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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schliepmann, Hans: Von der Welt-Ausstellung in Chicago, [3]
DOI Artikel:
Bothmer, Heinrich: Die Gobelins, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0323

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Dezember-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite f83.

zusammenzufassen, so möchte ich mich dahin äußern, daß das Ge-
sammtbild der Ausstellung ein geradezu blendendes ist — oder
war, denn schon rüstet man zum Linpacken aller Herrlichkeiten. Amerika
hat fraglos ein ungeheures Werk vollbracht, und gegenüber so vielen
gehässigen Uebertreibungen, deren sich sogar bessere deutsche Blätter
schuldig gemacht haben, muß es betont werden, daß die Schattenseiten
eines solchen Riesenunternehmens keineswegs dunkler sind, als sie etwa
in der deutschen Reichshauptstadt sein würden, wo man Spekuliren
und Schröpfen auch aus s Widerwärtigste versteht. Aber von der all-
gemeinen Idee einer „Weltausstellung an sich" hat Thicago mich
— und viele andere urtheilsfähige Besucher —- gründlich kurirt. Die
Waste des Gebotenen ist eine so große, daß kein Mensch mehr wie
flüchtige Gindrücke heimnehmen kann. Der Spezialist aber fühlt sich

enttäuscht, weil er
(I keineswegs darauf

rechnen kann, un-
trügliche Ver-
gleiche zwischen
den Leistungen der

»nbelrns.

von Heinrich Bothmer.

eine andere Industrie verdient mehr den Namen einer Kunst,
als die der Gobelins oder niederländischen Tapeten, jener
kunstvoll nach Bildwerken gewebten Teppiche, welche als
Wandbekleidung fast den Effekt wirklicher Gemälde hervorzubringen
vermögen. Die Kunst geschmackvoll gemusterte Tapeten herzustellen, ist
im Grient uralt. Schon die Bibel erzählt von figurengeschmückten
Tapeten, mit denen die Mauern der Tempel bekleidet waren. Auch
die Griechen und Römer liebten solche wandbehänge, doch sabrizirten
sie dieselben nicht selbst, sondern ließen sie aus Aegypten und Kleinasien
kommen. Bis zu den Kreuzzügen verblieb dem Grient das Monopol
dieser Industrie,
dann begann auch
derGccident selbst
Tapeten zu fabri-
ziren, die soge-
nannten Sarasins,

" Abbildung Nummer 832. Bibliothek - Schrank mit Sitz

Kulturnationen zu ziehen. Bei dem geringen geschäftlichen Vortheil,
der aus dem Uebermaß der aufgewendeten Wittel resultirt, ist eben die
Lust zur Beschickung, zur ernsten Theilnahme am Wettkampf eine sehr
ungleiche. Und so ist das riesige Bild kein zuverlässiges, sondern ein
schiefes, wollen wir aber die Ausstellungen nicht völlig zum National-
fleber ausarten lassen, sollen sie nicht nur große Schauvergnügen mit
Fremdenausbeutung sein, sondern ehrliche Bekenntnisse: das Alles
können wir, das können wir nicht. Nun lernt daraus! — so werden
wir uns auf nationale Ausstellungen beschränken müssen. Als große
Schau (stelle di^est sKovo iil Me voerlck, prahlt der Amerikaner)
ist Thicago nicht mehr zu überbieten. Hoffen wir aber, daß unsere
nächste „Deutsche Industrie-Ausstellung" — sei sie nun in Hamburg,
Berlin, Frankfurt, München, Karlsruhe oder sonstwo — Thicago an
Systematik und innerer Vollständigkeit so weit überragt, daß unser
Volk daraus wirklich lernen kann — vor Allem auch lernen kann
deutsch zu sein und zu bleiben! —

-Truhe im Nenaih'ance-Stil. Entwurf von A. Huber jr.

von dem französischen Worte für Sarazenen gebildet. Urkundlich steht
fest, daß bereits im Jahre s225 zu jDaris ein Tapetensabrikant, Namens
Renaut, existirte, dem ein von jenem Jahre lautendes Schriftstück das
Halten von Gehülsen und Lehrlingen gestattet. Zu herrlichster Blüthe
aber erhob sich dann diese neue Industrie in Brügge, Arras und Brüssel.
Hinsichtlich der Herstellung von Tapeten sind zwei Arten zu unterschei-
den : Solche, welche mit der Nadel oder am Stickrahmen hergestellt sind
— das berühmteste und älteste Kunstwerk dieser Art ist die „Tapete
von Bayeux, welche der Königin Mathilde, Gemahlin Wilhelm des
Eroberers, zugeschrieben wird —, und solche, welche am Webstuhl her-
gestellt werden. Bei den eigentlichen Gobelins ist die Kette Leinen oder
Kammwollzwirn, der Einschluß theils Seide, theils feines Kammwoll-
garn, welcher die Kette vollständig bedeckt. Die Darstellung der Gobelins
ist gewöhnlich Hautelisseweberei, d. h. die Kette steht senkrecht aufge-
spannt im Webstuhl, oder Baffeliffeweberei, d. h. die Kette liegt horizontal.

Die Entstehungsgeschichte der Gobelins ist aber folgende: Gegen
 
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