjott, 8.Dft. Ser ©crihtSpof hat ben $olenSont«
browöfi alS ^>auptanflifter ber gegen bieSeutfhen
hterfelbfi. oerübten ©rceffe ju 2 Sßonatcn ©efäng«
nfp unb 100 gr. ©elbprafe öerurtheilt*

Laitbott, 9. Dct. 2öie hierher auS Srogl)cba
gemclbet wirb, fatib bortfdbß eine Semonflratfon
oon etwa 10,000 SRenfhcn fiatt, um eine föbera»
lifiifdje [RcgferungSform unb bie ©tnfepung eines
Parlaments in Sublin ju erlangen.

SSRabrib, 7. Dct. 3» ber gejlern Pattgepabten
Serfammlung ber progrefjiften I)ielt 3orißa eine
[Rebe, in welcher er eine Sarlegutig ber Situation
«nb ber oerfepicbenen Parteien gab. Sie ßonfer«
oatfoen, fagt Stcbncr, wollen jurüdgepett, bie auf«
nichtigen ©onPttuttoneßen wollen oorwärtS, anbere
gract onen ohne Ueberjettgttttg »ollen eS mit bei’
ben Parteien halten. So erifitrten eigentlich nur
jwei Parteien, eine HRittelpartet fei unmöglich* IReb»
ner empfiehlt eine fßolitit ber Serföpnung, loht bie

Haltung beS Königs unb rätTj, ben
mit gcfehlidjen SBaffen ju führen.

IReutporf, 9. Dct. Sie SluSjahlung bi
oembercouponS erfolgt bis jum 25. ,b. gejf
fprechenben SiSconfoabjug, fpätcr ohne Slbj

BC. Sic Sihcralen in ber SEßatte

I Sie SBarte pat fpmt Sitel in fübbcutfhe
poft oeränbert, ihren f lei nett Krieg gegengibic T?tbe«
taten pat fte nicht anfgegeben. Sie hat fih jejjt
ju bem ©iauhen befeprt, bap bie liberale gartet
nur um befiwtllen ©rfolge habe, weit fte jugleih
gouoevnemental fei, b. I). weil bie Stegicvung für
eine ©efinmmgSgenofjin unb Segünfifgcrin berfelben
gelte. Stiemanb wirb btefen <5inftu0 unterfchäjjcn,
er mag bewirfen, ba§ bie liberale ißartei in gro-
her Ueherjahl auf ben Sanbtagen erfclfefnt, aber1
Süemaub hätte weniger Urfache, bieS ju betonen
als bie fonferöatioc fübbeutfehe OietchSpo^, cS he»
wetü, baf gevabe it)re gartet überhaupt im SSolfe
fein felbjlffänbtgeS Sehen beftgt, ober boch böcbfienS
tnfofern fte fich ba unb bort an bie Drthoborie
attfiammeri; ba§ baher ein ©vfolg biefer Partei nur
möglich ift, wenn bie [Regierung mit ihrem ©influf)
ju ihr ftel)t, unb il)r gattjer 3ltthang ftd) auf jene
8eute befchrättfi, bie unter allen Utnjiänben mit ber
Stegieruttg gehen, ©ottlob, einer fo hefdaffeiten
gartet gegenüber hat bie liberale boch ftetS ein
(larfeS Sontfitgcnt fdbjlanbtgcr@!emente titnfcbloffcn,
fte hat trop ber Utegferuitg ttttb tu Kampf mit
berfelben mteberholt bte SOtehrheit in ben Kammern,
felbfi unter fchwtcrigen politifchen ®erhältni(fen er-
langt, unb mit ber Kraft ber SBahrhett unb grei-
heit bemaffnet, felbfi bann gefdfoben, wetm ber
orthobore ©onferoatiSinuS ftch fperrte unb flcmmte,
unb öott ber Slegtcrttng gd)ätfchelt würbe.

Sie fübbeutfehe SlcidjSpofl öerurtheilt barauf
bie ©efi’he ber liberalen SlegiertittgSpeviobe. Uebev
bte „guten ©efe^e berfelben öenft fte „fehertfeh."
Sfefer Kefjerglaube bet bett grommett ber fubbeuts
fehen SlciihSpofl geht natürlich in erfier [Reihe gegen
bte ©efefce, welche bte Stellung ber Kirchen im
Staate ttttb bcfonbcrS ber Schule uttb ©he gegen«:
über regeln. Sie liberale Partei hat nie gehofft,
bafs biefe ©efe^e folgen ßeuten gefallen werben,
welche nid)t oerfchmcrjen fonnett, baf bie Kfrdfen-
gewalt nicht mehr im Staat, burd) ben Staat ttttb
über ben Staat t>errfcht. Siefe ®efef$e ftnb aber
eine golge ber freiheitlichen ©ntmidlung ber äöelt,
fte ftnb gar nicht liberale ©rjeugntffe an fld)/ iw-
bem ©eburten ber gefhihtlihen ©tttwidelung oon
Staat unb Kirche; beren ißebürfniü rehtjeitig et-

faniit ju haben, ifl eine Scrbtenfi beS Liberalismus
SSabenS, baS über feine ©rettjen hinauSreiht, unb
oott 3ahr 'ju Sahr fleigenbc Slnerfenttuttg in ber
Shatfahe finbet, bah ger» oöer ungern, bie anbent
Staaten bie gletd)ett 2öege ju gehen, gejwttn|fcn
ftnb. Sitte füfje ©ewohnhfit mag batiiber Kummer
empftnfcett, enger politifher -£>orijont mag ben St«--
bevalett SabettS bie Shulb beimeffen, unb „fej$erifcb"
barüber benfen, aber bajfclbe war fa ber gatl mit
fo oielen Surgen unb ©hlöffcrn alter 3e>t, weihe
lange oertheibfgt, lange conferoirt, boh in Stüde
uttb Srümmer fielen, äöer in biefer ^jinp.ht bie
©ulturgcfhihte ber lebten 50 3al)te fettnf, unb
bfeS follie ein fonferoatioeS Drgatt! — ber ijt brin»
genb gemahnt, bie ßeihett ber 3eit’ ju prüfen, an«-
| fiatt eine ißolitif ber lieben ©ewohnheit ju treiben.

Stber atth bie ScrwaUnngSorgantfaiion finbet
feine ©nabe oor ben Slugen ber fübbeutfhen [ReihS«
pofl. Db frcilth ber Serfajfer beS betreffenben
SlrtifelS ootn 2. Dct. in ber IRummer 3 beS SBlat-
teS überhaupt einen Segriff oon biefer Drganifation
heit, fiept bahin; wahvfheinlih ifl eS uiht; er
^greift fa nur einen, unb jwar einen öerhältnifj-
tnäfig weniger in bie Slugcn fallcttben Shcii „bte
KrciScinthcilung unb bie KreiSoerfgmtnlung" t)er-
rauS unb nennt erpere mtbrauhbar unb leftiere
lobigeborett. SaS ©rftere iP unftnnig, weil eS
feine geographifdje ©itttheiluitg gibt, bie itt biefer
ober jener SRidpttng tnangclIoS wäre, unb niht oott
irgenb einem ©dtwäper unbrauhbar genannt wet-
ben fönnte. Seit ber babifhnt ättePcn Drgani-
fation hat bie KretSeinthellung periobenwetfe öftere
Seränberuttgen erfahren; bie heutige fhliept fth
jietnlih an bie ältePc ait, fft geographtfh oentünf«
tig unb läßt nur eint möglicher SBeife crörterbare
grage ju, bie, ob bie Krcife niht ju flcin ftnb.
Sie Meinungen ftttb getheilt; bah aber ein fiettte-
reS Lattb bte 3abl folhcr Krcife niht auf ganj
wenige behränfen barf, ip jefcem Sßernünfifgeit Har.
Ser Sahoerftänbige ber fübbentfdjen DlcihSpoP
nennt fobamt bie KrciSoerfammlutig tobtgeboren,
aber er meint fcamit wohl bie KteiSoerfaPung.
28ir wiffen, bah ph biefe Pille unb langfam ent-
povarbeitenbe ©htridpung ol)ne politifhen Krafchl,
aber oott practifher ISebeutiing leiht bewipeltt
(äpi; Oon ber treffe aber iP eS eine Shattbe,
wenn fte eS tt)ut. Sie KreiSoerfaffung iP bie citt«
Jtge freie unb organifhe Sinrthtung ber SelbPoer««
waltung mit auSgebehnter ©ompetetij; pc hat für
ihre furje Sauer fogar bereits namhaftes gelciflet,
wäre eS auh nur baS, was Pe an ber IßPege oer«:
WaiPer Kittber gethan hat, woran bte |)erni [ßfarrer

5er (vförfierfi-luljuitM.

(gortfefeung.)

SaS faffe ftt’S Slugc, unb fcfunbtre mih gut,
bann erreichen wir bcPo fthercr uttfer 3>cl-“

„Sie haben SRed)t, mein greuttb; ich werbe
meinen 93orti)eil wahrnehmen," ermieberte ©bwin
mit fanguinifhen Hoffnungen.

©S bündelte bereits, alS ber Süttet ttttb jwei
funge äRättner ben @ef>tlfen beS görPerS oom [Rath»
häufe hetaufbradpen. Dtto hatte feinen Schrift’
fa£ ooßenbet uttb abgegeben; er wollte bie Kletbuttg
Wehfeltt unb ph bann nah ber Slmtspabt abfüh’
ren laffen. ©in Shell ber Sorfjugenb fam als
©efolge beS 3ufleg uub ihr öärmett lodte 33eHa
an bie genPer beS ShurmjimmerS. Sie fah Dtto
aufreht, ungebeugt unb gefafjt über ben Hof nah
bem görPerhattS fhretten. SöaS hatte bfeS ju be-
beuten? Sie eilte auf ihr 3immer, legte eine SRan*
litte um unb eilte hinüber nah bem görPerjjaufe,
bas Pe burh bie Hiuitrthüre betrat.

Sie görPerin fap in ber Stube am Spinn»
toden; bie hellen Spänen Panben ihr in ben 2lu-
ßen- „Um SllleS in ber SBelt, gnäbigtS gräulein
*?as thun Sie hier?" rief fte auffpringenb, als
ne beim Sdttin ber Lampe SBcIIa erfannte. Sie
laben ber SBohnPuhe waren gefdpoffen.

: „6HUe, liebe grau! id) bin heintlid) hier/"

fagte SSctta; „wo ip Het'r Knopp?"

„6r ip mit einigen Säuern in ben Söalb, an
bte Stelle wo baS Unglüd gefhah . .. Sich, gttä»
btgeS gräulein, waS für ein UnglüdStag!"

„3SaS ttjut HerrHap im Hflnfe, liebe grau?"
fuhr ©eßa eilig fort.

,,©r Hetbet Ph um ttttb mäht fth ein $äd-
f hen SBäfhe jufammett, benn er wiU fth bem ©e«

, riht nod) heute Slbettb Pellen. Unb bieS iP baS
I Sefte, benn mein Silier fagt: bie Säuern feien fe
' aufgebraht, bap fte ben armen 3Renfd;ett in Stüde
riffen, wenn fte fönnten. SeS HRülterS Sater hat
gebro|t, er fhtefje ihn jum genPer beS Sürgerge»
wahrfam hinein tobt, wenn fein Sohn Perbe. Unb
boh taff’ ih mir bie rechte Hn«b abtjaden, wenn
Herr Dtto eS mit Slbpdp gethan hat!"

„SaS ip auh meine Ueberjeugung, liebe grau!
i Slber wir föttnen ihm oielleiht helfen, unb jcbeit«
falls woßen wir es," fagte Sefla. „SBäre eS niht
einjurihten, bap Herr H«P noch auf einen Slugen»
blid hier hereinträte, ehe er baS HauS oerläpt?
©r fönnte ja oon 3h«en ober Sie oott ihm Slbfdpeb
nehmen . . ."

„3a, baS geht — ei, waS Sie flug pnb, grau»
lein! barauf war’ ih aß mein Lebtage niht oer»
faßen!" fagte bie görPerin, Ph froh Me Hänbe

, reibettb, uttb eilte nah ber 2hnre; „th miß iptt
i gltih holen!"

„©inige SRinuten fpäter fraepte bie Steppe un»
! ter fdtwerer. Sriiten; matt hörte grau Knopp ei»
nige 2Bortc mit ben ÜRünitern wedjfeln, bte Spüre
ging auf uttb HrtP uttb bte görpertn traten ctn.
„©näbigcS gräulein, Sie Iper?" rief er oer«

Iwunbert, aber Sdla legte bie ginger auf ben PRttnb
unb fah ih» wehmüthig unb ooß [IRitlcib an. ©r
War eittfah bürgerlich, bod) niht opne etne gewiffe
Sauberfeit gefieibet, uttb trug in ber H»»b ein
Sünbel in einem farbigen Safdjentuhe.

„Herr HnÜ» id) d«»n Sie niht Weggehen
fef)en, ohne 3bncn noh einige SBorte ju fagen ...
ih, ih »Hein bin ja bie Urfahe oon 3hrem Un-
glüd . . ."

„Seien Sie opne Sorgen um mih, gttäbtgeS
gräulein! id) bin jtoar unfhulbig, aber mein Si»»
iP gefapt," fagte er, mit befonnenem ©leihmuth.
„Sluf bie Serfhwiegenhcit beS görPerS unb feiner
grau hier fornuit SlßeS an. Sie foflen niht ein«
mal als 3eugin oor bem Shwurgertht erfheinen,
wenn cS nah meinem Sinn gept . .

„Dp, baS iP’S niht, waS mih hefümmert,
Herr HnfM ih Pah( oerbient!" fpraep Seßa
mit einem leifen Scpluhjen. „Sie werben mih
oerahten, weil ih bie ©renjen ber äBeiblidjfeit
üherfhritt unb baburh biefeS otrhängnifooße trau«
 
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