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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schulze, Otto: Die verschiedenen Gebiete der Keramik an der Hand unserer Abbildungen
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Das Kunsthandwerk bei Wilden
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0297

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November-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration

Betrieb, der sich aus kleinen Anfängen von s767 an bis zu der
heutigen Machtstellung entwickelte.

Das Rheingebiet hat im f6. und f7. Jahrhundert eine blühende

Töpfer-Industrie

besessen, so in der Nähe von Bonn und Köln in den Ortschaften:
Siegburg, Frechen, Mecken-
heim, nahe der holländischen
Grenze in Raeren und an-
deren Orten; in der Nähe
von Roblenz Höhr und
Grenzhausen, dem Rannen-
bäckerländchen. Ich erinnere
nur an die herrlichen Reste
in unseren Museen: an die
Siegburger Schnellen und
Pinten aus weißem, gelblich-
weißem und grauweißem
Steinzeug, vereinzelt mit
blauer Färbung; die Freche-
ner Rrüge und Bartmänner
in braunem Steinzeug, die
Raerener Rrüge und Rannen
in braunem Steinzeug und
in graublauem Steinzeug mit
, blauer Färbung durch Ra-
batt; die Arbeiten des
Rannenbäckerländchens —
in den Museen meistens
kurzweg mit „Nassau" be-
zeichnet — aus grauem und
bläulichgrauem Steinzeug
mit Robalt- und Mangan-
färbung als: Rannen, Brod-
und Ringkrüge (nach der
Form des Gefäßbauches), Schreibzeuge, Salznäpschen u. a. Hat Sieg-
burg, Raeren und Frechen die reichsten figürlichen Szenen der biblischen
und weltlichen Geschichte, Mappen, Allegorien, portraits, Bauerntänze
neben einem vorzüglichen Ornament in feinsten Reliefdarstellungen be-
vorzugt, Meckenheim fast nur eingeritztes Ornament verwendet, so treffen

Seite s7s.

wir bei den naffauischen Arbeiten überwiegend ornamentalen Dekor
durch Ginritzen, Eindrücken durch Model, oder Auflegung ausgeformter
Einzelheiten wie Rosetten, Blüthen, Fratzen und Engelsköpfchen, Basen
mit Blumen und ähnlichen Dingen, immer gut symmetrisch angeordnet,

durchbrochener, aufgelegter
zweiter Wandung. Natür-
lich ist die Verwendung von
Wappen und Thieren, be-
sonders an späteren Arbeiten,
die uns eingeritzte Hirsche,
Pferde und Bögel in breit
behandeltem Ornament zei-
gen, nicht ausgeschlossen. —
Aber die Industrien sind
meistens erloschen, die Brenn-
öfen verfallen und örtlich
verrathen uns nur Scherben-
selder mißglückter Brände
Blüthe und Verfall einer
ehemals so hoch entwickelten
Töpferkunst.

Eine Ausnahme hier-
von macht die Roblenzer
Gegend mit Höhr und
Grenzhausen, wo die alte
Runst wieder zu neuen Ehren
gelangt ist. Nicht weniger
als fünfzig Betriebe, darun-
ter elf größere Anlagen mit
zusammen etwa 600 Arbei-
tern weist allein Höhr auf,
woselbst auch eine Staats-
schule für Reramik besteht.
Dümler L Breiden, eine
der ersten Firmen am Platze, nehmen heute in der Reramik eine achtung-
gebietende Stellung ein; ihre nach alten Vorbildern gefertigten Arbeiten
sind in vielen Museen zu finden, die beste Empfehlung, die man kera-
mischen Erzeugnissen geben kann. Die Abbildungen Nr. 8P—823
gewähren uns einen Einblick in den künstlerischen Betrieb, der auch

so bei den reizvollen Sternkrügen mit theils

Abbild, rqz—rqs. Erzeuoniffv der Gräfl. Har rach'scheu Glasfabrik, Neuwelt l. B.

sHulrsthandwerk bei ^Eilden.

unstbandwerk bei Wilden ist bekanntlich nichts weniger als
eine Seltenheit, und zumeist verräth sich gerade bei den Natur-
Völkern recht deutlich in den Formen ihrer Gefäße die That-
sache, daß sich's beim Stilgefühl um ein den Menschen nicht anerzogenes,
sondern angeborenes Bedürfniß handelt. Wir haben auch unter den
„Neudeutschen" in Afrika eine Art von „Runstvolk", die deutsch-ost-
asrikanischen „Epheleute". Lesen wir, was darüber Ernst Henrici in
einem Aufsatze des „Grenzboten" über „deutsche Neger" mittheilt:
„Fast könnte man versucht sein, von Rünstlerehre oder mindestens Hand-
werkerehre zu sprechen. Die Schmiede und Weber besonders sind stolz
auf ihre Runst und geben sie nur selten auf, um einen Handel zu be-
ginnen. Die Schmiedearbeiten — Schwerter, Dolche, Glocken, Geräthe —
zeigen aber auch nicht nur Geschick, sondern auch guten Geschmack;
dasselbe gilt in noch höherem Grade von der Weberei, bei der meist
einheimisches, seltener europäisches Baumwollgarn verwendet wird.
Die Töpferei, dis überwiegend von Frauen betrieben wird, liefert oft
geradezu künstlerische Erzeugnisse, obrvohl die Epheleute die Töpfer-
scheibe nicht kennen. Da werden Teller und Schüsseln, hohe Vellampen,
Wasser- und Palmweintöpfe gesonnt und gebrannt; nur das Glasiren
kennen sie nicht. Auffällig ist die Form der Geräthe: es zeigen sich
keine Anlehnungen an moderne europäische Formen, sondern vielmehr
dieselben Gestalten, wie im alten Aegypten und Griechenland; das
altgriechische Muster tritt besonders deutlich an den hohen Vellampen
und den kraterengleichen Oel- und Palmweinkrügen hervor. Nimmt
man hierzu die Thatsache, daß auch der sehr einfache und praktische
Webstuhl dem altägyptischen gleicht, so ergibt sich schon daraus ein
weitgegangener Rultureinfluß von Aegypten durch den Sudan hindurch,

der vor Jahrtausenden stattgefunden hat. Neben dem Runstgewerbe
tritt stellenweise eine Art von Baukunst hervor. Im Allgemeinen
wohnt das Ephevolk in kleinen Lehmhütten, die mit Gras gedeckt
werden. Es ist aber bemerkenswertst, daß die Epheleute, ebenso wie
ein Theil der Asante und Fanti, nicht runde Hütten bauen, die einen
einfachen runden zeltartigen Aufbau des Daches aus dünnen Stäben und
Gras gestatten, so daß das Ganze ein etwas vervollkommnetes Zelt
darstellt, sondern daß sie vielmehr vierseitige Häuschen aufführen mit
Dachfirstbalken und abgeschrägten Giebeln. An diesen Häusern tritt
in manchen Ortschaften schon ein unzweifelhafter Runstsinn hervor;
denn wie Weberei, Töpferei, Schmiedekunst, Lederarbeiten an einzelnen
Orten herkömmlicherweise mit Vorliebe getrieben werden, so wenden
Andere ihre ganze Sorgfalt auf den Häuserbau und in Verbindung
damit auf eine freilich noch sehr urwüchsige Wandmalerei. Als Farben
dienen dabei für weiß Rreide, für gelb und roth Ocker, für schwarz
Ruß, und diese Farben werden mit einem kleinen Zusatz von fettem
Thon angerührt. Blau habe ich für Wandmalerei nie gefunden, denn
die einzige blaue Farbe, die diese Neger selbst bereite» können, Indigo,
läßt sich für Wandmalerei schlecht verwenden. Gegenstände der Malerei
sind einestheils symmetrische Figuren, die namentlich aus bunten Drei-
ecken zusammengesetzt werden, wie es besonders bei der Bemalung ihrer
kleinen hölzernen Thüren geschieht; anderntheils auch Thier- und
Menschengestalten. Die Menschen, meist breitbeinig von vorn gesehen,
fallen selten gut aus, dagegen erreichen die Darstellungen von Thieren
oft eine hohe Naturwahrheit. Weniger künstlerisch sind die Erzeugnisse
der Plastik, die durchweg Götter- und Ahnenbilder darstellen. Am besten
gelingt den „Bildhauern" an ihren Werken noch der Ausdruck des Ge-
sichtes, an dem das Auge recht hübsch durch geschickt ausgewählte
Raurimuscheln dargestellt wird." — (Gewerbeschau.)
 
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