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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Statsmann, Karl: Der Naturalismus im Möbelstil
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Waldau, Otto: Farbige Diners
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0099

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April-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite 59.

mit chinesischen Mauern! Ziehen wir nicht auch in der Kunst diejenigen Grenzen,
welche doch unser Jahrhundert in Freiheit und Kraft schon lange durch Wissenschaft,
Trkenntniß, Bewegung in Handel und Verkehr, im geistigen und materiellen Wett-
bewerbe der Völker Uber Rassen — und Nassen hinweg lange schon überschritten
hat! — willig nehmen wir das Gute von Außen. Im Kunstgewerbe Haben wir
von Japan viel gelernt und unser moderner Naturalismus erst recht. Fuhlen wir
uns doch einig mit den uns sonst unähnlichen Insulanern, im gleichen Streben
»an deinem Herzen, Natur", zu gesunden. Mit Unrecht nennt man daher unsere
naturalistisch frei behandelten Ornamente „japanisch". Sie sind weder japanisch,
noch spezifisch deutsch: sie sind eben natürlich in der Auffassung, wie weit war
man also von der Natur entfernt, daß man das Natürliche nun künstlich findet!

Im Osten aber wie im Westen
blühen Blumen, und so lange sie's noch
thun, werden auch Kunst und Kunstge-
werbe blühen. Bezeichnend für die Kunst
bes fernen Ostens mag die sonnblum-
ähnliche Chrysanthemum sein. Für
unsere neue deutsche Kunst, welche
bvürzelchen und Wurzeln im Volke
schlagen soll, hat man sinnig eine an-
dere Blüthe auf das Schild gesetzt:
das schlichte treuliche Märzglöckchen,
welches in Kraft und Schönheit aus
einem warmen Herzen hervorsproßt.

Das Herz ist die Volksseele, das Schnee-
glöckchen die Volkskunst. Dem anbre-
chenden Frühling einer verständlichen
beglückenden Volkskunst, aus welcher
all das Herrliche herauswächst, das dem
deutschen Genius innewohnt, hat der
Naturalismus die Wege geebnet.

Nun Glückauf!

Erdige ^Minrrs.

von Otto Waldau, Paris.

Il^eit einiger Zeit hat sich in Paris

ein nachahmenswertster Gebrauch
herausgebildet, nämlich sogenannte „far-
bige" Dejeuners und Diners zu geben. ^

Derselbe ist übrigens nicht dem hübschen !

Köpfchen einer erfinderischen Französin!
zu verdanken, sondern von den Töchtern ^
des freien Amerika, die der Kapitale
der Schwesterrepublik eine so große
Sympathie entgegen tragen, allerdings
hauptsächlich um mit den hocharistokra- s
tischen Söhnen der dort lebenden alten
Familien ihre Dollars zu vermählen,
herüber gebracht worden. Die Idee
'st eine sehr hübsche und da sie viel-
leicht auch in Deutschland, das ja doch
nnmer noch gern seine Moden von hier
bezieht, wenn es ihnen auch nicht mehr
unbedingt folgt, Nachahmerinnen finden
bürste, so werden vielleicht einige An-
beutungen darüber willkommen sein.

Ehe man sich für eine besondere
Nüance entscheidet, muß man die Farbe
bes Services in Betracht ziehen. Es
wäre z. B. nichts weniger als rathsam
f'ch für ein rosa Diner zu entscheiden,
wenn das Porzellan einen rothen Rand
3eigt, oder für ein grünes, wenn man
Geschirr in Sevresblau hat. Die glück-
l'che Besitzerin ganz weißer oder nur
"ut einem schmalen Goldrand versehener
Schüsseln und Teller (was, nebenbei
bemerkt, immer für hochelegant gilt)

'ff natürlich in Bezug auf die Farbe
U'cht beschränkt und kann eine wählen,

'e ihr gerade am schönsten oder der
Jahreszeit am entsprechendsten erscheint.

—tt^ ° '

«Abbildung Nr. L52. Pfeiler - Schrank mit Splchiel. Englisch. Gothisch.

Nach Lntw. der Großh. Runstgewerbeschule ausgef. von Gcbr. Müller. Baden-Baden.

bei einem eleganten Dejeuner der Fall war. Lange Sträuße von diesem zarten
Grün, die mit Band in derselben Farbe gebunden waren, lagen auf der Tischdecke,
während große Farrenkräuter in versilbertem Korbe in der Mitte und vor jedem
Gast schmale hohe grüne Gläser standen, die einige Zweige Frauenhaar enthielten.
Das Service war mit einem Goldrand und feinen, grünen Blättern verziert; der
größte Theil der Weingläser grün. Folgendes war das Menu: RuiLe de pois
verts, kilets de ssls a 1a Vörritieirire, raauviettes er, eaisses; cLIelettes
d'a^rrear, aux ckxiaards, paialet au. cressorr, aspeiZes er, draaekes,
Zelcke a 1a Russe, eroutes au loeurre Noutpelliei, soulklL aux pistaedes
blaeä. Die Filets von Seezunge waren er, eouraaue aufgegeben und in der
Mitte befanden sich kleine runde Kartoffeln, die mit einer grünlichen Sauce, bei

der Petersilie eine Rolle spielte, bedeckt
waren und auch über die Filets eine
solche, durch Fruchtsäfte grün gefärbt,
gegossen. Die farcirten Lerchen lagen
in grünen Papierkästchen, welche theil-
weise mit grünem Aspic ausgefüllt
waren, und diese wiederum stauden in
Porzellangefäßen, deren Henkel grüne
Bandschleifen schmückten. Die Lamm-
kottelcttes waren mit grünen Papier-
rüschen uingeben und lagen auf dem
Spinat; das Aelöe a 1a Russe zeigt
abwechselnd eine weiße und grüne Farbe.

Sehr schön ist es, für den Abend
roth zu wählen und je nach der Saison
die eine oder die andere Blume. In,
Frühjahr wären z. B. Mohnblumen
sehr angebracht, die mit ihrer lebhaften
Farbe und ihren riesigen Blüthen eine
prächtige Wirkung ausüben würden,
später rothe Rosen und noch später die
dunkelrothen Kaktusblüthen, die von
so tiefer und leuchtender Nüance sind,
wie dieselben zu arrangiren wären,
darüber scheinen wohl nähere Andcu-
tungen nicht nöthig. Natürlich müßten
die Licht- oder Lampenschirme stets mit
der gewählten Nüance übereinstimmen
und die Menus und Tischkarten eben-
falls in derselben gehalten oder mit
solchen Schleifchen geschmückt und in
farbiger Tinte geschrieben sein. Lin
„schattirtes" Diner würde jedenfalls
auch viel Effekt machen, und jetzt, wo
„c>rr,1>rL"-Stoffe rc. so sehr modern sind,
auch recht passend erscheinen. Sie De-
korirung könnte z. B. aus Rosen be-
stehen, vom hellsten Rosa bis zum dun-
kelsten Roth oder in Geranienblüthen,
die in gleicher Weise arrangirt sind.

Manchmal ist das Mahl auch ein
zweifarbiges und zwar in vollständig
abstechenden aber mit einander harmo-
nisirenden Nüancen, wie z. B. lila und
mattgelb. Die Lampenschirme sind dann
abwechselnd gelb und lila und die Tisch-
karten und Menus mit Schleifen in
beiden Farben geziert. So viel als
möglich müssen auch letztere in den
Speisen zum Ausdruck gebracht werden.

prächtig war ein kleines Diner,
das vor einiger Zeit stattfand und bei
welchem gelbe Rosen die Ausschmückung
bildeten. Lin großer Strauß derselben
stand in der Mitte auf silbernem Aus-
satz und kleine silberne Schalen mit
solchen angefüllt umgaben den letzteren;
j aus weißem mit gelben Blumen durch-
s wirkten Damast bestand das Tischtuch.
Kleine Sträußchen gelber Rosen lagen
! bei jedem Kouvert und gelblich schim-

Die Dekorirung eines Tisches spielt jetzt
"k' allen festlichen Mahlen eine große Rolle, doch ist es falsch, wenn man glaubt,
"'cht genug Blumen anbringen zu können; so schön eine derartige Ausschmückung
^uch erscheint, so darf sie doch nicht den Eindruck des Ueberladenen machen. Tisch-
kckei, mit einem Mittelstück ans Seide oder Plüsch sin- nicht mehr sehr er, voZrre,
die farbigen Diners aber verwendet man sie immer noch, da sie sofort andeuten,
Welche Nüance dasselbe trägt. Grün wäre für ein Dejeuner, oder in Deutschland
das Mittagsmahl, eine sehr hübsche Farbe und ist etwas ungewöhnlicher als
n ^^üen jsz letztere für den Abend emxfehlenswerth, da Schirme für Lampen
Kerzen niemals in Grün gewählt werden dürften. In beiden Fällen wäre
"der sehr schön, wenn inan den Tisch mit Frauenhaar garnirte, wie dies jüngst

^erten^die schön geformten Gläser. An jeder Seite des Aufsatzes stand eine große
und an den beiden Enden der Tafel sechs kleine Lampen. Statt der Schleier waren
an den Glocken derselben reizende Figürchen von Äallettänzerinnen befestigt, deren
luftige, weit abstehende Gewänder den Schirm bildeten. Die Dämchen selbst, aus
Pappe hergestellt, sahen mit dem vorgebogenen Oberkörper und einem vorgestreckten
Fuß recht natürlich aus. Die kleineren Lampen trugen diese Schirme in geringerem
Umfange und waren sie bei diesen nur an einer, bei den großen an beiden Seiten
angebracht. Dieses eigenthümliche Qorxs de dallet, ganz gleich in leuchtendes
Gelb gekleidet, bestand natürlich lediglich aus Brünetten und brachte der Dame
des Hauses als Erfinderin dieses eigenartigen Schmuckes die unverhaltene Aner-
kennung der nach steter Abwechselung verlangenden Gäste. —
 
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