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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Heiden, Max: Farbengebung im modernen Kunstgewerbe, [1]
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Minkus, Fritz: Kunstgewerbliche Bazar-Waare
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0178

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Juli-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift

hat der Maler bei der Arbeit seine Skala zur Hand, die ihm angibt,
wie jede Farbe anders aufbrennt. Er hat nach Gesetzen der Lhemie
zu erwägen, mit welchen Mischungen und wie er auf Thon, Porzellan
oder Email operiren muß, damit ihm der Gegenstand nicht verdirbt.

Alles ist in jedem einzelnen Falle noch abhängig vom Brande: zu wenig
oder zu starkes Feuer übt auf das Gelingen des Merkes einen anderen
Einfluß aus.

Zn der hohen Kunst führt die Farbe ihre eigene selbständige Sprache,
wodurch es dem stilgeübten Auge möglich ist, ein Bild nach Zeit und
Meister zu unterscheiden, auch wenn die Schule nicht gleich durch das
Motiv bezeichnet ist. Zn der Kunstindustrie ist die Bestimmung alter
Merke nach der Farbe nicht ausgeschlossen; doch hieraus gleich einen
bestimmten Meister zu folgern, wäre gewagt; es ist schon schwer genug,
unter besonderer Berücksichtigung von Technik und Zeichnung des
Gegenstandes, seinen Ort der Verfertigung festzustellen.

Eine andere Frage schließt sich aber hieran an: Mie verhält sich
die moderne Farbengebung zu den erhaltenen Vorbildern früherer <-)eit,
deren unser junges Kunstgewerbe bedurfte? Zn Allein haben wir uns
den älteren kunstgewerblichen Gegenständen angepaßt. Schulen, Museen,
städtische und staat-
liche Merkstätten sind
errichtet worden, um
olle jene verloren ge-
gangenen Kunstfertig-
keiten der Form und
Technik an der Hand
guter Originale dem
sy. Zahrhundert wie-
der zu eigen zu ma-
chen; nur die Farben-
gebung ist ihren eige-
nen Meg gegangen.

Die Erklärung hier-
für ist ziemlich einfach.

Das alte Vorbild hat
sich in Form und
Technik nicht verän-
dert, wohl aber in
Farbe: ihre Erhal-
tung ist abhängig von
Licht und Luft.

Am Meisten da-
von betroffen wird die
Textilbranche. Sie übt
ober einen so gewal-
tigen Einfluß auf den
allgemeinen Kunstge-
schmack aus, daß es
sich lohnt, ihr darin

zu folgen. — Sehr glücklich fährt Zapan in seiner modernen Farben-
gebung der Kunstindustrie. Dort weiß man nichts von ausgeprägten
Stilarten des Romanischen, der Gothik und Renaissance, des Barock
oder Rokoko; streng konservativ im Sinne der Formengebung ist auch
die Farbe, d. h. auch sie beruht auf Naturbeobachtung. Zm Bereiche
der Textilia kommt zu alledem noch die technische Fertigkeit in Meberei,
Stickerei und Färberei, welche Hand in Hand geht mit dem Verständniß
für richtige Bearbeitung der Flächenmusterung. Mir glauben den Früh-
ling dargestellt zu sehen in den Mustern der bekannten Krepptücher,
welche theils gemalt und theils gestickt sind: die Miedergabe eines
Blüthenbaumes in Umgebung von Mesen der geflederten Melt — jeden
weißen Birkenstamm mit den dunklen Ringelchen, wie sie sich im Früh-
jahr bei der Abhäutung bilden; selbst der zufällig ausgefallene Thau-
tropfen, den die Maiensonne eben vom Lindenblatt ausgetrocknet hat,
ist durch einen leichten Falbenfleck gekennzeichnet, gleich dem Moos am
ölten Fichtenstamme, welches durch ausgestickte Fäden im Knötchenstich
sinnig seinen Ausdruck gesunden hat. Genau so wie der Zapaner seine
Formen für die Fläche naiv, aber nach stilistischen Grundsätzen zu be-
handeln weiß, verfährt er auch tn der Farbengebung. Ex jst
heute noch der größte Meister des Orients, trotzdem ihm die europäische

für Znnen-Dekoration. Seite sOs.

Anilinbüchse nicht unverschlossen blieb, die er sich für seine billigere
Exportwaare zu Nutze macht.

Diese Mahrheit des Zapaners in seiner Anschauung als Maler
des Kunstgewerbes fehlt uns; wir kopiren nicht nur die Form des
älteren Vorbildes, sondern auch sklavisch die verschossene Farbe. Der
verwöhnte Zünger unseres modernen Kunstgewerbes und noch mehr die
Züngerinnen sind erstaunt, wenn sie in einem umfangreichen Merke der
alten Formenwelt keine Farbenangabe finden. Als ob es möglich wäre,
die Farbe von ehedem in jedem einzelnen Falle genau festzustellen! Mer
sich um die Kunstsormen älterer Zeit mehr kümmert als je nach dem
Bedürfnisse des Unterrichts und der Mode, den: sind die Farben gegen-
wärtig bei der Anschauung jeglichen Ornaments, das aus alter Zeit
stammt. Gerade die getreue Linienführung ohne Beeinflussung durch
die Farbe erhöht den Werth der Karakteristik jeden Stils.

hier begegnen wir einer Lücke in dem modernen Studium des
Aunstgewerbes. Von der Veränderung der Farben, die in Zellen des
Emails oder durch Aufbrennen im Bereiche der Aeramik gebunden
sind, soll hier weniger die Rede sein und doch sind auch sie nicht un-
beeinflußt geblieben durch das moderne Bedürsniß, etwas stilgetreu her-
zurichten. Mir sollten
uns doch einmal alle
die verschossenen Go-
belins auf der Rück-
seite näher beschauen
oder die Tapete der
Rokokozeit, die übri-
gens allgemein den
Ruf genießt, blasse
Farben gehabt zu ha-
ben ! Sobald wir uns
überhaupt mit diesen
Betrachtungen ausdas
textile Gebiet der
Aunstindustrie bege-
ben, bereiten wir dem
geübtesten Aritiker An-
gelegenheiten. hier
hört die Tradition aus,
die Wissenschaft läßt
uns im Stich: das
eigenste Empfinden
setzt ein, um zu be-
urtheilen, wie war die
Farbe des Stoffes zu
alter Zeit und wie
hat man sie im Zu-
sammenhang mit der
erhaltenen Zeichnung
für unsere Tage über-
setzt? Der Antwort auf diese Frage näher zu treten, ist um so wich-
tiger, als sich dadurch der Thätigkeit des Kunsthandwerkers neue Be-
obachtungen erschließen, die ihn ermuthigen, aus dem Gebiete der
Farbengebung selbständiger weiter zu arbeiten. cschi„ß im »nchstc,, ucfr.)

-Eunltgewerblichr

von L. Minkus.

ie hervorragende kulturelle Bedeutung des Aunstgewerbes be-
ruht auf seiner Rolle als Vermittler des guten Geschmacks
an das große Publikum. Der Kontakt des großen Publikums
mit den freien Künsten, der Malerei und der Plastik, ist ein viel zu
geringer, als daß durch diese sein Geschmack merklich beeinflußt werden
könnte: dieser Einfluß beschränkt sich aus die verhältnißmäßig kleine
Schaar Zener, welchen ihre Mittel gestatten, sich mit den Merken der
hohen Kunst zu umgeben, und der Kunstfreunde, aus deren Geschmack
Museen und Ausstellungen läuternd einwirken. Allerdings beschränkt
der Verismus der modernen Kunst auch den Einfluß der letzteren auf
ein geringes Maß, da die fotografische Wiedergabe der Natur den
 
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