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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Hornig, Fr.: Geschmack und Stil
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Celluloid-Spiegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0047

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Februar-Heft.

Illust r. kunstgewerbl. Zeitschrift für Zn neu-Dekoration.

Seite 23

^ persönlichen Geschmackes zu unterdrücken. Renaissance, Rokoko und
arock, sie alle drei lassen sich fehlerfrei und dabei in doch gar mannich-
§acher Art zur Durchführung bringen. Abzuleugnen ist ja nicht, daß
ö'e reine Stil-Ginrichtung etwas Steifes, Unduldsames hat, ja gewisser-
maßen sogar befremdend und erkältend zu wirken im Stande ist. Letztere
Wirkung tritt besonders dann ein, wenn der Inwohner der Räume
^icht mit seinem Gefühl verstanden hat, das kleine unerläßliche dekora-
tive Beiwerk, welches den Aarakter der Persönlichkeit wiederspiegelt,
anzubringen, sondern sich damit begnügt hat, durch fremde Hand ein
Muster-Zimmer in diesem oder jenem Stile einrichten zu lassen. Der-
artigen Räumen fehlt allerdings, trotz aller Stilreinheit, der Aarakter des
heimischen und Wohnlichen, und machen dieselben mehr den Gindruck von
Schau-Zimmern eines leerstehenden Schlosses, wo man nichts tadeln
kann, wo man sich aber auch nicht wohl befindet. Wenn darum so
Diele gegen stilvolle Zimmer-Ginrichtungen eifern, so findet dies in
Vbengesagtem zum großen Theile seine Begründung, und man muß
entschieden zugeben, daß ein stilvolles Zimmer, das einen: wirklich
leinen persönlichen Geschmack seine Ausstattung verdankt, oftmals eine
lchönere Wirkung zu erzielen vermag, als ein streng nach den Gesetzen
einer bestimmten Aunstrichtung eingerichtetes, welchem der Stempel der

Individualität fehlt.

Es liegt oft eine erklärliche Zaghaftigkeit vor, eigene Ideen in
einem stilgerechten Raume zur Ausführung zu bringen, einfach darum,
^eil selbst der gebildete Laie manchmal nicht recht Bescheid weiß, wie
^eit er gehen darf, und wo es mit seiner „Ideen-Freiheit" zu Gnde

Gs wird viel gefehlt im Juweitgehen, aber mindestens eben so

im zaghaften Unterlassen; dem Individualismus, d. h. den: per-
sönlichen Geschmack ist durch Anbringen von Bilderschmuck, Basen,
Statuetten, Tischen, Teppichen und Stoffdraperien in jedem Stile un-
^ndljch viel Freiheit gelassen, so daß ein künstlerisch Gebildeter die Be-
schränkung durch den Stil kaum empfinden wird. Daß in ihm eine

^gebunden, frei, ist der Geschmack, soweit er kein Aunstgesetz aner-
^nnt. hier kann der Einzelne in sein heim Zusammentragen, was er
^nr schön, für nützlich, für angenehm hält; hier kann er neben und
aufeinander setzen, was und so viel ihm behagt; er darf die feindlichsten
Farben nebenander bringen, kurz, er scheert sich bei der Einrichtung
seiner Wohnung um Nichts, als eben um seinen „Geschmack". Nun,
'venn es wirklich Geschmack ist, der mit Farben- und Formensinn und
Mit der Verhältnißstellung der einzelnen Gegenstände zum Ganzen zu
Rechnen versteht, so kann tatsächlich eine Einrichtung zu Stande kommen,
ö'e das künstlerische Empfinden des Aritikers zu befriedigen, ja selbst
Zu begeistern vermag. In solchem Falle muß man es dann aber mit
emem festen, ureigensten Willen und Empfinden zu thun haben, welch

seltene Eigenschaften sich durch Originalitäten bekunden. Fehlen diese,
so wird einfach das gemächliche, praktische heim der breiteren Volks-
schichten fertig, bei dem es hauptsächlich auf den anspruchslosen Be-
griff hinauszielt, daß es „hübsch" ist-

Unter der breiten Flagge des „Geschmackes" segelt die größte Ab-
surdität, die verwegenste Effekthascherei, und — der scheinbare Wider-
spruch mag komisch klingen — die fürchterlichste Geschmacklosigkeit!!

Wenn beispielsweise die Tochter Albion's ein verwaschenes herbst-
zeitlosen-lila neben Safrangelb und Laubfroschgrün setzt, so nennt sie
das ihren — Geschmack. Und wenn die englische sich glaube, es war
die englische?) „Mode" die Gepflogenheit eingebürgert hat, ein Zimmer
derartig mit Tischen, Tischchen, Stühlen, Sesseln, Tabouretts, Fuß-
Bänkchen und -Rissen aller Holzarten, Stile und Farben zu verbarrika-
diren, daß der unglückliche Sterbliche, der eine solche „Möbelhalle"
betritt, mit Schaudern vor solchem Lhaos zurückbebt, durch das sich
hindurch zu winden eine Unmöglichkeit ist, — so darf man doch gewiß
sagen — wenn das „Geschmack" sein soll, dann fort mit dieser Stil-
und Aunstgesetzlosigkeit! Ls geht eben hier wie überall — die Freiheit
artet nur zu leicht in Zügellosigkeit und weitgehendste Schrankenlosigkeit
aus und die Nothwendigkeit der Gesetze ergibt sich durch die Erfahrung
im praktischen Leben; das gilt aus allen Gebieten und auch hier in
der Aunst und im Aunstgewerbe! Möge darum der Einzelne getrost
seinen individuellen Sinn fürs Schöne unter die Oberleitung des Runst-
gesetzes, des Stiles, stellen; er wird dann sicher bald zu der Ueber-
zeugung gelangen, daß nur da, wo „Geschmack" und „Stil" sich fried-
lich die Hand zu gemeinsamem Schaffen reichen, etwas Einheitliches
und Schönes erstehen kann! —

Celluloid-Spiegel. Die Zerbrechlichkeit der gewöhnlichen Glas-
Spiegel hat vielfach zu Uebelständen Veranlassung gegeben und schon
öfters haben Fachleute versucht, einen Ersatz zu schaffen. Wie „Acker-
manns III. Wiener Gew.-Atg." mittheilt, hat nun ein Amerikaner einen
Spiegel aus Telluloid verfertigt, der allen an ihn gestellten Anforderungen
entspricht- Das Telluloid verbindet Härte mit Elastizität, wodurch es
geeignet erscheint, allen etwa vorkommenden Zufälligkeiten zu wider-
stehen; gleichzeitig besitzt dasselbe eine große Politurfähigkeit. Bei Her-
stellung dieser Spiegel wird eine durchsichtige Lelluloidplatte von ent-
sprechender Größe auf der Rückseite mit Silber oder einem anderen
Metallüberzug, ähnlich wie bei den Glas-Spiegeln, bedeckt; als Rückwand
dient ein nochmaliger Reberzug von undurchsichtigen: Telluloid. Das
hier für den betreffenden Zweck verwendete Material besitzt den Vorzug,
daß es sich leicht mit den: Metall verbindet und daß in ihm die zur
Befestigung des Spiegels nöthigen haken oder Ränder aus leichte und
sichere Weise angebracht werden können. Diese neuen Spiegel sind be-
sonders für solche Plätze empfehlenswertst, an welchen gewöhnliche
Glasspiegel häufig der Zertrümmerung ausgesetzt sind. —
 
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