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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schliepmann, Hans: Kunstschmiede-Arbeiten und Bronzen auf der Welt-Ausstellung zu Chicago: Original-Bericht
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August-Heft.

Seite (27.

sondern es ist gar viele „Fabrikwaare", die für eine „Weltausstellung" nicht in
Frage koininen sollte, zur Schau gestellt. Und Deutschland gebührt hier leider nicht
die erste Stelle. Wohl haben wir auch auf diesem Gebiete keinen „Schund" aus-
gestellt; wohl haben wir ganz vortreffliche Arbeiten in Kaminausstattungen, Lampen,
Statuetten; wohl zeigen namentlich die Kunstgüsse von Gladeubeck L Sohn,
welche Firma ja auch Siemerings Washington-Denkmal zur Ausführung erhalten,
daß auch unsere Technik den höchsten reinkünstlerischen Aufgaben gewachsen ist;
indessen wird mau doch zugeben müssen, daß im Figürlichen den Franzosen, in der
Technik den Japanern noch immer der Preis gebührt. Das ist auch wohl natürlich:
Frankreich hat eben einen „Markt" für seine Figuren und Büsten, die mit ihrer
prickelnden Pikauterie den Geschmack der etwas blafirteu Wohlbegüterteu so vor-
züglich treffen, und Japan hat eine jahrhundertalte Tradition; in Deutschland
aber versteht mau leider noch zu wenig von den künstlerischen Anforderungen an
einen Bronzegegeustand in jenen verhältnißmäßig kleinen Kreisen, die sich einen
kaufen könnten, oder man begünstigt von vorn herein die französischen Waareu.
Es ist fraglos, daß wir, sobald
es sich um ganz ernste Aufgaben
handelt, um Monumeutalguß,
hinter den übrigen Nationen nicht
zurückzustehen brauchen; in Nippes
(Nippes bis zu halber Lebensgröße
freilich) sind wir entschieden noch
immer hinter Frankreich zurückge-
blieben. Sehr ernsthaft sind diese
schelmischen Mädchenköpfe, Puder-
damen, Schäferinnen, Soldaten-
typen usw. ja freilich nicht zu
nehmen, aber sowohl nach der
Seite frischsinnlicher Grazie, kecker
Schelmerei ' und wirkungsvoller
Pose, als nach der zartesten Tönung,

Eiselirung und Patinirung sind
diese „charmanten" Sächelchen ein-
fach nicht zu übertreffen. Am
nächsten kommt diesen Arbeiten
noch Italien, das eine Reihe
außerordentlich frischer Statuetten,
von der hochstelzigen „Merveil-
leuse" bis zum lachenden nackten
neapolitanischen Naturkinde, aus-
gestellt hat und bei denen nur
etwa die Bronzemischung den fran-
zösischen Ehic nicht ganz erreicht.

Line kleine, doch vortreffliche
Sammlung, namentlich große Va-
sen, stellte Belgien aus. Gute
waaren, die allerdings nicht mehr
rechte nationale Eigenart haben
und die unsere deutschen keines-
wegs mehr übertreffen, lieferte
Oesterreich; dagegen hat Ame-
rika eigentlich etwas arg hinter
die Kulissen seiner Bildung sehen
lassen; unter den nicht sehr zahl-
reichen dekorativ figürlichen Sachen
ist eigentlich kaum ein Stück, das
in einem Dreimarkbazar sonderlich
hervorstechen würde.

Das Lob Japans aber zu
singen, hieße Eulen nach Athen
tragen. Jeder Kenner weiß, daß
seine Arbeiten von je unerreicht
dagestanden haben. Wenn sich in
der Porzellanbemalung bei ihm
hier und da Spuren von Nieder-
gang des Geschmackes zeigen, so

ist unter den Bronzearbeiten doch!__

keine einzige, die nicht den höchsten Ansprüchen gerecht würde, und sowohl unter
den Vasen, als den freien figürlichen Bildungen, sieht man in Lhicago die bewun-
derungswürdigsten Stücke. Der Himmel gebe Deutschland ein kaufendes Publikum,
s^iß wir nur erst einmal Muth gewinnen, hier von Japan zu lernen!

Del) flvlDeNH Zirlrvl. Der Kunstmaler Or. Adalbert Goeringer in
München hat ein neues Instrument erfunden, welches durch die Einfachheit, mit
welcher es die vom Erfinder ins Auge gefaßte Aufgabe löst, überall das größte
Erstaunen erregt. Der goldene Zirkel theilt durch den Schnittpunkt seiner mittleren
Lchenkel die Gerade, welche die beiden Spitzen verbindet, automatisch nach dem
„goldenen Schnitt". Der Werth dieses Instruments für Bildhauer, Maler, Architekten,
Zeichner und für das gesammte Knnsthandwerk wird in einem beigegebenen Buche
des Erfinders geschildert, worin in leicht verständlicher Weise das Vorkommen des
goldenen Schnittes in Kunst und Natur dargelegt ist. Unseres Erachtens wird
die Lehre des goldenen Schnittes indeß nach wie vor nur eine Bedeutung für die
schule, weniger aber für die Praxis haben. Näheres hierüber im nächsten Heft!

Abbildung Nummer 62-s. Kunstgewxrblichv Evlrugnissv in Bronze und Eisen.

Aus dem kunstgewerblichen Atelier von «. Airsch i„ München.

-Hu nuferen -Dllustratwneu.

in reizvoller Beleuchtungskörper: weibliche Herme in graziöser Haltung,
Bronzeguß auf Marmorschaft und -Sockel mit naturalistischem Wasser-
pflanzengewinde, in seinen geöffneten Blüthen zwölf Glühlampe» tragend,
eröffnet diesmal den vornehmen Reigen der Abbildungen als Anfangs-
vignette. Dieses kunstvolle Stück, ziemlich lebensgroße Ausführung, ist aus den
Werkstätten der Sächsischen Bronzewaaren-Fabrik vorm. K. A. Seifert,
Akt.-Ges., Wurzen, hervorgegangen und den besten französischen Bronzen an die
Seite zu stellen. Derselben Firma entstammt der sehr glücklich proportionirte, in
Glas und Bronze ausgeführte Saal-Leuchter für das „Neue Theater" in Berlin,
Abbildung Nr. 620, und der schwungvolle Rokoko-Lüster, Abbildung Nr. 622. In
beiden Arbeiten zeigt sich trotz der verschiedenen Bestimmung ein feines Abwägen
der Verhältnisse, eine harmonische Jusammenstimmung von Bronze, venetianischen
Glaskörpern und farbigen Kelchen, welche die Birnen umschließen. Alle drei Be-

> leuchtungskörper sind durch ihre
zweckmäßige Gestaltung dem elekt-
rischen Licht äußerst entgegenkom-
mend.

Abbildung Nr. 6Zg zeigt uns
ein ans mittelalterlichen und
Renaissance-Motiven kombinirtes
Tauf-Becken in Schmiedeeisen
und getriebenem Kupfer, dessen
kuppelförmiger Deckel mit Taube
von dem Wandarm gehalten wird.
Entwurf und Ausführung ist von
Ed. Puls, Berlin. Die Kirche
zu Kochern a. d. Mosel erhielt dies
j eigenartigeGeräth kirchlicherKunst.
von Meister Franz Bre-
chenmacher in Frankfurt a.M.
können wir diesmal zwei ganz
bedeutende Arbeiten vorführen, die
uns eigentlich die Höhe deutscher
Kunstschmiedetechuik künden. Der
elegante, in vornehmster Linien-
I führung des frühen Rokoko sich
^ ausbauende Ofenschirm, Abbil-
dung Nr. 620, ist in Komposition
und Ausführung ein Paradestück
allerersten Ranges, an dem Feuer.
und Treibarbeit gleichen Antheil
hat. Auch einzelne Bronzetheile
haben Verwendung gefunden, so
die beflügelten Büsten, oben, Por-
traits der glücklichen Bestellerin,
einer Brauereibesitzersgattin in
Frankfurt a. M. Das Mittelfeld
zeigt einen getriebenen Strauß
mit Gerstenähren — auf die Be-
reitung des Bieres hindeutend —
auf rothem Grund. Das herrliche
Mittel-Portal — Knnstbeilage
zum ersten Bogen — für das
Transportationbuilding auf der
Weltausstellung in Ehieago weist
! eine feine Verquickung deutscher
- Barock- und Rokokoformen auf.
Auch in diesem Meisterstück hat
Brechenmacher seinen alten Ruf
gewahrt, der ihn gleichberechtigt
zu Gcbr.Armbrüster und Puls stellt.

Die Gitter- und Thorfront
für Lhicago von Gebr. Armbrüster
in Frankfurt a. N. konnte leider

——. -__' ! diesem Heft nicht abbildlich bei-

gegcben werden, da die fotografische Aufnahme nicht mehr rechtzeitig vorgenommen
werden konnte, und wird die bezügliche Abbildung als Kunst-Beilage mit dem
September-Heft nachgeliefert werden. Die Gitter müssen als eine Musterleistung
der Kunstschmiedetechuik bezeichnet werden und verweisen wir diesbezüglich auf den
Lhicago-Bericht von Hans Schliexmann im vorliegenden Heft.

Ed. Puls, Berlin, fertigte auch die Kamingarnitur — Vorsetzer und
Schirm — Abbildung Nr. 62;, für weiland Kaiser Friedrich nach dessen eigenen
Angaben. An schlesische Schmiedewerke der Barockzeit erinnernd, sehen wir in
diesen Stücken Leistungen von eigenem Reiz, denen ein kunstsinniger Fürst besondere
weihe lieh.

Die Theilansicht (Abbildung Nr. 622) des Einfahrts-Thores in Schloß
Görlsdorf, ebenfalls von Puls, läßt durch die großflächige Lösung die gut durch-
geführten Einzelheiten des geschmiedeten reichen Blattwerks und Ornaments wir-
kungsvoll zur Geltung kommen.

Das schmiedeeiserne, preisgekrönte Thor-Gitter von L. Schlösser L Sohn
in Köln verräth gleichfalls ein beachtenswerthes Können, das sich auch in dein
 
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