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Heidelberger Journal (65): Heidelberger Journal — 1871

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Nr. 257-282 (1. November - 30. November 1871)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25214#1101

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§cMfergcr Sounwl

*J\~ 273* ^ 5ur$ bir potl 57 Ättusn »ietlriiäbtig. " @ctmf}ag, 18. 9?o»etttf>et:.

^ngtigen 3 fr* bie $etit$eite, frei SuSfunfte#
er Teilung 4 fr.

1871.

Zelesvatöiftie MafitUf)ttn.

Berlin, 16. Roo. Reichßtagßfhung. gortfehung |
tar ©tatßberathung. Vunbeßratl) o. Vüloto er» j
läutert ben @tat beß außwärtigen Rmteß, itibcm er ]
bie Rothwenbfgfcit ber ©rhofjung ber ©efanbten* |
gebälter ^eroor^cbt. Reichßfanjler gürß Vißtnatd
betont gletdjfailö bie Rothwenbigfeit, bic ©efanb*
tengetjälter ju trhohen, inßbefonbere mit Rüd|td)t
auf bie geßeigerten Rnfprüche bcjüglid) ber wür»
bigen Vertretung bcS neuen Reichcß. Sie Vertrc*
tung beß bcutfc^en Rtidjeß muffe einen bebeutenben
©inbtud machen, maß inßbefonbere bei ben weni*
gtr cioilifrten -Rationen oon 2ötd)tigfeit fei. Se*
lüglid) ber mehrfeitfg berührten Unterfdjfebe &wi*
fdjen bem ©efanbten unb bem SSotft^after erfiärt
gürß Vißmard, baf ber Unterfd)<eb nicht bebeu*
ienb fei, inßbefonbere wäre unrichtig, waß oon bem
Vrioilegium beß Votfchafterß htnftchtlid) beß btrec*
ien Verfehtß mit ben SJionarcben gejagt werbe.
Vejügltd) ber grage, °b ber ©efanbte bei bem
Vapfte erbalten bleiben wirb, fagt ber Reidjßfan}*
!er, baf in ber Vubgctbebatte nicht ber Vlafc fei,
biefe grage ju beantworten. Ser ©efanbte bei bem
Röntge oon Italien werbe gugleic^ mit biefem nach
Rom fiberftebeln. Ser Rntrag fiöwe’ß, bie Roerf o*
Ualfumme oon 30,000 £()lr., welche bie preuf ifche
Regierung für bie Veforgung ber preufifchen Rtt*
gelegenbeiten an baß Reich jablt, }u fireie^en, wirb
«bgelebnt, nachbeut gürß Vißmard bie ©rpattung
biefer für bie fpejieß preuftfehen Angelegenheiten
gejaflten ©ummen für unbebfugt notbwenbig er»
llärt hat. ©egenüber bem äButtfdj auf ©rridjtung ;
tineß ©cncral «Sonfulateß in Seheran erfiärt ber |
SReicbßfanjler, baf, wenn ber bcutf^e ^janbelßfianb I
tß wünfebe, bie Regierung bereit fei, einen ©eite* |
xalconfut ju ernennen, ©ln ©efanbtfdtaftOpoßeit in !
Seferan fei unnöibig. ©ämmtliche V°ßtlonen beß j
©tatß beß außwärtlgen Rlintßertumß werben fd)lief*
lieb angenommen, golgt bie Verathung über V«*
titionen. Rächßc ©ifcung morgen.

— Ser „Retchßanjeiger* oeröfFentltdjt eine
Verorbnung, betreffenb bie ©inführung ber SRili*
tärerfafcinßruftion für ben norbbeutfdjen Suttb in
bem ©rofberjogtbum Vaben.

SRüuthcn, 16. Roo. Ser ©rjbifchof oonSRün»
eben bat ben Vf<urer #ofemann oon Suntenhau*
fen Rngef chtß „enormer Selifte* feiner Vfarrpfrünbe
entfett unb benfelben aller «uß ber fanonifeben
3n»eßitur erwad)fenben Rechte für oerlußig er*
llärt.

©reuten, 16. Roö. Sicherem Vernehmen nach >

finb betite bie Verbanblungen über ©rrichtung cl-
neß grofen Srebitinßitutß am t;icftgen Vla^c, bet
welchem bie Raufer 3). |>. SBütjen u. ©., ©ebrü*
ber Rielfett, S. ®. Speß u. @o, unb bie Rlcbcr*
fäd)fifche Vanfagentur im Verein mit einem grofen
ginanj=@onfortium ber angefebenbfen Vanffirmen
in Serlin, Bonbon, SBien, £>annooer unb granf*
furt a. 2R. unter gübrung ber Rnglo^ofcrreicbi*
feben Vanf betbeiligt finb, jum Slbfcbluf ge*
fommen.

©ien, 16. Roo. ©ine Verfammlung fämmt*
lieber galtjifcber Reicbßratbßmitglieber ifi beoor*
febenb.

Ißrng, 16. Roo. Sine bureb ÜRaueranfblag
jur öffentlichen Uenntnif gebraute Kunbmacbung
febreibt bie fofortfge Vornahme birefter Reiibßratbß3
Wahlen auß.

2rteff, 16. Roo.( ®ie ©orjer, Sriefier unb
Sfrianer Sfbgeorbneteit buben in Ucberefnfiim*
mung bie an fte ergangene ©inlabung ju bem
Vrager göberalifencongref ablebnenb beantwortet.

fjjefi, 16. Roo. 3n ber heutigen ©i^ung beß
Unterbaufeß hielt ber neu ernannte Ritnifierfräfi*
bent ©raf Bonbab bie Rntrittßrebe. Rcbner bejeieb*
net barin bie Siußgleiihßgefehe alß ben Voben, auf
bem baß SRinifieriuut flehe unb bie begonnenen heil*
fatnen Reformen weiter entwitfeln werben, unb bat
in biefer |)inficbt um baß Vertrauen einer faxten
unb einigen SRnjorität beß ^)aufeß.

Sern, 16. Roo. 3)er Rationalratb genehmigte {
bei ber gortberatbung ber Vunbcßreoifiou ben 2ln* |
trag auf baß Verbot ber ©pielbanfen unb fprac^ >
bie Sompetenj beß Vunbeß auß, gegen bie Botte*
rien einjufebreiten.

VcrfaillcS, 16. Roo. ®er neuernannte fron*
gbfifbe ©efanbte beim itattentfeben |)ofc, ©oularb,
bat »efchl erhallen, ber Äammer=@röffnung in
Rom bef;uwobnen. — ©ß beiff, 3uleß gaore fei
für ben ©efanbtfcbaftßhoflen in Bonbon bejlimmt.

ipariß, 16. Roo. &biffß hftt an Suleß Sanin
einen Srief gerietet, in welchem er am ©üjluffe
bie Hoffnung außfpviibt, baf bie Rationaloerfamm*
lung bie Regierung nach Variß sunicfoerlegen werbe.
— ©in 3)efrct ber Regierung annudfrt bie Sera*
thungen beß Slrronbiffcmentßratbeß ju Sefan^on. —
3Me „©ociete generale" fünbigt bie Slußgabe oon
gu«K ßwei* unb ©infranfennoten für ben 18.
Rooember an. — ©lifee unb Recluß ftnb ju ein»
falber ®eportation oerurtbeilt worben.

bem 2>euff(bett fHeidjgtag.

©erlitt, 13. Roo. 3« ber heutigen (20.) ©ff*
ung, welche um 11 Uhr beginnt, wohnen am £i}<be
beß Vunbeßrathß 3)clbrücf, ©amphaufen, o. 5f3fre^fä)=*
ner, o. Vülow u. a. bei. 2)en Vorfi^ führt gürft
^ohenloh e* @cb illingß f ürfl. Vor ©intritt
in bie Sagcßorbnung oerlangt ber 2lbg. Vebel
baß SBort: 3n ber oorigen 5D?ittwochöfi^»n3 fagte
ber 2lbg. Baßfer : wenn hier eine ©rhebung wie bie
ber Varifcr Sommune flattfänbe, fo würben bie
chrliebenben unb befi^enben Vürger bie Rufftänbi*
fdjen „mit Knüppeln tobtfcblagenj" im flcnographi*
feben Seriibt hat er biefe SÜBorte umgeätibert in
„mit eigener SRacbt niebcrhalten." @r wirb ft^
waljrfibeinlicb gefaßt haben baf bie Vourgeoifte ftcb
hüten wirb auf bie Slrbeiter loßsufcblagen, unb
baf er am nUevwenigjleit ftcb bann alß ©ptnntan*
baut an ihre ©pifje flehen würbe. @o weit hätte
er mit feiner ©orrectur Recht; aber fte enthält eine
fo willige unb intereffante Renberung beffen waß
er gefagt hat, baf ich auf bem SOBortlaut befiehlt
muf. Rach § 13 ber ©efdjäftßorbnung hätte ich
baß Recht bie Schriftführer für bie ©orrectur oer*
antwortlich jumaibeti; ba man aber oon ben Herren
nicht oerlangen fann naib Jeber ©i^ung bie weit*
läufigen 3Ranufcripte genau burchjufehcn, fo oer*
gierte itb barauf. Sei einem attbern Rebner würbe
ich otcHetcbt gar nicht reclatnirt haben, aber itb muf
eß tpun gegenüber bem Slbg. Baßfer, ber fleh febon
früher hetaußgettomnten hflt bie Vertreter meinet
Vartei in fihulntciflerlihjer Söeife abjufertigen. 3m
conflituirenben Reihjßtag nannte er mi<h einen
Vierhaußpolitifer; batnalß gog er fleh wenigflenß
noch eine Rüge ju. Radjbem er ftcb am 3Rittwoch
wieberum alß Vertreter beß Rnflanbeß, ber ©itte,
ber ©ioüifation mir gegenüber, bem er baburd) biefe
©fgenjehaften abfpraCh, hingefteüt hat, halte ich eß
aflerbingß für ttotfjweitbig jtt confatircn, baf er
glücflid) bet ber £nftppeliheoric angelangt ifl ober
— um einen onlgären Ruefcrncf ju gebrauten —
auf beit „Solde" gefomtnettift. V^äfibent: 5)er
Rebner hat nur ju einer perfonlicben Scmerfung baß
ffiort. Rbg. Vebel: 3)a ich feinen VräcebenjfaK
femte, fo fällt eß mir nicht ein Remebur für bie
©orrectur beß 3lbg. Baßfer ju oerlangen. 3<h be-
gnüge mich feine gälfcpung beß flcnographifchtn
Verichtß — fo muf ich eß nennen — ju conflati»
ten; er mag Oor feiner eigeneu Shüre fehten, ehe
er fleh heraußnimmt anbere ju hofmeiflern. V^a*
fibent: 3)er Slbg. Baßfer hat baß VJort ju einer
perfonlicben Scmerfung. Slbg. Baßfer: 3d) werbe

(gortfefeung.)

„3Bir haben früher auf bem fianbe gewohnt.
VorÄurjem aber finb wir auf bie Unioerftät ge*
gangen. 2)a bat ber Vater noch einmal jlubirt.
3e$t jicben wir in eine grofe ©tabt, wo ber Vapa
Stugenarjt wirb. @r fagt, baf fte fe^r f^ön ifi
Unb oiel grofere |)äufer bat, wie unfer 3)orf.
®ort foll ich auch in bie ©cbule geben. 3# freue
mich febr, baf ich nun mit oielen Kinbern jnfam*
utenfommen werbe, benn id habe bie ftinber fo
8ern. Rber ber Vater ifl bod) nicht gern fortge*
Sangen, ©r fonnte ftcb gar nicht oon bem Äird)*
fofe trennen, wo bie HRutter begraben liegt. Sliß
U>tr unfer ^)auß ocrliefen, war er ganj ruhig, aber
alß wir gixlc^t baß ©rab befugten, ba bat er
l«ngc unb fltfl geweint."

„VieHeicbt fttbejl 35n ln ber ©tabt eine neue
Butter," fprad) bie grau.

„Reh Ja, baß wäre febr gut, aber fe müfte
öUcb fo lieb fein, wie bie 3Rutter, bie geflorben ifl."
„$u baß fte ja gar nicht gefeben "

„Rbcr ich fenne ihr 5Mb — ad} baß Vilb ifl
1° fcbön, f» febon unb fo treu unb fo fanft."

,^)ail T'u $Dir benn nod) feine neue ÜRutter
“Wflefucht?" fragte eine oon ben gröferen Socbtern.
„O ja, id) habe aber noch feine gefnnben."

„SBie wäre ec, wenn ich Seine SRutter würbe ?"
fragte baß attbere SRäbchen."

„Rein, ®u gefällf mir nicht."

„Unb warum?"

„Su bifl fo bid! —"

„Sann gefalle ich Sir wohl beffer," fdjerate
bie ©rfle.

„Sn — nein, Sn gefätlfl mir auch nicht, Su
hafl braune $aare, bie SRarna war blonb unb fo
fein — Su bifl gar nicht fein."

„@o fleh Sich bod) einmal um. Vielleicht
finbeft Sn auf bem Schiffe 3entanb,.ben Su Sir
außwählfl", fpracb bic SRntter ein wenig mifrnu*
thig, baf ihre Söcbter fo geringen Setfall bei SBinttb
fanben.

Sic Äleine lief ihre Rügen uml)ergehen. Vlöfc1
lieh erblidte fle eine Same, bie auf • ber lebten
Station eingeßiegen war unb in ber Rahe
auf einen Stuhl gefefjt hatte, ©fe war in einen
grauen Regenmantel gebüßt, unter bem bunflen
^)ute quoßen afchhlonbe |)aare. in reifen Boden
beroor. Saß ooale ©eflcht uau eblem feinen Schnitt
War bleich unb hatte einen 3ug tiefer Srauer. Sie
©effalt fehlen fchlanf unb t>od) ju fein.

„O ©ott, ba iß fle!" — rief ffiinnp unb
fehrte Ihren neuen greunben ben Rüden. Sann
ging fle fort unb fd)titt elntge SJtal an ber neuen

©rfcbeinuitg oorbef, bie fle fdjarf unb efttbringlid)
betrachtete, ohne oott ihr bemevft ;u werben.

2)?ft einem 3Rale lief fle ju ihrem Vater, ber
fleh *n fcfe Seetüre efneß Vudjeß oertfeft hatte nnb
pflerte ihm rafd) ittß Dhr. *3«ht hab ich Pe
gefttnben."

©r oerßanb fte nicht, benn er war mit feinet
Bectüre befchäftfgt unb nahm baß SBort für einen
finblichen ©infaH, über baß er nicht weiter nach*
buchte, jumal ba baß £6<hterd)en ihn ebenfo f^neß
oerlief unb feine ÜBanberungen aufß Reue in ber
Rahe ber blonben Same begann, bie fcblieflid)
baß SRäbchen gewahrte, welchcß feine Vlfde nicht
Oon ihr abmaitbte. Sie fanften blauen Rügen,
btt theilnahmooß auf baß Rinb gerietet waren,
fchfenen ihm plb^lich SRuth ju machen, fo baf eß
mit rafchem ©ntfcflufe herantrat.

„^)eiftß Su nicht and) äBittnp?" fragte baß
3Räbd)en.

„Rein, mtfn Rame ifl Vianche", erwieberte
bie blonbe Same mit wohlflingenber Stimme.
„Rber warum fragß Su mid)?*

„©eil id) auch ©innp heiße, unb eß iß auch
ber Rame meiner Vlutter, bie gerabe folche |>aate
hatte wie Su!

„Bebt benn Seine RZutter nicht mehr?*

„Rcb nein, ft ift fchon lange tobt, aber baß
 
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