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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Abel, Lothar: Bemerkungen über Wintergärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0018

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Seite 6.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

^ ^Denrerkullgen über ^Emtergärteii. ^

von Architekt Lothar Abel.

v u Ende des vorigen Jahrhunderts führte die französische Re-
volution den Geschmack in Allem und Jedem auf eine radikale
Einfachheit zurück. So wurden die Gold- und Silberstickereien
in der Tracht abgelegt, und ebenso wie an Stelle von Sammt und
Seide das einfache Tuch kam, trat auch eine Ernüchterung der Künste,
besonders in den Wohnungs-Einrichtungen, zu Tage. Alan mied alles
prunkvoll ausgestattete, und zog die freie ungekünstelte Natur allem An-
deren vor, dem Luxus der „Kunst" wurde damals vollständig abge-
schworen. An Stelle der Politik trat die harmlose Schäferidplle, und
damit änderten sich auch die Verhältnisse der Gesellschaft, in welcher
der wahre Naturalismus nun empor blühte, und die reiche Skala der
Empfindungen, welche sich gerade in der Natur wiederspiegelt, verlieh
auch diesen Bestrebungen eine ungemein anregende Kraft. Auch aller-
hand Herzenssachen,
für welche man
damals Zeit und
Muße genug fand,
gaben der Blumen-
und Pflanzenwelt
einen großen poeti-
schen Einfluß, wel-
cher sich durch an-
genehme Eindrücke
und Erinnerungen,
selbst durch philo-
sophische Betracht-
ungen aller Art
äußerte, und sich
mit Skizzen, Fan-
tasien, Stammbuch-
blättern, Gedichten
und kleinen Er-
zählungen aus dem
Ehaos überspannter
Ideen Luft machte.

Die Blumen-
liebhaberei kam so
in Mode, daß sie
nicht blos die Bo-
taniker vom Fache,
sondern die gebildete
Welt überhaupt sehr
erhitzte. In den
Dreißigerjahren
fand man in der
Blumenpflege und
in der Benennung
der Pflanzen mittelst
ihres lateinischen
Namens soviel An-
ziehendes und Unterhaltendes, als ob mit chem einen oder anderen
botanischen Pflanzenspstem der Schlüssel zur Erklärung der ganzen
Weltordnung gefunden worden wäre. Eine vornehme Dame mußte
unbedingt in ihren Salons einen Blumentisch haben, und es wurde als
ein Barbarismus bezeichnet, wenn man die Pflanzen, die darauf standen,
nicht nach ihrer Familie und ihrer Spezies gekannt hätte. In allen
Salons prangten die verschiedensten ausländischen Gewächse und ver-
liehen thatsächlich diesen Räumen sehr oft einen wahrhaft feenartigen
Anblick, und an Stelle der nüchternen Mahagoni,nöbel aus der Empir-
zeit standen dann in bunten Gruppen prächtige Blattpflanzen. Es ist
nicht zu leugnen, daß diese gewiß sehr beachtenswerthe Mode in manche
Uebertreibungen ausartete, aber jedenfalls hatte sie etwas sehr Ver-
nünftiges im Gefolge, denn sie inachte die Gesellschaft auf die Schön-
heiten und die Mannigfaltigkeit der Natur aufmerksam und suchte
durch dieselben an natürlichere, edlere Genüsse zu gewöhnen, als es die
üblichen gesellschaftlichen Sitten sonst mit sich gebracht hätten.

-- Abbildung Nr. »88. Wintergarten eines pariser

Heutzutage rechnet man es zu einer großen Annehmlichkeit, wenn
sich mit den Wohnräumen eines eleganten Hauses ein eigener sogenannter
Wintergarten in unmittelbarer Verbindung befindet, da sich in den
eigentlichen Wohnräumen selbst doch keine Gewächse kultiviren lassen.
In, Sommer, sobald man sich im Freien aufhalten kann, fühlt man
weniger oder vielleicht gar nicht das Verlangen nach einer derartigen
baulichen Konstruktion, hingegen bei anhaltend schlechten, Wetter oder
im Winter sucht man solche Vrte mit großer Vorliebe auf, und wird
die Vorzüge derselben sehr bald anerkennen müssen. Eine Veranda,
ein Balkon, eine breitere Terrasse können sehr leicht durch eine ent-
sprechende Verglasung dazu geeignet gemacht werden. Auch in den
Ecken vorspringender Gebäudetheile kann man durch Glaswände ge-
schlossene Räume anbringen, ebenso zwei getrennte Gebäude durch einen
gallerieartigen Glasbau verbinden, welcher verbindungsbau zweckmäßig
als Wintergarten benützt werden kann. — Der erste derartige Winter-
garten war jener des Fürsten Metternich, welchen derselbe als

Festraum während
der Kongreßzeit in
seiner Villa am
Rennweg zu Wien
durch den damaligen
Hofarchitekten No-
bile ausführen ließ,
und später allerorts
als etwas „Reizen-
des" entsprechende
Nachahmung fand.
In derbeigedruckten
Abbildung Nr. ^8ß,
welche nach einer
Zeichnung aus jener
Zeit reproduzirt
wurde, geben wir
die perspektivische
Ansicht desselben im
Jahre lSs-s.

Das Aeußere
eines Wintergartens
muß sich selbstver-
ständlich und unbe-
dingt dem Karakter
der Umgebung und
dem architekto-
nischen Stile des
Gebäudes anschlie-
ßen. Sehr häufig
sieht man aber
heute,diesem Grund-
sätze entgegen, in
höchst fraglichen,
meist orientalischen

PriUathausrs a. b. Jafirr 1667. Nach einer Skizze. Formen konstruirte

Wintergärten, sogar

an sonst stilreinen Renaissance-Gebäuden angebaut. Besonders hat sich
Frankreich durch solche Gebilde, welche den ästhetischen Anforderungen
im Aeußeren gewiß nicht entsprechen, hervorgethan, und allenthalben
wurde diese Bauart nachgeäfft, obwohl ein Wintergarten wie jeder
andere Raum die vollkommene Anwendung selbst der strengen Regeln
in den Verhältnissen und Formen der Renaissance gestattet, ohne daß
im Geringsten die Anforderung, als Pflanzenraum zu dienen, einge-
schränkt werden müßte. Denn Wintergärten in ihrer wahren Be-
deutung gehören gewiß mehr der Baukunst als dem Gartenbau an.
Die Pflanzen bilden darin doch nur das belebende, dekorative Element,
und deren Anzucht und Kultur kann ja hier nicht angestrebt werden.

Die innere Einrichtung eines Wintergartens ist nun sehr ver-
schieden, der Geschmack des Besitzers oder die Ansprüche der Dame
des Hauses, die Bequemlichkeit, ferner ob der Wintergarten etwa nur
die Verbindung getrennter Wohnräume, oder ob derselbe als gesuchter
Aufenthaltsort, etwa als eine Erweiterung des Salons dienen soll, —
 
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