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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Jäck, Eugen: Der Teppich und seine Wahl für die verschiedenen Zimmer, [1]
DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Luxus und - Luxus, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0014

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Seite A

Illustr. kunstgewerbl. Zeilschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

Smyrna- und ÜAiate-lisse-^ualitäten, die dem Staub zu viel Schlupf-
winkel bieten, entschieden daraus zu verbannen. Ebenso verbietet sich
das Ueberspannen des ganzen Bodens mit einem Teppich, durch die
tief in das Zimmer einschneidenden Betten und einen großen Aleider-
schrank von selbst. Das praktischste bleibt ein Läufer in gezogener, sog.
Brüsseler (Qualität und je nach Bedürfniß weichere Decken vor den
Betten. Aus diese Weise eingerichtet, kann der Fußbodenbelag jeden
Augenblick mit Leichtigkeit entfernt und Boden und Vorlagen gründlich
gereinigt werden. Die Farben und Dessins sollen im Schlafzimmer
ebenfalls einfach und unauffällig sein, da sie ja weniger dem Schmuck,
als dem wirklichen Bedürfniß zu dienen bestimmt sind.

In den beiden vorgenannten Zimmern wird, selbst wenn eine
größere Anzahl von Räumen zur Verfügung steht, in Bezug auf den
Fußbodenbelag das praktische Moment die Oberhand behalten müssen.
Damit soll jedoch durchaus
nicht gesagt sein, daß deß-
halb die künstlerische, den:

Auge wohlthuende Form im
geringsten vernachlässigt zu
werden braucht. Die Ver-
einbarkeit der Dekorations-
kunst, mit den Ausgaben des
praktischen Lebens, nament-
lich der anheimelnd-gemüth-
lichen Wohnlichkeit, ist schon
in unzähligen glücklichen
Beispielen gezeigt worden,
so daß hier nicht weiter
darauf hingewiesen zu wer-
den braucht. Dieser Ge-
müthlichkeit muß besonders
in Räumen, die. einer kleinen
Gesellschaft zum Aufenthalt
dienen, in hervorragender
Weise Rechnung getragen
werden. Man erreicht dies
durch mancherlei Vorkeh-
rungen, die bei aller Zweck-
mäßigkeit ohne große Mittel
und Mühe getroffen werden
können. Eine neuerdings
vielfach angewendete Art,
um z. B. eine übermäßig
lange Wand durch ein recht-
winklig zu derselben gestelltes
Pianino, eine Portiere, Bal-
lustrade, oder durch einen
erkerartigen Einbau in das
Zimmer, zu unterbrechen,
wodurch lauschige und be-
hagliche Plauderplätzchen
geschaffen werden, ist ein
glücklicher Gedanke, um eine
Gesellschaft in einzelnen
Gruppen zu plaziren. Durch eine derartige Auflösung in getrennte Par-
tien wird der Gelegenheit zur gleichzeitigen Betheiligung an der Unter-
haltung der weiteste Spielraum geboten, ohne sich von der Gesammtheit
absondern zu müssen. Eine solche Einrichtung bedingt dann allerdings
eine von dem gewöhnlichen Arrangement abweichende Behandlung des
Fußbodenbelages, indem die in das Zimmer vorspringenden Theile der
Ausstattung einen gemeinsamen Teppich mit der Wand entlang lau-
fender Borde unmöglich machen würden und andererseits die Führung
derselben um diese Einbauten heruni unschön wirken müßte. In solchen
Fällen hilft man sich dadurch, daß man einen in zwei ruhigen Grund-
tönen gemusterten Teppich, der durch Einschnitte, die am Besten an
Ort und Stelle gemacht werden, dem Grundriß des Fußbodens ange-
paßt wird, auflegt und dann die einzelnen Abtheilungen durch kleine
Vorlagen, auch wohl Fuchs- oder Bärenfelle, ausschmückt. Dem Farben-
sinn und der Fantasie wird dadurch ein weites Feld eröffnet! (Schluß folgt.)

" Abbildung Nr. 485. Erkcv im Wohn-Zimmev s. A d. Kerzogs v. Meiningen.

Einzel-Ansicht zu nebenst. Beilage. — Ausgeführt für Schloß Meiningen nach Entw. v. ssrof. Neuineister, Aarlsruhe.

^umrs und — Muxns.

von bZans Schliepmann.

„Ixe supertlu, Mose dien. neLesssäre", sagt der scharf-
geistigste aller Franzosen, Voltaire, und giebt mit dieser paradox ge-
wendeten Behauptung thatsächlich einen Fundamentalsatz der Aultur.
Der Ueberfluß über das nackte Bedürfniß ist ein erstes Aulturersorderniß.
So lange wir bedürfen, angstvoll bedürfen, ist keine Freude, keine
Erhebung für uns möglich; erst mit dem Mehr als genug erhebt
sich der menschliche Geist aus den thierischen Nöthen und thierischen
Verrichtungen zu geistiger Thätigkeit, zur Freude und zur — Aunst.

Und so gewiß Freude unser höchstes Bedürfniß ist, so gewiß ist
also auch Aunst, ein scheinbar Ueberflüssiges, durchaus Bedürfniß.
Schon der Diluvialmensch ritzte kindliche Abbilder seiner Umgebung in

seine Anochenwerkzeuge, das
früheste, seltsamste Denkmal
des — Luxus, wenn man
so will. Und zur Zeit des
Verfalles der römischen
Welt heischte man mit dem
Nothdürftigen das Ueber-
flüssige in einem Athem
durch den Schrei: „pmnerii
et circerises," Brod und
Schaustellungen! Selbst der
zur Bestie herabgedrückte
Pöbel verlangte nach einer
Aunst —- freilich auch nach
einer bestialischen; aber das
Bedürfniß nach dem schein-
bar Ueberflüssigen zeigt sich
auch hier!

Ich nahm hier Vol-
taires „saixerklia" als
das scheinbar Ueberflüs-
sige, das „Mehr als genug",
das Aünstlerische. Ls
wird unter den praktischen
Menschen noch immer Tau-
sende geben, die nur hier
das „scheinbar" ausstreichen
möchten. Die Aunst ist
etwas ganz Ueberflüssiges,
der reine Luxus! Sogar
der moderne Staat thut
offiziell so, als sei er dieser
Ansicht, als könne man sich
zwar durch einige Ausgaben
für Aunst „nobel machen,"
aber als sei keineswegs eine
Verpflichtung zur Aunst-
pflege vorhanden, als könne
das Bedürfniß nach Freude
bei den Massen wirksamer
durch Gewalt unterdrückt als durch ernste Aunstdarbietungen befriedigt
werden. Aber ich möchte doch um der Ehrwürdigkeit unserer Sprache
und um der Aunst willen nicht jener Geizhalsweisheit nachgeben, die
Aunst und Luxus für ziemlich dasselbe erklärt.

Ich möchte aber auch jener Schlemmerweisheit um keinen Preis
zustimmen, die umgekehrt Luxus schon für Aunst ausgeben möchte, die
sich selbst einreden möchte, daß die Befriedigung ihrer „verfeinerten"
Bedürfnisse irgend etwas mit ernsthaft ästhetischen Regungen zu thun
habe, obwohl ja vielleicht im weitesten Sinne die Aesthetik alles umfaßt,
was sich auf Erregung und Befriedigung unserer Gefühle bezieht.

And deßhalb wird es nöthig sein, daß wir mit den, Worte Luxus,
das bereits eine gewisse Vieldeutigkeit gewonnen hat, vorsichtiger um-
gehen. Es ist inehr eine Art Sprachwitz als Sprachgebrauch, „Luxus"
im Sinne von Ueberfluß, Unnöthigkeit schlechthin zu brauchen, wie
etwa in den: Satze: „Es ist Luxus, sich mit dem Geschmack moderner
 
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