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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schulze, Otto: Uebt die Ausstattung der Wohnung einen Einfluss auf den Menschen aus?
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Mielke, Robert: Eine Wohnung im XX. Jahrhundert, [2]: Zukunftsphantasie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0022

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Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zanuar-Heft.

feines Besitzes, zumal jenes Besitzes, der ihm Heim und Heimath
zugleich sein soll. — Reine normal veranlagte Natur kann sich guten
Eindrücken verschließen, wohl aber schlechten ausweiche». Zn sonniger
Hrühlingslandschaft muß mir das verrostete Herz aufgehen, um neuem
Leben, neuein Sehnen nach Besseren: und Schönerem Herberge zu geben.
Wenn wir Verlangen haben, uns mit Schönheit zu umgeben, dann
wird sie auch mit beredten Worten
zu uns sprechen, wird uns den: Häß-
lichen, Widerlichen und Abstoßendei:
entfremden. Wer das Schöne liebt,
muß auch den: Guten, den: Wahren
zugethan sein! Mit nur selbst kann
ich nur zu Rathe gehen in meinem
„Heim". Hier kann ich begangene
Hehler überdenken, kann gute Vorsätze
fassen, und dies Alles mit hinaus-
nehmen für den Verkehr mit dem
Nächsten. Zn schmucklosen, unfreund-
lichen Räumen kann der beste Rarakter
Schiffbruch leiden. Nur gute Vor-
bilder können uns anspornen, unser
Wesen veredeln und unfern Daseins-
zweck tiefer erkennen lassen. — Wie
scharf langer Aufenthalt in entspre-
chenden Räumen seine Schatten über
Generationen wirft, zeigt uns der
Grönländer. Er ist lichtscheu, miß-
trauisch, blöde und beschränkt: er ve-
getirt nur in dunklen, den Geist be-
engenden und den Blick trübenden
Löchern. Wie ganz anders der Be-
wohner der Steppe, der Besitzer luf-
tiger Zelte. — Denken wir an uns,
die wir nicht nur schaffen, um unser
Dasein kümmerlich über Wasser zu
halten, sondern auch genießen wollen, der Hreude und dem Licht uns
zuwendend, das belebt und erhebt. Zeder neue Schmuck des Heims
bringt uns einen Schritt weiter. Arm ist das Herz, das keinen Wunsch
mehr kennt! — Behaglichkeit, Ruhe, Erbauung, Aufrichtung und Halt

Abbildung Nr. 492. „Abend." von Mart. Wiegand.

müssen wir haben, um erfolgreich unfern Platz zu füllen. Auch im
bescheidensten Raun: kann Runst und Schönheit beisammen wohnen,
und diese vereinigte Wacht können wir auf uns wirken lassen wie eine
Erziehung. Wo gesunde Sinne sind und überwachende Augen, da wird
die Schwerkraft für jede gute Erziehung, für jede Hörderung geistiger
und seelischer Anlagen in: geordneten und geschmückten Hein: liegen

müssen. Schon beim Rinde muß man
mit der Rarakterbildung beginnen, es
heißt nicht umsonst: „in: Rinde ist
etwas Heiliges", es soll durch die Er-
ziehung geweckt werden! Alles, was
ihr darin irgendwie thun könnt, thut,
ihr thut es für Recht und gute Sitte,
für Staat und Gesellschaft — noch
mehr: ihr thut es für das Glück und
Gedeihen eurer Rinder!

Zch kann hier nur mit prak-
tischen Dingen operiren: Ordnung
muß für Ordnung erziehen, Müßig-
gang muß zun: Müßiggang verleiten,
Bethätigung im Heim erzieht zur Ar-
beit, Licht muß zun: Licht ziehen, und
Harbe, Schönheit und Harmonie kann
nicht zu Häßlichkeiten verleiten und
ins Dunkel zurückstoßen, jedes muß
das Gemüth adeln und vom Niedern
ablenken. — Zedes einzelne Möbel
fordert ja geradezu als Vorbild ge-
nommen zu werden; es hat Zweck-
bestimmung und Pflichten, und in
welch' reicher Sprache reden die Zier-
stücke, die Teppiche, die Higuren und
Bildwerke zu uns im Heim! Das
farbige Henster, die Blume im Zimmer
und alle die Schönheiten und Annehm-
lichkeiten! Gebt euren Rindern diese Vorbilder, diese Anregungen,
Empfindungen, daß sich Sonnenstrahlen, Hrohsinn und Lebensfreude in
die kleinen lebenswarmen Herzen senken, um für die Rarakterbildung
Verwendung zu finden. Wenn wir auch selbst schon über Manches

vhnung im XX.

ahrhundert.

Zukunftsphantasie von Robert Nielke. (Fortsetzung.)

achdem Berner seinem Hreunde das Aeußere seines Besitzthums
genügend gezeigt hatte, lud er ihn ein, näherzutreten, um,
wie er sich scherzend ausdrückte, auch das Znnere mit seinem
lebenden Znventar zu sehen. Auf dem Treppenabsatz standen mehrere
kastenartige Gestelle, in deren kreisrunde Oeffnungen beide nacheinander
ihre Hüße steckten. Ein Druck mit dem Hinger auf einen Wandknopf
genügte, um die in denselben befindlichen Bürstenwerke in Bewegung
zu setzen und die durch die Wanderung schmutzig gewordenen Stiefel
zu reinigen. Dann öffnete Berner die Thür; er bediente sich dabei
eines winzig kleinen Schlüssels, der mit dem Aufschließen zugleich eine
elektrische Rlingel im Znnern ertönen ließ. Während er noch thätig
war, die Thür wieder zu schließen, ließen sich aus dem Nebenzimmer
trippelnde Schritte hören und ehe er sichs versah, hatte sich ein aller-
liebster kleiner Engel mit den Worten an seinen Arm gehängt: „Papachen,
Papachen, heute thust Du mir wieder eine Geßichte erßählen, nis wahr?"
— Gewiß mein Rind, aber nun sage erst guten Tag zu dem Gnkel,
den ich Dir mitgebracht habe. — „Suten Tag, Onkel, kannst Du auch
so sute Geßichten erßählen, wie der Papa?" Und ohne Antwort ab-
zuwarten, war der kleine Robold wieder beim Papa, um ihm all die
Neuigkeiten zu erzählen, die sein Rindesherz bewegten. Unser Hreund
hatte indeß Zeit, sich in den: Raun: umzusehen.

Es war ein mäßig großer Raum von etwa 5 zu 9 lv. Der
Estrich bestand aus mattrothen und weißen Hliesen, die zu geometrischen
Mustern zufammengestellt waren. Zede ornamentale Ausschweifung
als Blumen, Rurven und dergl. war vermieden; keine dominierende
Mitte war vorhanden; gleichmäßig, indifferent breitete sich das Muster

aus, nur ein schmaler Saum wurde durch dunklere Steine gebildet. Zur
Linken vom Lintretenden führte eine, fast 2 iA breite, rechtwinklig
gebrochene hölzerne Wendeltreppe zum oberen Stockwerk empor. Ge-
schieden wurde diese Treppenecke, die gerade den Raum des außen
bemerkbaren Thurmes einnahm, von dem offenen Theil der Halle durch
einen, auf Holzpfeilern sich erhebenden Doppelbogen, in deren Zwickel-
flächen sich schmiedeeiserne Halter mit Laternen befanden. Malerisch
umgab den Mittelpfeiler ein Blumenksgel, aus dem der ausdrucksvolle
Broncekopf des ersten deutschen Reichskanzlers herausschaute. Lin s
hohes Holzpanneel bekleidete, nur von den einfachen Thürrahmen unter-
brochen, den unteren Theil der Wände, die aus gelblich getönten,
glänzenden Hliesen ausgeführt waren. Das Muster bestand eigentlich
nur aus bläulichen, diagonal verlaufenden Linien, das nach allen Seiten
durch eine breite Bordüre abgeschlossen war. Eine Holzleiste vermittelte
schließlich den Uebergang zu der Balkendecke. Alles Holzwerk, Treppe,
Bogen, Thüren, Decke war leicht getöntes Eichenholz, dessen matte
Oberflächen durch gelegentliche Messingbeschläge unterbrochen wurden.
Licht erhielt dieser Hlur durch das über der Eingangsthür befindliche
Oberlicht- und die neben dieser und im Treppenthurm angebrachten
großen Henster. Man konnte auf den ersten Blick die Aufgabe dieses
Raumes, als Vor- oder Warteraum zu dienen, erkennen; darauf wiesen
sowohl die spärlichen Sitzmöbel wie das ganze dem Auge wohlthuende
Arrangement hin. Darum war jeder aufdringliche Prunk vermieden;
ernst, fast streng waren die Hormen, klar die ganze Disposition und
doch lagerte eine stimmungsvolle Behaglichkeit über dem Ganzen, die
durch die farbigen Henster, hier nur zun: Lichtdurchlassen, nicht zum
Hinausfehen dienend, angenehm verstärkt wurde.

Mit den Worten: „Romm und gib meinen Damen auch Gelegenheit,
Dich zu begrüßen," störte Berner den Hreund in seinen Betrachtungen.
 
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