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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Braunmühl, Clementine von: Die Ausschmückung der Wohnräume durch Frauenhände
DOI Artikel:
Otto, Karl Heinrich: Die Einrichtung der Kinder-Zimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0116

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Seite 66.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Mai-Hest.

während zur Zeit des Rokoko chinesische Erzeugnisse die Salons schmückten,
oder zu der Einrichtung der Reichen gehörten. Eine zu große Strenge
in solchen Dingen würde das Behagliche, Wohnliche des Hauses we-
sentlich beeinträchtigen, da damit oft die theuersten Erinnerungen oder
werthvolle Gegenstände verbannt würden und unsere Wohnungen ja
keine Musteranstalten für Stilreinheit sein sollen. Es wird neuestens
mit Recht sehr bedauert, daß
zur Zeit der Gothomanie
unseres Jahrhunderts aus
den gothischen Rirchen die
kostbarsten Renaissance- und
Rokokoeinrichtungen hinaus-
geschafft und verschleudert
wurden, mn nüchternen,
schablonenhaft hergestellten
Spitzbogen- und Aalenheili-
gen Matz zu machen.

Harmonie zwischen dem
Schmuck und der Bestim-
mung der Wohnräume. Wir
haben da vom Einfachen
zum Munkvollen, vom In-
timen zum Geffentlichen vor-
zuschreiten. Der Schmuck
soll nie in unverhältniß-
mäßigem hohem Werth ge-
genüber der Bestimmung der
Wohnräume stehen. Wenn
sich auch Lord Elsmere
erlaubt, in seinem Palast
Bridgewaterhouse in London
die nach letzterem benannte
Madonna von Rafael in
seinem Schlafzimmer aufzu-
hängen, statt sie seiner werthvollen Galerie einzuverleiben, so steht das
in Harmonie mit seinem ganzen Besitz. Besitzt aber ein einfacher
Privatmann ein einziges oder ein paar werthvolle Gemälde, so gehören
sie zu dem Besten oder sind das Achtbarste was er hat, sollen demnach
einen Wohnraum, welcher nicht profanen Zwecken dient, den Salon

oder das Besuchszimmer, wie man es heißen möge, oder das Studir-
zimmer des Herrn schmücken. Außerdem sind Gemälde so zu vertheilen,
daß diejenigen, welche sich auf die Familie beziehen, Mrtraits oder
persönlich werthvolle Darstellungen, im Schlafzimmer oder in den
Familien-Wohnungen ausgehängt, Werke von künstlerischem Werth hin-
gegen in den der Geselligkeit oder der Repräsentation gewidmeten

Räumen untergebracht wer-
den. Aus die Technik der
Aunstwerke ist auch möglichst
Rücksicht zu nehmen, so daß
nicht Gelgemälde, Aquarelle
oder Stiche ein unharmo-
nisches Dasein nebeneinander
zu führen gezwungen sind.
Gelgemälde passen am besten
in lichtgedämpfte, reichere
Räume, Aquarelle und Stiche
in einfachere, Helle. Speziell
die neuestens beliebten Pastelle
gehören nur in ganz lichte,
möglichst Rokokoräume und
sind mit Goldrahmen zu um-
geben. Bon Gebrauchsge-
genständen gehören nur solche
zur Ausschmückung der
Wohnräume, bei welchen der
künstlerische oder ethische
Werth den materiellen über-
trifft. Das Auslegen von
Silberzeug und möge es auch
durch schöne Form, Gravi-
rung oder sonstige künstle-
rische Zuthat ausgezeichnet
sein, in Glasschränken, selbst
des Speisezimmers, ist eine absolute Geschmacklosigkeit. Line Ehren-
gabe an den Herrn des Hauses aber, zur Anerkennung seiner Verdienste
im öffentlichen Leben, und sei auch ihr materieller Werth ein höherer
als ihr künstlerischer, kann im Gesellschaftsraume Ausstellung finden.
In diesem Falle ist der ethische Werth entscheidend. Solche Lhren-

AbbUduiig Nummer 56 u Sprfttz-Zimmep in deutscher Renaissance.

Ausgeführt in der Hof-Möbelfabrik von Eduard Wellhausen in Hannover. Näheres siehe Beschreibung.

Einrichtung der

Inder-

Minner.

von Aarl Heinrich Otto.

müssen wir doch endlich auch mal der lieben „Rleinen"
gedenken, sonst ziehen wir uns in denselben keine Abonnenten
groß. Eigentlich ist ein Uebergehen der Rinder unverant-
wortlich, wo wir doch dem gesummten Heim etwas bieten wollen.

Geradezu göttlich-humoristische Scenen spielen sich mitunter ab,
die unbändig-lustige Schaar der kleinen Trabanten innerhalb der Wohn-
räume in Zucht und Ordnung zu halten. Sind die kleinen Auälgäster
heiter und ausgelassen, so karambolieren sie sicher mit einer anstößigen
Sache und machen „Vätern und Muttern" zu Gesetzvollstreckern, d. h. es
giebt irgend eine Zahlung aus der „Armkasse"; sitzen aber die Herz-
blättchen in den Ecken herum und machen betrübte Gesichter wie Loh-
gerber, denen die Felle weggeschwommen sind, dann spukt für die Eltern
eine Aranlheit herum — Fritzchen und Elschen sind krank. — Ja,
du lieber Gott, wie sollen denn nun die lieben süßen Puten mit ihren
Engel- und Schelmengesichtern eigentlich sein?!

„Bringe die Rinder aus dem Zimmer, sie stören mich, ich kann
nicht arbeiten", so ruft mit sichtbarem Aerger der Vater. Der Herr
Quartaner verbannt sie aus dem Bereich seiner langen Füße, und selbst
die Frau Mutter, das seinsollende Lamm der Geduld, schlägt die Hände

in voller Verzweiflung zusammen-: die Rangen sind in das „gute

Zimmer" gerathen und machen auf den Plüschmöbeln halsbrechende
Schlangenmensch-Runststücke. Selbstredend sind die kleinen Stampf-
beinchen vorher auf der Straße im schönsten Schmutz gewesen — da —
pardauz, Fritzchen wälzt sich nach einem „glücklichen" Fall grunzend
auf dem Boden, nachdem er ein kostbares Nippes vom Tisch geworfen
hat. Rarlchen spielt mit den Scherben und probiert eben, wie das an

seinen fleischigen Fingerchen aus einer Schramme quellende Blut zu dem
lichten Lrome des gehäkelten Sesselschoners paßt: eine vortreffliche
Farbenkombination, das ganze Bild ein prickelndes Sujet für einen
pletsch, Hendschel oder auch Blume-Siebert, aber nicht für zartbesaitete
Elternherzen. — Doch es geschieht euch nach würden und Verdienst,
geliebte Eltern, Jung-Blut will austoben, und wenn das Wetter oder
die Straßengefahr dies nicht zuläßt, gut, dann schafft euren Rindern
einen Raum, in dem sie sich nach Herzenslust austoben können durch
Spielen, Lachen und Lärmen — die Belehrung kann nebenhergehen.

Ich habe mir vorgenommen, hier mal eine Lanze zu brechen für
die lieben Rleinen, Puten, Trabanten, Schelme oder wie sie sonst
immerhin heißen mögen. — Da ist das große, nach dem Hof gelegene,
zweifenstrige Zimmer mit seinem aus der Hand gestellten, doch kaum
zur Geltung kommenden Hausrath und der zweifelhaften Tapete. Auf
den Speicher mit dem ganzen Gerümpel, dann die giftige blaugrüne
Tapete herunter, eine hellblumige dafür an ihre Stelle, die jedoch einen
Meter vom Fußboden abbleibt. Die unteren Flächen der wände werden
mit Gelfarbe stumpf angestrichen, gelblich- oder grauweiß; rechts und
links von den Thüren kann auch je ein Streifen schwarz angestrichen
werden wozu sage ich nachher. Aus Reinlichkeitsgründen ist zu
wünschen, daß eine Thür möglichst auf den Vorplatz jUriträL) oder den
Flur, Eorridor führt. An der einen wand — nicht Fensterwand —
kann eine größere Trittfläche, ein Podium von etwa f : 2 Meter bei
30 Tentimeter Höhe stehen, worauf mit dem Baukasten und Soldaten
gespielt wird; die übrige Fußbodenfläche sei mit Linoleum belegt, darin
vereinigen sich Reinlichkeit und Wärme. Ein 60 Tentimeter hohes
Tischchen, das am Fußboden festgeschraubt ist, mag mit etlichen kleinen
Stühlen und Bänkchen, leicht und handlich, vielleicht tannene Holzbrand-
möbel mit Thier-, Blumen- und Geräthdarstellungen, das gesammte
 
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