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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Volbehr, Theodor: Das Kunstgewerbe im Alltagsleben
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Hornig, Fr.: Das Makart-Bouquet
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0316

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Leite s78.

Dezember-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

eignungsstoffes liegt bisweilen die Gewähr für gediegene Kenntnisse,
aber es kommt darauf an, daß jeder einzelne Bürger sich wohl fühle
in feinem Hause und in seiner Stadt, daß er sich in seinem Dasein
behaglich fühle. Und verleugnet nicht schon das Wort „Behagen" alle
Nüchternheit und Kahlheit des Haut es .

Ls steckt ein großes Stück sozial-
politischer Klugheit in dein kräftigen Unter-
stützen kunstgewerblicher Bestrebungen, nicht
nur nach der überaus wichtigen national-
ökonomischen Seite, sondern auch nach der
volkserziehlichen Seite hin. Ls gibt keinen
besseren Bundesgenossen gegen die Unzu-
friedenheit als das schlichte Behagen am
eigenen Heim, als die Freude am Schönen,
wo immer es sich dem Auge darbietet.

Ls ist daher nicht genug, wenn man dem
Kunstgewerbe feierlich das beste Zimmer
anweist, das Kunstgewerbe muß die ganze
Häuslichkeit, das ganze Leben des Tages
durchdringen. Das alltägliche Leben soll
durchsäuert sein vom Kunsthandwerk, dann
wird das Leben das Lrmüdend-Alltägliche
verlieren. — wie aber kann das Kunst-
gewerbe solcher Forderung entsprechen?

Eben durch sein einfaches Dasein, aber
nicht ein Dasein dem stillen Veilchen gleich,
von dem Keiner etwas bemerkt, sondern
ein Dasein, das sich auf Schritt und Tritt
bemerklich macht. Die hohe Kunst mag
exklusiv sein, mag darauf verzichten, von
Vielen gesehen und genossen zu werden.

Das Kunstgewerbe soll und muß sich vor-
drängen, es muß sich Beachtung erzwingen,
und man muß ihm Kaum schassen, wo
es nur irgend angängig. Sonst wird die
Wirkung niemals die erstrebte sein. Der Bürger, der über die Straßen
geht, der Rechtsuchende, der in das Zustizgebäude tritt, der Beamte, der
nach des Tages Arbeit sich im Theater erfrischen will, die Matrone,
die Erbauung im Gotteshaus sucht, sie alle sollten, wo immer ihr

Entwurf von

E. Lsärring.

»Abbildg. Nr. 825. Geschnihtep Wandspiegel in Rokoko.

Auge ruhen bleibt, vom Kunsthandwerk gefesselt werden. Ls ist nicht
gleichgültig, ob die wände der Kirche kalt und kahl, die Fenster grell
und blendend sind, es ist nicht gleichgültig, ob der Raum, wo Recht
gesprochen wird, dumpf und nüchtern ist, ob die Brückenbauten schwer-
fällig und schmucklos sind: die Umgebung
wirkt mächtiger aus jedes Menschen Ge-
müth, als man gemeinhin glaubt. Ls
liegt in Allem, was mit der Kunst, was
mit der Schönheit zusammenhängt, etwas
von der Wirkungskraft der Sonne. Und
wer wüßte nicht, daß der Sonnenschein
froh macht und die guten Kräfte im
Menschen löst. Ls ist deshalb keine un-
berechtigte Verschwendung, wenn Staat
und Stadt imponirende Häuser aufführen
und das Nothwendige des öffentlichen
Lebens mit gefälligen Formen umkleiden.
Das elektrische Licht, das an einem rohen
Mastbaum befestigt ist, leuchtet eben so
hell wie dasjenige, das man an geschmack-
volle, schmiedeeiserne Träger hängt, aber
dort hat man den Lindruck kalter Nütz-
lichkeit, hier das Gefühl, daß die Nütz-
lichkeit warm umkleidet ist. Derselbe
Gedanke, der zur Anlage von Bosquets
und bunten Beeten in den öffentlichen
Gärten führt, muß auch überall sonst dazu
führen, zu verschönern, dem Auge des
! Publikums Wohlgefallen zu erregen.

Dann wird sich auch jeder Einzelne
leichter bewogen fühlen, im eignen Heim
das kunstgewerbliche Element zu pflegen.
Knd im eigenen Hause ist es vor Allem
nöthig, daß die Alltäglichkeit des Lebens
^ vom Kunsthandwerk verschönt und ver-
überhaupt möglich, daß jene Wärme des

tieft werde. Ist es denn
Zusammenlebens, jenes Frohwerden im Hause vorhanden ist, wo die
wände kahl und nüchtern auf die Familie herabsehen, wo das noth-
wendige Geräth schmucklos herumliegt und die Möbel in kasernenhaster

akart au quet.

von ch ffornig.

ichts kann rascher Mode werden, als vor etlichen Jahren
das heute oft so schnöde behandelte Makart-Bouquet. Kaum
war es sozusagen „auf den Markt" gekommen, als man in
allen Schichten des Wohlstandes und Reichthum s ohne Neberlegen seine
Wohnung mit solch' einem neuen kunstgewerblichen Lrzeugniß zu be-
reichern pflegte. Zn stilgerechte wie in völlig stillose Zimmer hielt es
triumphirend seinen Linzug, aber die ursprüngliche Form- und Farben-
stellung behagte den Inhabern der letzteren bald nicht mehr, Unbefugte
bemächtigten sich der nicht schweren Herstellung dieser Bouquets, und dem
„Geschmack" der breiten Menge Rechnung tragend, wurde allmählich
ein mit Pfauenfedern überladenes, in den schreiendsten Farben prangendes
Ungethüm, das womöglich gar noch durch riesenhafte Mohnblumen,
Sonnenrosen rc. aus Stoff oder Papier „verschönert" wurde.

Ich ging jüngst über den Dresdner Alt-Markt, wo an Marktagen
drei bis vier Frauen mit gefärbtem und rohem Material zu derartigen
Bouquets einen schwungvollen Handel treiben, und mitunter auch gleich
fertige Maare in Bereitschaft halten. Line derselben hielt mir ein
Thaos, aus froschgrünen, rosaen und himmelblauen Gräsern, etlichen
pfaufedern, Mohn-, Stern- und Butterblumen zusammengestellt, ver-
lockend unter die Nase, vermuthlich in mir einen Käufer witternd, weil
ich starr vor Staunen das farbige Unding betrachtete.

„Was ist denn das, liebe Frau?" fragte ich unwillkürlich.

„Na, das seh'n Sie doch! Ein Makart-Bouquet!"

Ich mußte hellauf lachen und scheerte mich des Kuckucks drum,
daß die durch meinen Heiterkeitsausbruch beleidigte Verkäuferin, unter-
stützt von ihren holden Genossinnen mir etwas, was ungefähr wie

„verrückt" klang, nachflötete. — Za, wenn derartige Produkte für
Makart-Bouquets gelten, und sie thun dies wirklich beim großen Publikum,
dann ist es kein Wunder, wenn der Begriff in Mißkredit gerathen ist.
Solch' ein Unding vermag schon die einfache Bauernstube zu verun-
stalten, wie viel mehr noch die nach städtischen, verfeinerten Ansprüchen
eingerichteten Zimmer unserer Wohnungen. Ls wird Manchen geben,
der die Urform des Makart-Bouquets kaum kennt, und wirklich findet
man fast nur noch in rein kunstgewerblichen Verkaufshallen dasselbe
unverfälscht vor. Ls ist und war von Anbeginn seines Daseins ein
aus gedörrten Gräsern, Schilfen- und palmblättern leicht und unge-
zwungen zusammengestellter, einseitig gebundener Strauß, dazu bestimmt,
eine Zimmerecke füllen oder ein Schränkchen rc. bekrönen zu helfen.
Gerade die Naturfarben, das schlichte weiß und Grau, tragen einen
Haupttheil zur Bestimmung des Makart-Bouquets bei, und bei unserem
heute vorherrschenden Geschmack an bunten, gefälligen Farben in
Möblement und Tapete, ist eine derartige ruhige Unterbrechung höchst
wirkungsvoll. Andererseits wieder haben wir auch die in matten Tönen
gehaltenen Zimmereinrichtungen, wie beispielsweise bei den Speisezimmern
im Renaissancestil, man findet da des Vesteren das Büffet mit einem
Makart-Bouquet bekrönt, und wenn auch wohl eine große Büste noch
besser dort am Platze sein dürfte, so läßt sich doch nichts dagegen ein-
wenden, zumal wenn das Bouquet in einem alterthümlichen Steinkruge
steht, wie man sie jetzt m so schönen Imitationen in jedem guten
Porzellan- und Steingutgeschäft finden kann. —

Von dem Gedanken ausgehend, daß man durch Gegensätze wirkt,
mag man nun darauf gekommen sein, die fahlen Farbentöne des
Bouquets zu der übrigen farbenarmen Einrichtung zu nüchtern und
fade zu finden, und man hat den Versuch gewagt, in das Bouquet
etwas mehr Leben hinein zu bringen. Am geschicktesten ist dieser
 
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