Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

DOI Artikel:
Hornig, Fr.: Dresdner Ausstellung von Wohnungs-Einrichtungen: Original-Bericht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0246

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite ^2.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration

September-Lfeft.

resdener Musstellung von

Original-Bericht von F. Hornig.

'ie Ausstellung, im Großen und Ganzen als gelungen zu bezeichnen,
bietet für das Laien-Publikum mehr Interessantes als für den Kunst-
und Sachverständigen. Dies ist ein Fehler zum vortheil des Praktischen,
und, da ja die Aussteller auf Käufer rechnen, so mag darüber nicht
allzu streng gerichtet sein. Der Gesammteindruck, den man beim Eintritt in den
großen Gewerbehaussaal empfängt, ist der eines kunstgewerblichen Bazars, und
mit Ausnahme der durch Säulen abgetrennten Nebensäle ist der Haupt- und Mittel-
saal in der That auch nichts anderes als ein solcher.
Die Mitte wird durch einen erhöhten Aufbau karak-
terisirt, von welchem eine obeliskähnliche Säule auf-
steigt, sehr schön bekrönt durch eine Bronzegruppe,
drei weibliche Figuren darstellend, welche eine Schale
mit Blumen empor halten, die bei eiutretender
Dunkelheit elektrisches Licht ausstrahlen. Während
H ^ ^ letzteres Arrangement von der renommirten Dresdener

Firma K. M. Seifert herrührt, ist die Ausstattung
des Mittelbaues das Verdienst Fr. Pachtmann's,
ebenfalls in Dresden. Hier ist Alles zusammeuge-
^ j ! tragen, was zur Dekoration von Wohnräumen irgend

Verwendung finden kann: Ritterrüstungen, Schwerter,
Trinkhörner, Vasen aller Gattungen, Nippsachen, von denen eine kleine russische
Bronze am Bedeutendsten ist. Lin Mädchen in Pelzmantel fährt auf Schneeschuhen
auf einem Stück Bergkrystall. Die Darstellung ist, wie beinah stets in dieser Branche,
einwandfrei, d. h. ungezwungen, anmuthig und in allen Linien richtig; die Figur
kostet, nebenbei bemerkt, qso Mark. Der Preis, an sich hoch, wird dadurch bedingt,
beziehentlich gerechtfertigt, daß man ein wahres Miniatur-Kunstwerk vor sich hat.
Große Bronzen deutscher Herstellung sind bedeutend billiger; so ist z.B. eine Gruppe
(für einen großen Salon passend): Lentaur eine Nymphe entführend, für qoo Mk.,
sehr schön; desgleichen ein Gladiator für s20 Mk.; beides sind äußerst dekorative

Schmuckgegenstände für Durchschnitts-
Ansprüche. Der Unmenge kleiner kunst-
gewerblicher Erzeugnisse als Briefbe-
, /—schwerer, Albums, Kartenständer u. s. w.
) bis herab zur Brosche (!) sei hier kein

Raum gewährt, denn dies Alles erwartet
man nicht in einer Ausstellung für
„wohnuugs - Einrichtungen". wenden
wir vielmehr unser Interesse den das Mittelfeld umgrenzenden ^eitensalen zu, wo
die eigentlichen Wohnungs-Einrichtungen zu finden sind. Das erste ist ein Rokoko-
salon von Jul. Köhler in Dresden. Helle Nnßbanm-Möbel mit zierliche» Be-
schlagen harmoniren mit mattgrüner Tapete (Rosenbouquet. Dessin) , während die
Helle Decke von Amoretten belebt wird. Die Möbel sind beinahe zu zierlich, und
die Belebung der wände durch eine überreiche Zahl von Kousolchen, leichten Shawls
und Fächern wirkt zu unruhig, richtiger zu spielerisch, zumal man den Eindruck der
Wohlfeilheit nicht abschütteln kann. Bedeutend nobler und ruhiger wirkt das im
gleichen Stil gehaltene Zimmer der Firma L. A. voges (Dresden). Das Möble-

ment in matt Nuß geschnitzt mit vergoldeten Linien
und erbsfarbig grundirtem Seidenstoffbezug, auf dem
sich in lichtem Blau und Rosa das Muster freundlich
abhebt, erweckt den Eindruck der Gebrauchstüchtigkeit,
und das runde Eck-Sofa mit panneelartigem Sims
mit Nippes bekrönt, wirkt anheimelnd. Zur hellgrünen
Tapete nimmt sich die fraise und grünfarbige Fenster-
draxerie sehr gut aus. Wie vorauszusehen, ist Rokoko
am häufigsten vertreten, und als damit zusammen-
hängend, beherrscht Nuß und Eiche die Ausstellung.
Mahagoni ist nur ein einziges Mal vertreten, und
da in künstlerisch indifferenter weise; dagegen sind
unsere einheimischen Hölzer, insonderheit Kiefer, sehr
glücklich zu Ldelholz-Imitationen verwendet. Derartige Imitationen sind zum Theil
nur für Kenneraugen vom Edelholz zu unterscheiden, und haben den Vorzug bedeu-
tender Billigkeit verbunden mit Dauerhaftigkeit und gleicher technischer Ausführung
wie die sogenannten „echten" Möbel. Man kann getrost sagen, das Hervorragendste
der Ausstellung ist in solcher Imitation gearbeitet: nämlich die beiden bürgerlichen
Zimmer von Hermann Streil (Wurzen). Selbige verdienen diese Bezeichnung

in Bezug aus Billigkeit, auf künstlerische Harmonie der Möbel untereinander, sowio
durch trauliche Wohnlichkeit, welch letztere Wirkung besonders durch den erkerartigen
Hochsitz von Geländer begrenzt, hervorgerufen wird, der dem Nähtisch der Hausfrau
unbedenklich neben dem Bücherschrank ein berechtigtes Plätzchen anweist. Dieses
„einfache bürgerliche Wohnzimmer" im Preise von soo Mark, enthält Möbel von
Kiefernholz, alteichen bis zur Täuschung ähnlich gebeizt, und mit Kerbschnitt
geschmückt, eine ebenso solide als billige und hübsche verzierungsart. Ein Beweis
für den Anklang, welches besagtes Zimmer,
das sich übrigens an gothischen Karakter
anlehnt, gefunden, ist, daß es bereits vier-
mal gekauft wurde. Achtmal dagegen
wurde das angrenzende Schlafzimmer an-
gekauft, unter Anderen von Herrn Hofrath
Prof. Grass, Leiter der Dresdener Kunst-
gewerbeschule. Die Möbel sind hier eben-
falls Kiefer, aber natur lackirt; die Arbeit
ist einfach und sauber, der Preis 250 Nk.;
das lichte Gelb ist vielleicht für unser
an dunkle und matte Farben gewöhntes
Auge etwas zu hell, es sticht ordentlich naseweis von den übrigen Farbentönen
ab,, doch dürste dies durch eine entsprechend mattgrundirte blumige Tapete und
passende Vorhänge bedeutend gemildert werden. Die Preise sind im verhältniß zum
Gebotenen wahrhaft überraschend niedrig, und so mancher Möbelfabrikant kann
hier lernen, geschmackvoll, solid und billig zu arbeiten — ein Dreiklang, dem man
in interessirten Kreisen gerne das Vorhandensein abspricht! Außerdem ist rühmlich
anzuerkennen, daß hier die Hersteller des Entwurfes (Schilling <L Gräbner in
Dresden) zugleich mit der Firina genannt sind, eine Gepflogenheit, die auf dev
Ausstellung so ziemlich einzig dasteht. Und doch ist der entwerfende Künstler dem
ausführenden Handwerker oder Fabri-
kanten mindestens gleichwerthig. —

Wie schon eingangs bemerkt,
scheint die Ausstellung im Durchschnitt
mehr für den Laien, für das große
Publikum bestimmt, und darum ist
es erklärlich, daß der berufliche Kunst-
verständige wenig Auffallendes findet.

Unter dieses Wenige ist außer Obigem
ein Speisezimmer aus amerikanischem
Nußbaum im englischen Elisabeth-Stil zu rechnen. Die wände, etwa Hern mit
Holzpanneelen verdeckt, sind mattgrün gleichfarbig tapezirt, das Büffet ist wuchtig,
von der Tafel aus ein Säulenbau, der durch reiches Schnitzwerk überdacht wird."
Die Stuhlsitze zeigen bunten Lederschnitt (sehr wirkungsvoll), und eine große Eck-
Standuhr ist unterhalb des Zifferblattes grottenartig ausgehöhlt, um einen getriebenen
kupfernen Wasserhalter nebst Becken zu fassen. Als wiederum einzig dastehend, ist
in diesem Zimmer durch entsprechende Holzverkleidung der Ofen, resp. der Kamin
angedeutet, zu dessen beiden Seiten sich je ein einsitziger sogenannter „Schmollwinkel"
einschmiegt. Die Posamenten, von G. Scheiber in Dresden geliefert, passen sich
mustergültig dem Stile an, ohne irgendwie
aufdringlich zu wirken, ein Fehler, dem
viele Rokoko-Linrichtungen verfallen stnd.

Besagte Firma hat überhaupt in Formen,

Färbungen und was subtile Ausführung
anbetrifft, ganz Hervorragendes geleistet,
und wie beinahe die gesammte Ausstellung
mit dem Nöthigen von ihr versorgt ist,
so dürfte sich auch m der Geschäftspraris
kaum eine Firma finden, die mit mehr
künstlerischem verständniß und Feingefühl
arbeitet, als eben genannte. — Was Stoffdraperien anbetrifft, so hat man in dev
Ausstellung wie gewöhnlich etwas zu viel gethan, besonders in den Schlafzimmern;
dort möchte ich schon aus Gesundheitsrücksichten gegen solche opponiren, denn im
Grunde genommen ist die noch so schöne Draperie eben doch blos ein — privilegirter
Staubfänger! Die ausgestellten Schlafzimmer sind, mit Ausnahme von etwa dreien,
in Rokoko gehalten, wie man denn überhaupt diesem Stil viel Raum zur Ver-
fügung gestellt hat; bei sämmtlichen aber hat man über die Betten einen Thron-
 
Annotationen