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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Bayerisches und Badisches Kunstgewerbe auf der Welt-Ausstellung in Chicago
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August-6eft. Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration. Seite s2s.

bayerisches und ÄNadilchrs .Hrrustgeurerde aus der ^Melt-Husstellung

Ul

irago.

in Lhicago erscheinende „Illinois Staatszeitung" bringt in
ihren Besprechungen über die Welt-Ausstellung nachfolgenden dein
deutschen Knnstgewerbe zu besonderer Auszeichnung gereichenden
Bericht: Paris, das Herz Frankreichs, ist nicht nur das Herz der fran-
zösischen Industrieausstellung, Paris ist das französische Kunstgewerbe, die Firmen-
schilder in der Sektion des Industriexalastes bezeugen das. Auch Wien, nimmt
man die böhmischen Glaswaaren aus, rcpräsentirt im Industriepalast so ziemlich
das österreichische Kunstgewerbe und eine ähnliche Leutralisation der kunstgewerb-
lichen Kräfte in der Hauptstadt des Landes macht sich bei den Ausstellungen vieler
anderen Nationen bemerkbar. Deutschland und die vereinigten Staate» machen
eine Ausnahme, ihre Kunstgewerbe repräsentirt weder Berlin noch Washington oder
irgend eine der Handelscentren des Landes, weder New-Hork, noch Lhicago, noch
Philadelphia ausschließlich. Beide Länder sind Konföderationen einer Anzahl gleich-
gestellter Bundesstaaten und beide Länder üben und pflegen einen gewissen Par-
tikularismus, der eifersüchtig die Selbständigkeit der einzelnen Staaten im Innern
bewacht, jeder Leutralisation entgegentritt und nur dann dem Ganzen sich unter-
ordnet, wenn dasselbe von außen her bedroht wird. — Dieser Partikularismus ist

gewerbereichen, in einzelnen Branchen unerreichbaren Stuttgart, so gar nicht ver-
treten ist. Weshalb? vielleicht fehlte es an der nöthigen Anregung, an einem
Professor Götz, dem Direktor der Karlsruher Kunstgewerbeschule, der diese wunder-
bare badische Ausstellung, eine der Perlen der deutschen Ausstellung, zu Stande
brachte, vielleicht an einem Professor Kips, dom Leiter der Berliner Porzellan-
manufaktur, an einem Ko pp, dem Konservator des Münchener Kunstgewerbevereins,
der dem Münchener Kunstgewerbe so großartige Vertretung zu geben wußte, viel-
leicht ist auch der Umstand daran Schuld, daß, alsldie Aufforderung zur Beschickung
der Lhicagoer Ausstellung erging, das Berliner Ausstellungsprojekt austauchte und
viele deutsche Fabrikanten in Verlegenheit brachte, für welche Ausstellung zu rüsten.
Das mag auch der Grund sein, weshalb Berlin und Preußen überhaupt nicht so
großartig im Kunstgewerbe — wohlgemerkt, wir sprechen vom „Kunstgewerbe", nicht
von der ganzen Ausstellung im Industriepalast — vertreten ist, als es sein könnte,
wenn es sein ganzes Können hätte zeigen, seine ganzen Kräfte anstrengen wollen.
Damit soll indeß nicht gesagt werden, daß Berlins Kunstgewerbeausstellung nicht
etwa bedeutend ist, nur noch bedeutender hätte sie sein können, etwa so wie die
Berliner Porzellanmanufaktur an sich. Wir hätten gern Berlin in seiner ganzen

* Abbildung Nummer 627. Entwurf für rin Brüstung« - Gitters, Friedrich Schauppmeyer.

von beiden Ländern selbst auf der Lolumbischen Ausstellung gewahrt worden. Die
amerikanische Ausstellung macht sehr oft einer Ausstellung der Fabrikanten des
Ostens, des Westens Platz und in vielen Abtheilungen ist von einer Ausstellung
der vereinigten Staaten gar nicht mehr die Rede, es sind vielmehr die einzelnen
Staaten, die in gesonderten Pavillons ausstellen.

Aehnlich Deutschland, das im Industriepalast wenigstens den partikularistischeu
Tendenzen der einzelnen Bundesstaaten Konzessionen gemacht. Da hören wir von
der sächsischen Textilindustrie als ein in sich abgeschlossenes Ganzes, von dem
sächsischen, bayrischen, badischen, Berliner Kunstgewerbe, vereinigt unter den Fittigen
des über dem Ganzen schwebenden Reichsadlers.

Man kann nicht sagen, daß dieser Partikularismus der deutschen Industrie
schadet. Im Gegeutheil, dieser zähe Widerstand gegen alle Leutralisation hat in
den einzelnen gcwcrbereichen Bundesstaaten als Sporn gewirkt, nun auch etwas zu
leisten, die Deutschen des Südens suchen die Brüder des Nordens im Wettbewerb auf,
und das deutsche Kunstgewerbe hat in mehr als einem Ort eine Pflanzstätte gefunden.

Die großartige Ausstellung Deutschlands im Industriepalast — sollen wir
abermals wiederholen, was heute schon als Thatsache in den Annalen der Lolum-
bischen Welt-Ausstellung verzeichnet steht — die großartigste aller Länder, verdankt
ihren Erfolg zum großen Theil diesem Partikularismus, dem Ehrgeiz der einzelnen
Staaten, nicht nur Deutschland, sondern auch den Namen ihrer engeren Heimath
zu Ehren zu bringen.

Weniger scharf sind die Grenzen in dein Ackerbaupalast, dem Transportatious-
gebäude, der Frauenabtheilung, dem Minen-, Elektrizitäts- und Maschinengebäude
gezogen, und auch im Industriepalast treten sie nur zu Tage, sobald man das Reich
des Kunstgewerbes betritt. Da hört freilich das deutsche Kunstgewerbe aus und das
berliner, Dresdener, Münchener und Badische Kunstgewerbe hehauptet seine Rechte.
Anendlich zu bedauern ist es, daß das württembergische Kunstgewerbe mit seinem

Größe gesehen. Wir möchten nicht so weit gehen und behaupten, das Münchener
bezw. bayerische und das badische Knnstgewerbe bilden die deutsche Kunstgewerbe-
abtheilung. Daß sie aber die Seele, den Kern desselben bilden, daß die beiden
Südstaaten allerdings unendlich viel beigetragen haben, um Deutschlands Kunst-
gewerbeausstellung im Industriepalast so großartig zu gestalten, das dürfte sich
unschwer beweisen lassen.

Da Deutschland selbst die partikularistische Abgrenzung innerhalb der Grenzen
seines Kunstgewerbes beobachtet hat, so sei es auch uns gestattet, von einem baye-
rischen, badischen, Berliner, Dresdener Kunstgewerbe zu sprechen. Zunächst das
bayerische, dann das badische!

Das Bayerische Knnstgewerbe.

Bayern ist München und Münchener sinds, die dem bayerischen Kunstgewerbe
unter der Leitung des verdienstvoller! Konservators des bayerischen Kunstgewerbe-
vereins, Herrn L. Kopp, der im Aufträge der Regierung die Ausstellung sammelte,
arrangirte und aufstellte, eine solche Vertretung gegeben haben.

Der Seidl'sche Pavillon am Eingang der deutschen Sektion, mit seinem
nach Seidls Angabe von den Münchener Künstlern Lenbach, Keller, Rud. Seitz ge-
malten, reichvergoldeten Plafond, mit seinen Marmorthüren in fiorentiner Arbeit,
seinen Marmorleisten, mit seinen Münchener Seidenstosftapeten, Bronzen, Wand-
armen, kustren, mit der den Tagen des unglücklichen Königs Ludwig entstammenden
Originaleinrichtung eines Salons aus den Schlössern Herrenchiemsee und Linderhof,
mit seinem Tafelaufsatz der Würzburger Universität, dem kunstgetriebenen Globus
des Professors Widmann und anderen Prunkstücken der Silberschmiedekunst — Alles
Münchener Arbeit — dieser Seidl'sche Pavillon ist so bestrickend schön, daß eine
ausführliche Besprechung über den engen Rahmen unserer Zeilen hinausgehen
würde. Sehen und bewundern wird ihn Jeder, der die Ausstellung besucht.—
 
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