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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Das maurische Zimmer: im Hinblick auf die Farbe in demselben
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Bothmer, Heinrich: Der orientalische Teppich
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0160

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Juni-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Line eigentliche Ansstattnng mit Möbeln wird in echt orientalischen Lin-
richtungen fast nie angetroffen, statt der Sitzmöbel werden als Ruheort einfach lose
Teppiche auf den Mosaikboden gelegt. Bei uns werden allerdings ganze „maurische"
Einrichtungen ausgeführt, welche unseren abendländischen Sitten und Gebräuchen
Rechnung tragen. So werden Schränke. Tische, Stühle, Sofas u. s. w. unter Zu-
ziehung der, der maurischen Architektur eigenen Formen hergestellt. Erstere sind,
wie schon erwähnt, nicht alten Vorbildern entnommen, sondern erst neu geschaffen
worden, daher sind es, im rechten Licht betrachtet, eigentlich moderne Möbel. Ihre
Anfertigung geschieht aus Ebenholz, in Verbindung mit zahlreichen kleinen Dreher-
arbeiten, sowie mit Einlagen von Koransprüchen in Perlmutter, Elfenbein oder
Metall. — Die Fensterdekoration besteht gewöhnlich nur aus stoffartig gemusterten
Glasscheiben und diese bunten Fenster mildern den Glanz des Tageslichtes, ohne
den Anblick des Himmels ganz zu verhüllen und vermitteln einen wohlthuenden
Uebergang zu den sarbenschillernden wänden. Stoffgehänge am Fenster sind nicht
geradezu nothwendig und oft wird man gut thun, der bemalten Glasfenster und
der sie umrahmenden Architektur wegen sie ganz und gar hinweg zu lassen. Unsere
maurischen Zimmer, welche beim Bauen meist nicht die Berücksichtigung fanden,
wie es eigentlich zu wünschen wäre, um sie stilistisch richtig auszustatten, verlangen
aber in den meisten Fällen Draperiegehäuge an den Fenstern, und da begegnen wir
jenen buntfarbenen teppichartigen^Geweben, welche, in wenig Falten ausgenommen,

5eite HZ.

verleiht? Es ist die geschickte Grnamentirung, resp. Arabeskirnng, sowie die glück-
liche Wahl und Zusammenstellung der Farben, welche dem orientalischen Teppich
seinen geheimnißvollen Reiz verleiht; keine Farbe drängt sich in seinen, ohne
, bestimmten Ausdruck stach ausgezeichneten Dessins hervor, und wo sich ein Ton zu
weit hervorwagt, wird die Harmonie durch eine andere Farbe wieder hergestellt.
Stets bewegt sich die Zeichnung der orientalischen Teppiche in den Schranken geo-
metrisch konstruirter (Ornamente. während die abendländischen Erzeugnisse durch
thörichte Plastik meist ihre Wirkung verlieren. Allerdings kommen bisweilen auch
auf orientalischen Erzeugnissen Menschen oder Thiergestalten vor, doch sind dieselben
durchaus stilisirt als naive Flachornamente behandelt, und meist für gobelinartige
wandbekleidungen bestimmt. Außer der Plastik vermeidet der morgenländische
Teppicharbeiter so viel wie möglich alle Kreislinien, da dieselben bei Knüpfteppichen
naturgemäß etwas Linkisches und Unvollkommenes in sich tragen müssen. Karakteristisch
ist noch, daß auf den morgenländischen Knüpftexpichen stets da, wo zwei Farben
aufeinander stoßen, eine dritte dazwischen eingefügt wird, um das Gleichgewicht
herzustellen und die Farben zu verschmelzen; es scheint, daß diese Konturirung auf
einer alten Ueberlieserung beruht, und findet sich bei dem Mosaik der alten Griechen
und Römer etwas Aehnliches.

von eminenter Bedeutung für die harmonische Zusaminenwirkung der
orientalischen Teppichmuster ist ferner die Anwendung der Farbstoffe von Pflanze

Abbildg. sys. Aa»d-De!>oraiill>l eines Musilisiuileo. — Kach Entwurf d. Arch. Käufer und non Großheim, Kerlin, ausgeführt non der Dof-Wöbelfubrili Vtts Frihsche, München.

^urch sihre massive Wirkung den Eindruck des (Orientalischen machen. (Oder es
sind einfarbige Stoffe, etwa türkischroth n. dergl. m., welche, fantastisch drapirt, an
der Kante mit altgoldfarbenen, langen, zottelartigen Fransen besetzt, die besten
Wirkungen erzielen lassen. An den Thüren bildet entweder ein feiner Teppich (was
ja bei der heutzutage zum Kaufe gebotenen Menge echter orientalischer Teppiche
keine zu großen Schwierigkeiten machen kann) einen ganz stilgerechten Verschluß;
auch werden auf reicher auszustattende Portieren Koransprüche und Arabesken mit
Goldstickerei auf Seide ausgeführt. L. 8. in 8. — Bert. Taxez. Itg.

orientalische 'Meppich.

Nach einein Vortrag. — von Heinrich Bothmer«

icht genug kann unseren Teppichfabrikanten anemxfohlen werden, anstatt der
-Ä-»" immer noch nicht überwundenen Fabrikation der unschönen alten Teppich-
Muster, als da sind: Jagd- und Liebesscenen, knollige Rosen und phantastische
Riesenblumen, unnatürliche Viecher und sonstiges Gewürm, ihren Geschmack an den
herrlichen Dessins der orientalischen Teppiche zu bilden, um auch auf dem Gebiete
der billigen Teppich- und Läufererzeugung an Stelle der alten Bombasterei und
Geschmacklosigkeit wirkliche Harmonie und feine Abtönung treten zu lassen.

Die malerische Wirkung und der dekorative Werth der orientalischen Teppiche
ist allgemein anerkannt, doch wenigen nur ist es klar, wer diesen Stoffen ihre Reize

oder Mineral, welche bei weitem angenehmer auf das Auge wirken, als die von
unseren Fabrikanten angewandten billigen Anilinfarben, außerdem auch nicht so bald
verschießen und dadurch das Dessin beeinträchtigen wie diese. Leider hat die
Anilinfarbe neuerdings auch im Grient ihren Einzug gehalten und der Laie wird
nur zu häufig mit solchen schnell verblassenden Erzeugnissen getäuscht. Die persische
Texpichindustrie ist durch das Machtwort des Schahs, der den Gebrauch der Anilin-
farbe strengstens verboten hat, vor dem mit dieser unglücklichen Färbungsart cin-
reißenden schlechten Geschmack vor der Hand errettet worden.

Abgesehen von den Gobelins und den in neuerer Zeit eingeführten Knüpf-
teppicheu, gehen alle Teppicherzeuguisse des Abendlandes bekanntlich aus dem Web-
stuhle hervor, im Orient hat man dagegen noch bis auf den heutigen Tag durchweg
die Handarbeit beibehalten; für wandbehänge vornehmlich die Wirkerei, diese
Urform der Weberei, wie sie in ihrer Ursprünglichkeit noch die Bastmatten der
wilden Afrikas zeigen. Das Fadenende wird bei den gewirkten Teppichen meist
verwebt, sodaß Rück- und Vorderseite gleich sind und beide verwendet werden.
Derartige Wirkteppiche kommen auch bei den Balkanvölkern und Südrnssen vor, bei
denen diese Fabrikation von uraltersher bekannt ist, doch fertigt man dieselben
nur znm Eigenbedarf, und es gilt als eine Schande, sich ihrer zu entäußern. Für
Fußteppiche wird im Morgenlande die Knüpfmanier allgemein angewandt, für
Wandteppiche ist diese Technik seltener.

Die große Dauerhaftigkeit der orientalischen Teppiche wird dadurch erreicht,
daß die zwischen die Fäden eingebundenen Wollbüschelchen nach oben ein Vlies
 
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