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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Jäck, Eugen: Der Teppich und seine Wahl für die verschiedenen Zimmer, [1]
DOI Artikel:
Mielke, Robert: Eine Wohnung im XX. Jahrhundert, [1]: Zukunftsphantasie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0012

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Seite 2.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zanuar-Heft.


Teppich und leine für die verschiedenen Hiimner.

Von Lugen Jäck.

ie Aufgabe, kurze und erschöpfende Winke zur Wahl eines und anders arrangirt wird, ein Artikel aber, der seinem Rohstoff
Teppichs für die verschiedenen Zimmer zu geben, gehört und seinem Gebrauch nach aus die Dauer eines Menschenalters be-
sicher zu denjenigen, die sich gleich andern Fragen über unser rechnet ist, darf nicht so leicht zu einein Spielzeug der Mode werden.

heutigen Tages so unendlich ausge-
breitetes Dekorationswesen auf dein
Papier nie erschöpfend behandeln
lassen, weil das richtige Verständniß
dieser lehren immer wieder an dem
einen Punkt scheitern muß: daß sich
für einzelne Farben oder deren Effekte
in gewisser Umgebung keine bestimm-!
ten Werthe, gleich den Noten in der
Musik einsetzen lassen und somit die
genaue Erkenntniß der Darlegung der
einschlägigen Verhältnisse, lediglich
von der individuellen Auffassung ab-
hängig gemacht ist. Und diese wird
um so unklarer und unrichtiger sein,!
je weniger die betreffende Person in
der Materie bewandert ist.

Als erschwerender Umstand kommt
noch dazu, daß das ewige Spiel der
Mode auch den Teppich zum Fang-
ball seiner Laune gemacht hat, gleich
eineni Uleidungsstück, das mit dem
Niedergang der Saison abgelegt wird,
um nie mehr in dieser Form wieder
zu erscheinen. Möge das, was an
den Wänden herumhängt, die Möbel
oder Lckbrettchen bedeckt, die Nipp-
sachen, Fotografie-Rahmen, Fächer,

Tintenwischer und Lampenschirme von ----

Zeit zu Zeit verschwinden und andern „modernen" Sachen Platz machen,

-— die Aenderung wird keine einschneidende sein und die Physiognomie
unserer Wohnung nicht wesentlich umgestalten, zumal ja Zeder weiß,
daß dieses Uunterbunt in jedem Hause und jeden Tag anders sabrizirt

* Abbildung Nr. -Z8Z. „Morgen." von Mart. Wiegand.

— Bei der Auswahl oder Anfertigung
eines Teppichs ist nun Geschmack und
Urtheil unserer Damenwelt, speziell
der Hausfrauen meistens ausschlag-
gebend. Bekanntlich ist aber das
weibliche Geschlecht der Mode in viel
höherem Grade unterworfen, als das
männliche, da die flüchtigere, beweg-
lichere Natur der Frauen sie auch
naturgemäß empfänglicher für alles
Neue macht. Ts muß deßhalb be-
sonders an die Frauen die Mahnung
gerichtet werden, diesem begreiflichen
Zuge der Zeit, bei der Auswahl eines
solchen Artikels nicht zu sehr nachzu-
geben, sondern erst reiflich zu erwägen,
ob ein Teppich schön und passend ist,
weil eben „modern", oder vermöge
seines richtigen Musters und seiner
angenehmen Farbenstellung.

Wohl hat es Augenblicke gegeben,
in welchen es schien, als wollte sich
die Frau „Mode" in den edlen Dienst
der Aunst stellen und auf alle Aus-
schreitungen verzichtend, nur ihren
Bahnen folgen. Dies freundschaftliche
Verhältniß erwies sich aber leider
immer sehr bald als ein trügerisches
und höchst unbeständiges — es war
eben zur Zeit gerade „Mode". — Jener kleinere Theil der Bevölke-
rung also, der sich den Luxus erlauben darf, für seine Wohnungen
Teppiche nach freier Wahl und Geschmack ansertigen zu lassen, sollte
auch stets danach trachten, daß dieser Luxus ein edler sei und nicht

im XX. -Hahrhundert.

Zukunftsphantasie von Robert Mielke.

pätherbst! Tiner der melancholisch trüben Nachmittage, an
denen Norddeutschland so reich ist, neigte sich seinem Ende
zu. Ein Schwarm von Menschen entstieg soeben dem dunk-
len Schacht, der zu der unterirdischen Berliner Vorortbahn hinabsührte,
um sich in die vielen Straßen zu vertheilen, die sternförmig von dem
Platze ausstrahlten. Zwei Männer, der eine in der Mitte der Dreißig
stehend, der andere ein wenig jünger, bogen in eine der vielen Neben-
alleen ein, die sich durch das leicht bewegte Gelände hindurchzogen.
Zu beiden Leiten begleiteten sie die in grünlicher Patina schillernden
Aluminiumgitter der Vorgärten, durch deren Metallstäbe sich wilder
Wein, in allen Farben vom lichten Goldgelb bis zum dunklen Roth-
braun, hindurchrankten. Trübselig flatterte hier und da ein fahles
Blatt zur Erde, wenn ein Windstoß durch das dürre Geäst jagte, ein
geheimnißvolles Flüstern ging durch die absterbende Natur und zu
wunderlichen Gebilden braute sich, wenn man die Allee hinuntersah,
der wallende niedrige Nebel zusammen. Sonst war es still ringsum,
nur die Schritte der beiden Wanderer und ihre Unterhaltung, die nicht
recht in Fluß kommen wollte, unterbrach die feierliche Ruhe. „Meine
Frau und noch mehr Lieschen werden sich freuen, daß ich ihnen den
seltenen Gast wieder einmal eingefangen habe" unterbrach der ältere
die lange Pause, die sich nach den letzten Worten eingestellt hatte. Du
solltest Dich doch öfter bei uns sehen lassen. Mein neues Heim kennst
Du übrigens noch gar nicht.

Es sind zwei Zahre her, seit wir uns zuletzt in eurer Stadtwohnung
sahen, versetzte der andere, zwei lange Zahre, in denen ich oft im fernen
Ostpreußen an Dich und Dein trautes Heim gedacht habe.

Hoffentlich hast Du dabei auch an meine Schwägerin ein Bischen
gedacht. Sie hat die Verwandlung von einem übermüthigen Backfisch
zu einer Dame überraschend schnell geinacht. Zch fürchte übrigens,
daß wir sie nicht mehr lange behalten werden; sie wird schon längere
Zeit von einem, längst ehereifen Assessor, einem etwas schüchternen,
aber braven alten Anaben angeschmachtet." Er sagte dies in einem
Tone, aus dem inan den Uebermuth heraushören mußte, wenn nicht,
wie in diesem Falle, der Begleiter mit seinen eigenen Gedanken be-
schäftigt war. Du sagst — Du — dann — am besten-

Na was willst Du denn, alter Zunge, Du redest ja, als wolltest
Du einen sechsfachen Mörder durch eine glänzende Vertheidigungsrede
vom Galgen retten. Du brauchst mich übrigens dabei nicht auf den

Damm zu drängen. Besagter Assessor ist-

Zum Teufel, laß mich mit Deinem Assessor in Ruhe.

Nur nicht aufgeregt mein Lieber, wir sind gleich angelangt, dann
hast Du vielleicht etwas inehr Lust zum Anhören.

Die Wanderer waren indeß rüstig fortgeschritten; die Straße, welche
sich hier und da zu einem mäßigen Platze erweitert hatte, über dem
eine riesige Linde ihr Blätterdach ausbreitete oder Fontainen ihre Wasser-
strahlen in melancholischen Accorden hinauf nnd herunter plätschern
ließen, lief jetzt in zwei Linien um einen Erlenbruch herum, der einem
inmitten des breiten Weges laufenden Graben sein Dasein dankte, um
sich jenseits des Bruches wieder zu vereinigen. Zm Gegensatz zu einer
längst vergangenen Zeit, wurden jetzt die natürlichen Erscheinungen
des Bodens nicht gewaltsam corrigiert, sondern, durch Aunst veredelt,
in das Landschaftsbild eingezogen. Die Freunde schritten auf einem
Steg durch den Bruch, an einem Rondell vorbei', inmitten dessen eine
Erzgruppe, einen Raben .fütternden Zwerg darstellend, errichtet war,
um jenseits desselben in eine neue Allee einzubiegen. Bald standen sie
 
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