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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Bothmer, Heinrich: Die Gobelins, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0324

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Seite s8p

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Dezember-Heft.

das Jahr sqchO kam ein gewisser Iehan oder Jean Gobelin, nach
Einigen aus Reims gebürtig, nach Änderen aus Holland, nach Paris
und gründete un Faubourg Saint-Marcel, wo heute die „Manufakture
National steht, eine Färberei, welche besonders durch ihre herrliche
Scharlachfarbe bald einen hohen Ruf erlangte; wie allgemein, aber
irrthümlich behauptet wurde, sollte das in der Färberei Gobelin ver-
wandte Wasser der Bievre die prächtige Wirkung der Farben erzeugt
haben. Zwei Jahrhunderte lang verblieb die Färberei im Besitze der
Gobelins, indem die Nachkommen des Gründers dieselbe immerfort
vergrößerten und gleichzeitig schwerreiche Leute wurden. Anfang des
l?. Jahrhunderts befand
sich die Färberei im Be-
sitze von Gilles Gobelin,
der fast das ganze Stadt-
quartier an sich brachte
und ein großes palais-
artiges Gebäude, das
„Hotel des Gobelins" er-
baute. Non diesem ging
das Etablissement auf
seinen Schwiegersohn,
das Parlamentsmitglied
„Leleu" über, der es den
Brüdern Eanaye ver-
miethete, welche mit der
Färberei eine Teppich-
und Tapetenfabrik ver-
banden. Im Jahre s655
übernahm der Holländer-
Glück das Etablissement
pachtweise.

Dieser ließ für die
Leitung der Tapeten-
branche aus Brügge einen
sehr geschickten Arbeiter
kommen, der sich Jean
Lionsen nannte und wahre
Kunstwerke schuf, sodaß
der Minister des Innern
Eolbert aufmerksam
wurde und dein Könige
vorschlug, aus der Fabrik
der Gobelins ein staat-
liches Unternehmen zu
machen, da sich ein lukra-
tives Geschäft erwarten
ließe. Im Jahre s662
schloß Eolbert mit dem
Besitzer Leleu den Kauf-
vertrag ab, doch mußte
er dem Pächter Gluck,
dessen Vertrag erst mit
dem Jahre f667 zu Ende
ging, bis zu jener Zeit
die Fabrik lassen.

Jean Lionsen, meist

1 ch licht weg Ians genannt,__

übernahm dann die technische Leitung, während der Hofmaler Lebrun,
welcher schon vordem die Zeichnungen für die Tapeten geliefert hatte,
die artistische Leitung übernahm. Doch blieb die „Manufaktur Gobelin"
nicht nur eine Färberei und Tapetenfabrik, sondern ein königliches
Dekret vom Jahre s667 verlegte in das Gebäude alle möglichen Zweige
für Innen-Dekoration und Ameublement. Ueber dem Hauptportale
aber verkündete eine Marmortafel, daß sich daselbst die „NArnalLctrire
ckes rrieridles äe lu. cOrrronwe " befände. Der Färber-
Jacques Kercoven hatte das Geheimniß, der wolle und Seide einen
bis dahin unerreichten Farbenglanz zu geben, Goldschmiede und Bild-
hauer verfertigten kunstvolle Kandelaber, Leuchter und Einsatzplatten,
deren Zeichnungen mit der der Tapeten in vollster Harmonie standen.

"Abbildung Nr. 822. Hol; - Plafond im gothischen Stil.

Kunsttischler drechselten, schnitzten und vergoldeten die Möbel, Floren-
tiner, unter Leitung des kunstsinnigen Ferdinand da Magorini, kompo-
nirten kostbare Mosaiken, deren wunderbarer Schmelz noch heute auf
den Tischen aus der Zeit Ludwigs XIV. Aller Entzücken entfacht.
Pm Ganzen waren ungefähr 800 Arbeiter in der Manufaktur beschäftigt,
für die Tapeten allein arbeiteten an die 250 Meister, welche zum größten
Theile aus Flandern verschrieben waren. Aus der „Manufaktur Go-
belin" war somit eine Musterschule geworden, in der Kunst und In-
dustrie Hand in Hand gingen. — Der Hofmaler Lebrun, welcher dieser
Schöpfung etwa ein Vierteljahrhundert lang Vorstand und die Seele

vom Ganzen war, be-
günstigte hauptsächlich die
Industrie der Tapeten,
welche allmählig den Na-
men „Gobelin" annah-
men, und die Glanzzeit
für dieselben war ge-
kommen. Es wurde nach
den Zeichnungen des
Schlachtenmalers van der
Meulen, der Blumen-
maler Blin de Fontena-^
und Baptiste Monnoyer,
sowie der Dekoratöre
Froncart und Anguier ge-
arbeitet, und staunens-
werthe Risse und Meister-
! werke, wie die Schlachten
Alexander des Großen,
die Geschichte Ludwigs
XIV., die zwölf Monate,
die Elemente, die Ge-
schichte Mosis und andere
großartige Sujets wurden
als Gobelins dargestellt,

^ deren Werth auf über sQ
Millionen geschätzt wird.
Auch im Atelier der Fuß-
teppiche, welches gleich-
falls feit f662 in der
Gobelin-Manufaktur be-
findlich war, blieb man
nicht müßig. Diese Ab-
theilung war bereits von
Franz I. im Jahre s535
zu Fontainebleau ge-
gründet und zur Blüthe
gebracht worden, dann
aber in verfall gerathen,
bis Henri IV. in Paris
drei Fabriken errichtete,
von denen zwei fürHaute-
lissegewebe, die dritte für
bie Nachahmung orienta-
lischer illuster bestimmt
war; letztere wurde später
nach Ehaillet verlegt in
eine ehemalige Fabrik von „8LVO2.8 (Seifen), weshalb man diesen
Erzeugnissen den Namen „Savonnaies" beilegte. — Obgleich die Er-
zeugnisse der Gobelin-Manufaktur in ihren Hauptstücken für die prunk-
vollen Schlosser des Königs bestimmt waren, so arbeitete man auch
sehr viel für private, und Eolbert wußte, wie er den französischen
Handel und die französische Industrie durch hohe Schutzzölle förderte,
auch die Gobelin-Manufaktur durch strenge Verordnungen zu heben,
welche bei schwerster Buße jegliche Einfuhr solcher Fabrikate aus dem
Auslande verboten. — Als Lebrun im Jahre söyo starb, übernahm
sein Rivale, der bereits alternde Hofmaler Mignard, die Leitung der
Gobelin-Manufaktur. Dieser verband damit eine Zeichenschule, ver-
nachlässigte aber sonst seine Aufgabe. (Schluß im zweiic»
 
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