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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schulze, Otto: Die verschiedenen Gebiete der Keramik an der Hand unserer Abbildungen
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Statsmann, Karl: Was bedeutet eine Volkskunst, insbesondere für den Schmuck unseres Heims?, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0296

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Seite s70.

November-Heft

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

kommen. Bezeichnungen wie Majolika und Fayence werden schon
lange nicht inehr einheitlich gebraucht, und haben mit ihrem Ursprung
Majorka und Faenza fast nichts mehr gemein, wir werfen heute
beides sehr häufig zusammen, während eine äußere Scheidung sehr leicht
möglich ist. So können wir einen minderwerthigen Scherben — Fach-
ausdruck für das !Uaterial
eines Gefäßes der mit
deckenden, farbigen Zumoxyd-
haltigen Glasuren bedeckt ist,
mit Majolika bezeichnen;

Scherben, welche eine feinere
Begußschicht, vielleicht aus
Pfeifenthon, erhalten haben,
dekorirt mit leicht brennbaren
Muffelfarben unter durchsich-
tiger Bleiglasur dagegen als
Fayence. Unter Steingut, oder
wie die Hausfrauen sagen —
fälschlich — Halbporzellan,
kann inan alle die Fabrikate
rechnen, zu welchen ein ge-
wöhnlicher Scherben mit ganz
deckender weißer Zinnglasur,
oder ein gleichmäßig in der
Masse gefärbter besserer Scher-
ben, gelblich, röthlich, grün-
lich mit durchsichtiger Blei-
glasur überzogen, verwendet
worden ist. Man spricht von
grobem und feinein Steingut,
von feiner und Bauern-Majo-
lika, von Fayence-fine und
anderen Scherben, alle diese
Arten haben einen porösen,

Abb. 7», u. 742. Erzeugnisse dev König!. Sachs. Porzellan-Manufaktur, Meißen.

körnigen Bruch, welcher mehr oder weniger das Bestreben hat, so gegen
die Zunge gehalten, Feuchtigkeit aufzunehmen. Steinzeug dagegen gleicht
im Bruch mehr dem Porzellan — abgesehen von der Farbe — sein
Scherben hat so viel Flußmittel an Spath oder Huarz erhalten, daß
eine völlige glasharte Versinterung eintritt.

Zu diesen Gruppen bieten uns die Erzeugnisse der Weltfirma
Villeroy L Boch in Mettlach, Dresden, Septfontaines, waller-
fangen, Merzig und weiterer Fabriken, welche wir in den Abbildungen
Nr. 684:—6fi6 und 6fi8—726 wiedergeben, ein überaus reiches, formen-
und farbenschönes Material, was Berlin auf dem Gebiete des Por-
zellans, ist Villeroy L Boch
auf dein des Steinguts, der
Majolika und Fayence, bahn-
brechend, neuzeitlich führend,
eine Weltfirma iin besten
Sinne des Wortes, wir er-
blicken hier die Ergebnisse
einer völlig neu begründeten,
lebenswarmen Industrie; was
sie schuf und schafft ist originell,
neu, kraftstrotzend, vorbildlich
für Nationen verschiedenster
Zunge. Ganz abgesehen von
den Mettlacher Platten, die
in alle Länder gehen, sind es
in erster Linie die Gefäße,
für die nicht nur neue, edele
Formen, sondern auch eigen-
artige, technisch vollendete
Verzierungsweisen durch Ma-
lerei, Beguß, Relief, haupt-
sächlich aber das Einlegen
farbiger Mafien bei den Stein-
zeuggefäßen zu intarfiaartigen
Wirkungen zur Aufnahme
gelangt find. Wir dürfen uns
hier weitere Ausführungen
erlassen; nicht uninteressant
mögen einige Zahlenangaben

aus dem großen Getriebe der Villeroy L Boch'schen Fabriken sein.
Zusammen werden in den acht Fabriken 5300 Arbeiter und 26H Beamte
beschäftigt; im Jahre s8st2 wurden 35,505,000 Kilo fertige Waaren
versandt; sss Brennöfen und Motoren mit zusammen s2H5 Pferde-
kräften bewältigen mit dem riesigen Arbeiterstamm den vielverzweigten

as bedeutet eine Wvlkskunst,

insbesondere für den ScHrnuck unseres Keims?

von Architekt Aarl Statsmann. «Schluß von Seile Ichz,)

Besserungsversuche", sagt Schw. ganz richtig, „da» Natur-
studium, das Streben nach Einfachheit, das Anknüpfen ans
Volksthümliche und Nationale waren leider alle vereinzelt.
Man erkannte nicht, daß sie im Grunde Zusammenhängen und zusammen
gehören, daß in ihnen sich das Sehnen nach einem volksthümlichen
Kunstgewerbe Bahn brach: denn in diesen drei Momenten liegen ja
eben die Wege, welche unser Kunstgewerbe einschlagen muß, um zu
gesunden und die Grundlage einer wahren Volkskunst zu werden". —
„Erfüllen wir unser deutsches Volk von Jugend auf mit gesundem
Schönheitsgefühl und Kunstsinn, erfüllen wir unsere Kunst mit dem
Geist unseres Volkes, auf daß beide Begriffe „Volk" und „Kunst"
untrennbar vereinigt werden!"

Es ist kein Zweifel, daß der Schmuck unseres Heims ein
anderer wird, wenn das „Volk" nicht inehr von den Launen unreifer
Künstler geleitet wird, sondern seinen eigenen Geschmack einmal geläutert
hat. Dann hört auch das Rundreisevergnügen in den dutzend verschie-
denen Stilarten auf, über das so viel gezetert wird. Es hört aber in
unseren Wohnungen auch auf: einerseits das gedankenlose Flitterwesen,
das hohle Protzenthum, anderseits die öde Fadenscheinigkeit des ein-
fachen Hausstandes. Unsere Töpfe, Tassen und Geschirre, die heute
noch in erschrecklich nüchterner Weißheit gähnen, kriegen dann einmal
ein schmuckeres, würdigeres Aussehen für's selbe Geld, denn die Technik
und die Industrie wird das zuwege bringen. Es wird dann ein Jeder
wissen, was ihm paßt, gefällt, und unsere Kinder wachsen in einer

stimmungsvollen Umgebung auf. wenn man sieht, in welch inniger,
herzerfreuender weise jedes Ding bei den Griechen geschmückt war, mit
wie wenig Möbel und Hausrath sie sich dabei beholfen haben,_ wes-

halb sollen wir es nicht auch wieder so weit bringen? Vor 20 Jahren
glaubte man, eine Wohnung müsse durch und durch stilvoll, eche Fa^ade
architektonisch reich gegliedert sein. Heute begnügt man sich schon, auch
in der Tracht, mit einfacheren Formen. Und die Kunst-Industrie ist
dabei doch nicht schlecht gefahren. Das Publikum kennt heute vielfach
noch nicht den Unterschied von gediegenen Sachen und von Surrogaten,
und stellt sich statt einfacher, solider Sachen solche mit Krimskram
überladene, aber lüderlich hergestellte in die Stuben. Dieselbe Gedanken-
losigkeit erkennt man aus der Wahl der kleinen Zierstücke, der Wahl
der Bilder. Wenn ein großer Theil des Publikums, das gar nicht
die Mittel dazu besitzt, abhängt im Geschmacke von Dekoratören und
anderen Handwerkern oder Künstlern, so geschieht es ihm recht. Zu
was denn die vielen überladenen Stoffgeschichten, die dutzend verschie-
denen Tapeten in einfachen Wohnungen, in denen oft einfach geölte
wände richtiger und praktischer wären. Lernet auch wieder mit schlich-
teren Wänden, Stuben, Ausstattungen vorlieb nehmen. Euer und Eurer
Frauen Schönheitssinn wird schon das rechte Maß des Schmuckes für
dieselben finden. Doch das geht ja alles wieder gegen den Profit
der Werkstätten, Fabriken! D weh! Armes, dem Ende nahendes
neunzehntem Jahrhundert! Dieser dumme Kampf ums Dasein, den
wir unm bei all dem Schielen nach dem Reichthum der Nachbarn, nach
dem welschen und nach den „guten alten Zeiten" selbst so unleidlich
machen! „Der Lebensgenuß' ist ein höherer geworden." Ganz recht.
Mache man jedoch denselben in ethischer Beziehung durch die Kunst
dem Volke ebensosehr zum Gemeingut! —
 
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