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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Stockbauer, Joseph: Alte Fayencen in neuer Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0080

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öeite H6.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

A7ärz-H)eft.

H»r M

ayeuren m rreuev

von Direktor Or. I. Stockbauer.

urur.

er auf dem Gebiete unserer modernen kunstgewerblichen Thätigkeit
Umschau halten will, der trifft überall aus ganz wesentliche neue
Fortschritte und erfreuliche Resultate, und die Freude an dem Fort-
schritt des Ganzen wird nur wenig durch hier und da auftretende
Extravaganzen getrübt. Mas im Großen und Ganzen, gilt auch von, Einzelnen
und Speziellen, und eines der interessantesten Gebiete wollen wir heute kurz er-
wähnen, das der Trink- und Iiergefäße. — Künstlerisch bedeutend waren in
früherer Zeit — die Arbeiten
aus Edelmetall und Halb-
edelsteinen außer Acht ge-
lassen — die Gefäße aus
Steinzeug, Fayence und Zinn.

Glasgefäße waren fast aus-
schließlich für Mein bestimmt
und hatten in dem alten
Römer eine höchst vollkom-
mene Form erlangt, die in
Bezug auf Schönheit bisher
keiner Verbesserung bedurfte.

Anders war es mit den Stein-
zeug-, Fayence- und Zinn-
gefäßen.

Die Steinzeuggefäße
hatten im Laufe der Jahr-
hunderte sehr viel von ihrer
originellen künstlerischen
Ausstattung eingebüßt. Die
alten Modelle, aus denen die
figürlichen und ornamentalen
Verzierungen, ausgedrückt
wurden, verloren die Schärfe,
und neue wurden kaum mehr
oder ganz roh angefertigt.

Die farbigen Glasuren ver-
loren sich bis auf blau und
schließlich wurde eineDrna-
mentatiou allgemein, die im
alten Grenzhauseu zuerst
eingeführt ward und darin
bestand, daß man die derben
Ornamente mit einem spitzen
Instrumente vertieft kon-
turirte und den so abge-
grenzten Raum mit blauer
Glasur ausfüllte. Für ge-
wohnlichere Geschirre, z. B.
die Bierkrüge, verzichtete man
im Interesse der Billigkeit
und der Bequemlichkeit des
Reinigens ganz auf Verzie-
rung und so entstand der
form- und geschmacklose Maß-
krug, der als einzigen Schmuck

das Aichzeichen trug.

Die Fayencen hatten
im s8. Jahrhundert ihre ver-
breitetste Anwendung gefun-
den. Das Reinliche der Zinn-
glasur empfahl sie ganz be-
sonders für Gebrauchszwecke
und für eine entsprechende
Bemalung sorgte eine große
Zahl mehr oder weniger ge-
schickter Maler und Künstler.

Nur hatten die Fayencen
den großen Fehler, daß sie
in Folge des porösen Scher-
bens leicht zerbrachen und deshalb eine Montirung von Zinn nothwendig machten,
die sich auf Fuß und Rand und Henkel erstreckte. Dieser Umstand vertheuerte diese
Geschirre wesentlich. Dazu kam noch, daß die besseren Maler dem neu aufgefundenen
Porzellan sich zuwendeteu und daß von England aus ein neues Material sich Bahn
brach, welches in der äußeren Erscheinung der Fayence gleich kam, in der Güte des
Scherbens dieses aber übertraf: das Steingut, viele der ehemaligen Fayencefabriken
wurden in Porzellan- oder Steingutfabriken umgewandelt, —. die Fayence ging
unter, um erst in der neueren Zeit eine Auferstehung zu erleben. Der Natur der
Sache entsprechend, find aber diese neueren Produkte weniger Gebrauchs- als viel-
mehr Zierstücke und als solche allerdings von großer Bedeutung geworden.

Die alten Zinnkannen und Zinnkrüge spielten im bürgerlichen Haushalt eine
große Rolle. Einzelne Arbeiten erhoben sich weit über den Stand gewöhnlicher

Gebrauchsgeschirre. Der Zinngießer war vollauf beschäftigt mit der Herstellung von
Pokalen, Krügen und Flaschen und mit der Montirung der schönen Fayencegefäße.
Noch ein anderes Material zog er in den Bereich seiner Thätigkeit, das Glas,
wir treffen aus dem Ende des vergangenen Jahrhunderts mit Zinn montirte Glas-
gefäße, welche offenbar ihren Ursprung den silbermontirten Kristallgefäßen, die sie
nachahmten, verdankten. Allmählich aber wurde die frühere Nebensache die Haupt-
sache; das Glas nahm unter den Trinkgefäßen immer größeren Raum ein und

suchte seine ihm eigene Ge-
brechlichkeit durch massive
Dicke so zu verringern, daß
es, allerdings mit Aufopfe-
rung jeder Schönheit, zuletzt
und heute noch das Haupt-
material für unsere Trink-
geschirre bildete und bildet.
Der Zinngießer hatte nur
noch die einfachen Deckel zu
liefern, sein Gewerbe war
im Niedergehcn.

Wie aber die Fayencen
in neuerer Zeit ihre alten
künstlerischen Formen wieder
hervorsuchten und zu Zier-
stücken sich ausbildeten, so
suchte auch der Zinngießer
die alten Vorbilder sich nutz,
bar zu machen: es wurden
die Deckel auf den Trinkge-
schirren und die Zinnmonti-
rung überhaupt in verbesser-
ter weise wieder in Auf-
nähme zu bringen gesucht.
Linen wesentlichen Vorschub
leistete diesen Bestrebungen
das Aufkommen der neuen
Steinzeugfabriken, welche in
ihren Leistungen die der Alten
zu erreichen und zu über-
treffen suchten und naturge-
mäß auch dahin strebten, den
Zinnbeschlag zu verbessern
und künstlerischer zu gestalten.
Die damit erreichten Erfolge
übertrugen sich dann auch
auf den Beschlag an Gläsern
und endlich kam man zu den
ganz mit Zinn montirten
Kannen, Krügen, Flaschen
und Bechern von tadelloser
Form und wahrhaft künst-
lerischer Erscheinung.

Nur die Fayence für
Gebrauchszwecke blieb zurück
und das von Haus aus dazu
bestimmte Steingut. Gerade
in den alten Fayencen liegt
aber ein unerschöpfbarer
Fonds von malerischer Mir-
kung, der jedes Künstlerherz
erfreut. Dieses war es auch,

was die altrenommirte Stein-

gutfabrik von villeroy ABoch
in Mettlach veranlaßte, die
alten Fayencen in ihrer ma-
lerischen Wirkung für Stein-
gutgesäße auszunützen. Ein
auf kunstgewerblichem Ge-
biete bedeutender Nürnberger Architekt, Th. Tyrich, lieferte nach alten Originalen
Entwürfe, welche die Fabrik für Trinkgeschirre und Zierplatten in Steingut ver-
wendete. Die Resultate waren über Erwarten befriedigend und dies um so mehr,
als auch für das Beschläge mustergültige alte Formen gewählt wurden. Die Ein-
führung dieser „fränkischen" Trinkgeschirre so genannt, weil zumeist Originale
aus fränkischem Besitze und Werkstätten benützt wurden — ist ein ganz wesentliches
Verdienst der genannten Fabrik und von hoher industrieller Bedeutung. Diese
Gefäße gehören zu unseren besten kunstgewerblichen Leistungen und bieten neben
ihrem rein praktischen Zweck den vortheil, daß sie in Verbindung mit Platten und
sonstigen Zierstücken einen besonderen Schmuck jedes Trink- und Eßzimmers bilden
und in malerischer Gruppirung auf Wandbrettern vereinigt eine höchst willkommene
und mannigfaltige Unterbrechung großer Wandflächen gewähren. —

Abbildung Nr. s-sv. Alte Fayencen rn neuer- Form. Zu obigem Aufsatz.

Nach Entwürfen von Architekt Tb. Lyrich.

Erzeugnisse der Mettlacher Steingulfabrik von villeroy L Boch, Mettlach.
 
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